Klausenburg - „Unter unseren Mitgliedern finden sich Bürger, Aktivisten, Forscher, Künstler, Veranstalter, zivilgesellschaftliche Organisationen, progressive Bewegungen und Initiativen direkten Bezugs zur Lebenswirklichkeit, die transnationale Alternativen zu den üblichen Wirtschaftsmodellen und politischen Institutionen erdenken, einfordern und beschließen.“ Die internationale NGO „European Alternatives“ weiß genau, wie sie ihren Selbstauftrag kurz und bündig in Worte fassen kann, und richtet schon seit 2007 jährlich an je einem anderen Ort das Transeuropa Festival für Künste, Politiken und Kultur aus. „Dekolonisieren, Dekarbonisieren und Demokratisieren“ waren die Schlagwörter der Festivalauflage im April 2022 in Porto, und beginnend mit Mittwochabend, dem 11. Oktober, wird auch in Klausenburg/Cluj, Stadt des partizipativen Transeuropa Festivals 2023, fünf Tage lang in einen oppositionellen Diskurs mit Köpfchen eingestiegen. Hauptquartier des Programms ist die unabhängige Casa Tranzit, wo am ersten Abend um 19 Uhr zeitgleich drei Ausstellungen eröffnet werden: eine vor elf Jahren für die Kunsthalle Budapest aleatorisch konzipierte und auf exakt 99 Kartons beschriebene Sammlung von Videoaufnahmen diverser Veranstaltungen in der Casa Tranzit ab ihrem Startjahr 1997, eine Rückschau mit Fotografien und Filmaufnahmen über die Biografie von Ileana Lăcătuș (1932-2022), die 1998 zum künstlerisch aktiven Team des Hauses stieß, um spät Karriere unter dem Namen Ilonka Néni zu feiern, und eine Präsentation schriftlicher, fotografischer und zeichnerischer Weltdarstellungen von Bewohnern der Armen- und Rroma-Siedlung Pata-Rât direkt an der Müllhalde am östlichen Stadtrand von Klausenburg. Den artistischen Workshop im Vorfeld für Menschen des trüben Ghettos im Aufmerksamkeitsschatten der Großstadt geleitet hat Marion Colard, autodidaktisch als Künstlerin tätig und seit acht Jahren mit Rroma-Gemeinschaften auf ein Leben in besseren Umständen hin zuarbeitend. Eine volle Stunde Zeit ist den drei Vernissagen vorbehalten, ehe der Abend zum Auftakt des Transeuropa Festivals 2023 in der Theatervorstellung „Forecasting“ von Giuseppe Chico und Schauspielerin Barbara Matijevic gipfelt, die vor ihren Zuschauern einen Laptop aufklappen und dem Sog des Online-Alltags in Abhängigkeit von Youtube mit seinen guten und Schattenseiten tiefgründig nachspüren wird. An den weiteren vier Festivaltagen öffnen die drei beschriebenen Ausstellungen ihre Türen um jeweils 12 Uhr – Donnerstag, am 12., und Freitag, am 13. Oktober, schließen sie leider schon um 14.30 Uhr, doch Samstag, am 14., und Sonntag, am 15. Oktober, werden Besucher erst um 22 Uhr wieder entlassen.
Teilveranstaltungen des Transeuropa Festivals 2023, die nicht in der Casa Tranzit unterkommen, finden in Klausenburgs unabhängigen Theatern Reactor und ZIZ – Art and Social Area statt. Das Angebot an Idealvorstellungen und gesellschaftlichen Anstößen, die in der Innenstadt besprochen werden wollen, ist vielfältig aufgestellt und endet dort, von wo es auch den Stoff einer von drei Ausstellungen bezieht, nämlich in Pata-Rât. Die Elends-Siedlung gelangt Sonntag, am 15. Oktober, ab 17 Uhr in den Genuss großzügiger fünf Stunden Aktivität eines Festivals, das die Debatte gesellschaftlicher Spaltung und Spannung im Zeichen systemischer Diskriminierung nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt. Aber auch das Ausdiskutieren von Fragen betreffend die Gestaltung und Nutzung unabhängiger Kulturlokale wird ohne Umschweife angeschnitten. Das Festival-Programm ist auf der Home-page transeuropafestival.eu einsehbar und der Eintritt zu allen Angeboten frei. Dennoch wird besonders in geschlossenen Räumen wegen begrenzten Fassungsvermögens auf demselben Link jeweils die Option gegeben, Publikumsplätze vorab gratis zu reservieren. Auch das Arta-Kino beteiligt sich am Transeuropa Festival 2023.