Man weiß voneinander und ist gespannt auf das Stadtrat-Votum

Im Rathaus am Großen Ring wird Ende Februar sehr heiß debattiert werden

Nachdenklichkeit, Misstrauen und verschränkte Arme: etwa zwei Wochen vor der Entscheidung durch Abstimmung im Rathaus ist man sich in Hermannstadt nicht darüber einig, ob das historische Zentrum ein neues Gebäude auf einem seit jeher unbebauten Stück Grund verträgt oder nicht. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Ob die regelmäßig für die schließende Woche des laufenden Monats einberufene Stadtrats-Sitzung am 24., 25., 26., 27. oder 28. Februar stattfinden wird, ist noch nicht abzusehen. Den Befürwortern wie Kritikern des Neubau-Projekts auf dem Gelände von Unternehmer Iancu-Sebastian Boncuț dafür, die sich in Fragen betreffend den Grünstreifen hinter dem Parkplatz des Hotels „Zum Römischen Kaiser/Împăratul Romanilor“ gerne widersprechen, ist eine weitere Chance zum Debattieren vor der finalen Abstimmung durch den Stadtrat sicher. Und daran, dass sie nach Kräften genutzt werden wird, besteht auch kein Zweifel. Iancu-Sebastian Boncuț für seinen Teil hat Montagabend, am 10. Februar, im Alfa-Vortragssaal des Ramada-Hotels von Hermannstadt/Sibiu schon einmal taktisch den Versuch unternommen, Gegnern und Freunden des Vorhabens gleichermaßen Gehör zu schenken. Etwa zwei Stunden lang wurde ausführlich diskutiert und zuweilen recht laut gestritten, was sogar den Investor persönlich dazu brachte, sich mit beiden Händen über das Gesicht zu fahren. Sollte die Veranstaltung, an deren Spitze vier Mitarbeiter seines Projekts ihn flankierten und zu der er eingeladen hatte, einschließlich ihn ermüdet haben, war Boncuț klar Überdruss anzumerken. Bis zum Stichtag der letzten Februar-Woche hingegen, wenn es am Stadtrat liegen wird, sein Bauprojekt anzunehmen oder abzuweisen, muss selbst Grundbesitzer Iancu-Sebastian Boncuț sich noch gedulden. Anrainer und Einheimische, die nichts Vorteilhaftes an seinem Plan erkannt haben wollen, werden sich vor dem Votum durch den Stadtrat bestimmt einmal mehr zu Wort melden und sich an Ort, Stelle und Termin im Rathaus maßgeblich in das für sie sehr wichtige Verhindern des Neubaus einzubringen versuchen. Einfach dürften Investor Boncuț, seine Anwälte sowie Architekt Alexandru Găvozdea, Autor der Projekt-Dokumentation, es beim Erörtern des einschlägigen Punkts auf der Stadtrats-Tagesordnung Ende Februar nicht haben.

Wer indes offen auf ihrer Seite steht? Architekt Mihai Țucă, der für die Renovierung der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt verantwortlich zeichnet, ihr genauso saniertes Dach ausgenommen, Archäologe Dr. Marian Țiplic, Professor an der städtischen Lucian-Blaga-Universität, und sicher auch noch weitere Personen, die sich entweder noch nicht dazu geäußert oder auf ihre Teilnahme an der Debatte im Ramada-Hotel verzichtet haben. Mangel an Prominenz, bei der keine Überzeugungsarbeit dafür geleistet werden muss, ist nicht festzustellen. Immerhin räumt Alexandru Găvozdea ein, dass „die Dokumentation sehr schwer zu lesen ist, besonders für Nicht-Spezialisten“. Seine Stellungnahme aber, die Gegenstimmen wären „zumindest als seltsam“ abzutun, entzaubert seinen Technokraten-Status und lässt Găvozdea eher als Geschäftspartner von Investor Boncuț statt als unabhängigen Experten erscheinen, der sich Recht auf Kritik am gemeinsam vorgelegten Projekt vorbehält, sobald sie artikuliert werden sollte. Auch wenn die Anwälte im Auftrag von Boncu] juristisch Recht haben mögen – diese strittige Immobilien-Causa zielt einer gewissen Sparte Beobachter nach viel zu weit an der Wahrung kultureller Eigenheiten alter Substanz einer Altstadt vorbei, als dass ihr schlicht ohne Widerrede grünes Licht gegeben werden könnte.

Sicher, das überreizte Auftreten von Neubau-Projekt-Gegnerin und Stadträtin Sara Konnerth, Mitglied des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), ist dem Bekämpfen solcher Gefahr nicht zuträglich; eine Debatte frühzeitig entnervt zu verlassen, und sei es eine nicht vom Rathaus einberufene, legt offen, wie ungleich das Durchhalte-Vermögen im Ernstfall zwischen beiden einander nicht mögenden Lagern verteilt wäre. Wer Boncu] und G˛vozdea die Stirn bieten möchte, kommt mit Wutausbruch nicht weit. Aber auch der Spielzug des Architekten, der die Projekt-Dokumentation ausgearbeitet hat, die Gegen-Argumentation von Paul Niedermaier für null und nichtig zu erklären, zeugt von einer Überdosis Chuzpe. Es gehört schon so einiges an Unverfrorenheit dazu, Bedenken eines fachkundigen Vollmitglieds der Rumänischen Akademie frank und frei nicht stehen lassen zu wollen. Bei Anwesenheit von Alexandru Găvozdea hatte auch Ștefan Rezeanu als Überbringer der kritischen Perspektive des Hotels „Zum Römischen Kaiser“ – „Gentrifizierung zieht Steigen der Preise und Mietsätze nach sich“ – kaum Chancen, ernst genommen zu werden. Der einzige Befürworter des Neubau-Projekts, der das Unken von Gegenstimmen achtet? Archäologe Dr. Marian Țiplic: „Es ist delikat, darüber zu diskutieren, ob Neubauten in einer Altstadt opportun sind oder nicht.“ Iancu-Sebastian Boncuț ließ auf halber Strecke der Debatte durchblicken, sich im Fall eines abweisenden Votums durch den Stadtrat eingestehen zu wollen, „eine schlechte Investition“ getätigt zu haben. Hermannstadt täte das nicht unbedingt schlecht.