Rumänien und Drogen? Früher Transitland, heute Konsumland

Präventions-Gala in Hermannstadt gab auch zwei von der Sucht geheilten Teenagern das Wort

„Ja zum Leben ohne Drogen“ – mit Priester Dr. Constantin Necula und Schauspielerin Maia Morgenstern in Hermannstadt eine sehr ernste Mahnung, nicht nur ein unverbindlich leicht daher gesagter Ratschlag. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – „Niemals werden wir genauso viel wissen wie jene, die durch diese furchtbaren Feuer gegangen sind“, unterstrich Donnerstagabend, am 21. September, im Ion-Besoiu-Kulturzentrum Hermannstadt/Sibiu der orthodoxe Priester Dr. Constantin Necula, ab 1997 zunächst Freiwilliger und nunmehr längst Vorsitzender der Rumänien-Vertretung des weltweiten Suchthilfevereins Blaues Kreuz. Der regional wohl populärste Kleriker der größten Kirche im Land lag mit seinem Fazit nach vier Stunden Veranstaltungsdauer denn auch kein bisschen falsch: den Publikums-Korridor im Foyer des ursprünglich kommunistisch klobigen Gewerkschaftskulturhauses markierten beiderseits Schautafeln mit Fotos und Zeugenberichten von Jugendlichen und Erwachsenen bis zur Lebensmitte, die mit Hilfe des christlich-pfingstlerischen Rehabilitations-Vereins Teen Challenge Romania im Kreis Ilfov ihre Abhängigkeit von Drogen nachhaltig in die Vergangenheit verbannen konnten. Ein geheilter Patient und heute endlich wieder in gesunden Spuren angelangter Mann im besten Alter war sage und schreibe 50 Mal zur Entgiftung in das Krankenhaus eingeliefert worden und wog auf dem Zenit der Abhängigkeit bei einer Körpergröße von 180 Zentimetern nur noch 43 Kilogramm. Und eine erfolgreich behandelte Karrierefrau erinnert sich daran, wegen Drogenkonsums ihre Spitzenfähigkeit zu Gedächtnis und Konzentration als Musterschülerin vollumfänglich eingebüßt zu haben.

Die an Bedenklichkeit kaum zu überbietende Großwetterlage kann auch Tiberiu-Iulian Ivancea, der leitende Beamte der polizeilichen Kreisbehörde von Hermannstadt, nur bestätigen. „Wo Rumänien vor zehn bis fünfzehn Jahren Durchgangsland war, ist es zu einem Konsumland mutiert.“ Fast schon spöttisch der schwer im Raum hängende Duft nach Parfum, in den sich etliche Zuschauende und Zuhörende des Gala-Events zur Prävention gehüllt hatten. Stoffe mit entstellender Wirkung nämlich, wofür Schüler, Jugendliche und jüngere Erwachsene so leicht unwiderstehlich zu brennen anfangen und sich selbst, ihre Familie und ihren Freundeskreis unvergleichlichen Belastungen aussetzen, konfrontieren Süchtige und nüchterne Mitmenschen dauerhaft mit dem schieren Gegenteil von Zuckerschlecken.

„Drogenkonsum und Online-Alltag gehen Hand in Hand“, betonte der stellvertretende Kreisrats-Vorsitzende Vlad Alexandru Vasiu die Kritik an der „Abwesenheit von Eltern“ in der Ansprache von Georgiana Dr˛gan-Moldoveanu, der Leiterin des Reha-Zentrums für Mädchen von Teen Challenge Romania, vorwegnehmend. Sie habe als Ex-Abhängige, die sich Drogen in den Schenkel injizierte, fast ihr rechtes Bein durch Amputation verloren, sagte Georgiana Drăgan-Moldoveanu vor Hunderten Personen am Rednerpult des Ion-Besoiu-Kulturzen-trums. Die Zahl der Schüler im ganzen Land, vor denen geheilte Patienten des Vereins Teen Challenge Romania Erfahrungsvorträge gehalten haben, steht bei 10.000. „Aber es gibt drei Millionen Schüler“, stellt die Dame aus dem Leitungsbüro der 2007 in Bukarest gegründeten Filiale von Teen Challenge, einem in den 1950er-Jahren in den USA formierten Suchthilfe-Zentrum, klar.

Für das Weiterstricken der Kritik an elterlichen Fehlgewohnheiten musste Priester Dr. Constantin Necula nicht zweimal auf die Bühne gebeten werden – „Zeit mit den Kindern zu verbringen ist besser, als ihnen ständig Sachen zu kaufen.“ Maia Morgenstern, die sich dem Podiumsgespräch mit ihm nicht entzog, bestätigte, dass „ein Fegen mit dem Besen, ein Aufkehren mit dem Rechen und Säubern mit dem Staubsauger gelegentlich mehr bewirkt als der Gang in das Fitness-Studio.“