Kerz/Hermannstadt – Eigentlich hätte Bio-Bauer Karl Hann (68 Jahre) den 50 Jugendlichen zweier gesamter 9. Klassen des Samuel-von-Brukenthal-Gymnasiums Hermannstadt/Sibiu und der Deutschen Schule Mühlbach/Sebeș ein Stück Drei-Schwestern-Kultur zeigen und die Teenager auffordern sollen, im Garten versuchsweise ein paar Arbeitsgänge mit dem Spaten zu wagen. Übler jedoch hätten die Frühlingswetter-Kapriolen den Lehrerinnen Adriana Șuvaina (Sport) und Delia Răulea (Deutsch) aus Mühlbach sowie Cristina Varga (Englisch) und Bianke Grecu (Deutsch) aus Hermannstadt und der von ihnen begleiteten Tagesreise-Schülergruppe schwer mitspielen können: Montagvormittag, am 22. April, machten der Regen, die Kälte und der hoffnungslos durchtränkte Boden vom Garten hinter der Zisterzienser-Abtei, wo mit Experte Karl Hann spannende Zeit hätte verbracht werden sollen, den jungen Gästen und ihren Reiseleiterinnen einen Strich durch die Rechnung. Aber der seit elf Jahren wieder in Kerz/Cârța und Siebenbürgen lebende Fachmann für naturbelassenes Anbauen von Gemüse war dennoch keinen Augenblick bereit, sein Publikum ohne bleibenden Eindruck wieder abfahren zu lassen, sondern schüttelte im Gemeindesaal der evangelischen Dorfgemeinde einen wachrüttelnden Kurzvortrag zu der Frage unverkürzt gesunder Ernährung in der Wohlstands-Welt des 21. Jahrhunderts aus dem Ärmel. „Wenn wir beschließen, was wie wachsen soll, tun wir uns selber keinen Gefallen“, unkte Karl Hann als entschiedener Gegner der Haltung, die Natur dirigieren zu wollen. Ob Zukunft sich alleine durch Kaufland-Supermärkte, Tablets und künstliche Intelligenz sichern lasse, sei zweifelsohne fraglich, schärfte er seinen schulisch versammelten Zuhörerinnen und Zuhörern ein. Es gebe viel Wichtiges, was leider keine Schule beibringe. Und die Anfälligkeit von Menschen wie Nutztieren für Krankheiten, die erst seit einem halben Jahrhundert immer stärker von sich reden machen – Laktose-Intoleranz etwa – sei unbedingt auch mit dem kritisch zu wertenden Verzichten auf Hausrezepte früherer Zeiten zu erklären. Karl Hann rät dazu, Nahrungsmittel wie zum Beispiel ein „jahrelang haltbares Sauerkraut, so wie die Großmutter es einzulegen verstand“, auf jeden Fall nicht von der Liste zu streichen.
Auch Pfarrer Michael Reger, der als Vorredner von Karl Hann im gotischen Kirchenschiff von Kerz pädagogisch fein in Vorleistung gegangen war und den Jugendlichen genauso wie auch ihren vier Lehrerinnen packend vom mönchischen Alltag in der Zisterzienser-Abtei bis Ende des Mittelalters erzählte, hatte das perfekte Erklären von Arbeit nach dem lateinischen Motto „Ora et labora“ zur Hand und spickte seine Gästeführung im Glauben an den „Gott, der die Welt nicht durch Krieg, sondern durch das Kreuz gerettet hat“, mit einer Menge geistreicher Anspielungen auf ernste Fragen. Obwohl in Kerz nicht selber Hand angelegt wurde, war der Schülerausflug am ersten Tag der landesweit „Grünen Woche“ (Săptămâna verde) ein Volltreffer – solche Kostproben von Biologieunterricht, der die Überindustrialisierung der Umwelt im Detail zur Räson ruft, und von Religionsunterricht, der klar in die Kulturgeschichte Europas hineinspielt, tun gut.
Ein besserer Ort als die Hermannstädter Gaststätte „Akropolis“ für das Mittagessen vor der Präsentation des Brukenthal-Gymnasiums für die Gäste und Partner aus Mühlbach hätte wieder einmal nicht gewählt werden können. Und bei der letzten Tagesausflugs-Station, dem „Smartlab“ am Kleinen Ring/Piața Mică, machte sich trotz des abwechselnd längeren Wartens in zwei Gruppen keine Langeweile breit. Roxana Hârșan, die noch nie zuvor Gruppen der Stärke von 50 Personen in das Aufsetzen von VR-Brillen und Programmieren einfacher Roboter eingeführt hatte, erläuterte trotzdem geschickt alle relevanten Informationen und verwickelte beide Schulklassen mit Hilfe von Freiwilligen im Terrain des Kleinen Rings in ein Quiz-Wettrennen um die möglichst schnelle Abholung sämtlicher sechs Basis-Bau-teile kleiner Roboter, die anschließend selbstverständlich zusammengebaut wurden. Am frühen Abend war man zufrieden, den Tag miteinander verbracht zu haben. Und teils etwas davon enttäuscht, dass Bio-Bauer Karl Hann der Verständlichkeit halber auf Rumänisch zu den Schülerinnen und Schülern geredet hatte. Was in der 9. Klasse noch nicht gegeben ist, kann bis zum Abitur auf Deutsch noch werden.