Hermannstadt - Es war für die Storchenfreunde, die seit vielen Jahren dabei sind, auch diesmal organisatorisch nicht leicht, gleichzeitig zur Storchenzählung zu kommen. Aber es hat dann doch geklappt: Anselm und Matthias Ewert reisten mit Peter Pöhls in dessen Kleinbus aus Brandenburg an. Und Andreas Zeck (5. Klasse), der nur ganz schwer drei Tage schulfrei bekam, konnte mit seiner Mutter per Flug aus Reutlingen anreisen, wobei sie beim Herflug kurzfristig die Fluggesellschaft wechseln mussten. Und so konnten wir in den Hitzetagen und ohne Klimaanlage zwischen dem 25. und 30. Juni die Storchzählung im Kreis Hermannstadt wieder erfolgreich durchführen.
In Hermannstadt wurden wir leider enttäuscht. Denn die beiden letzten Storchennester auf den alten Industrieschornsteinen im Stadtzentrum, die noch im Frühjahr besetzt waren (siehe Bild in HZ Nr. 2767 / 29. April 2022), sind seit einigen Wochen leer. Die Vermutung liegt nahe, dass die in der Umgebung sich breitmachenden Möwen die Störche bei ihrer Brut gestört haben. Möwen breiten sich in den Städten Europas auch sonstwo weiter aus, sie sind da anpassungsfähiger als Störche und finden auch in der Umgebung von Hermannstadt Futter. Störche aus dem Stadtzentrum hatten in den letzten Jahren durch die Ausbreitung der Stadt einen immer weiter werdenden Flugweg bis zu ihren Futterquellen. Ob und wo die beiden verschwundenen Storchenpaare sich ein neues Nest gebaut haben, können wir leider nicht feststellen. Da ich bei einer Fahrt im Stadtviertel Konradwiese einmal zufällig einen einzelnen Storch auf einem Schornstein sah, habe ich die Gegend abgesucht und tatsächlich jenseits der neuen Eisenbahnüberführung Richtung Kleinscheuern auf einem alten Industrieschornstein noch ein mit drei Jungstörchen besetztes Nest gefunden. Das könnte schon seit längerem dort sein. Ich bin für jede Meldung neuer Storchennester aus dem Randgebiet der Stadt dankbar!
Im Kreis Hermannstadt aber konnten wir ein sehr gutes Storchenjahr feststellen! Und das trotz zeitweise sehr großer Trockenheit. Aber es ist nun einmal so, dass Störche zum Glück nicht nur Frösche fressen. Der Storch hat ein sehr breit gefächertes Nahrungsspektrum und frisst z.B. Regenwürmer, Insekten, Egel, Schnecken, Kleinsäuger (Maulwürfe, Mäuse), Frösche, Fische, Molche, Schlangen und auch Aas. Auf frisch gemähten Wiesen oder auf Äckern kann man dann manchmal scharenweise Störche sehen, welche den Erntemaschinen folgen. In den wunderschönen Landschaften des Siebenbürgischen Hochlandes fällt einem auf, dass viele Heuwiesen inzwischen auch hierzulande mechanisch geerntet werden und nicht mehr die Heuhaufen sondern die rund gepressten Heuballen das Landschaftsbild prägen.
Auf unseren Fahrten in über hundert Ortschaften des Kreises zählten wir in 233 besetzten Nestern so viele Jungstörche (646) wie in keinem der 34 Jahre davor. Und auch die Jungenzahl in diesen Nestern war diesmal erfreulich groß, so dass wir auf einen Durchschnitt von 3,26 Jungstörche pro erfolgreicher Brut kamen. Nur in sechs Jahren unserer Zählung hatten wir noch bessere Ergebnisse.
Auch in diesem Jahr war natürlich die größte Anzahl an Nestern (47) und Jungstörchen (129) in Großau zu sehen. Es folgen Orlat (18 Nester/ 47 Jungstörche), Mergeln (10/26), Leschkirch (9/25), Freck (6/17) usw.
Wir zählten im ganzen Kreis 21 Fünfer-Bruten und 47 Vierer-Bruten, was uns natürlich jedes Mal sehr freute! In solchen guten Storchenjahren findet man immer wieder auch neu gebaute Nester (z.B. in Porumbacu de Jos, Arpa{ul de Jos, Bürgisch, Henndorf, Orlat), die alle auf Masten gebaut sind. Und man staunt, wie die Störche das oft trotz fehlender Hilfe schaffen. Im ganzen Kreis Hermannstadt gibt es bei 195 Masthorsten nur 42 Nisthilfen (davon allein 25 in Großau). Leider hat das Stromversorgungsunternehmen unseres Kreises es noch nicht wie die anderer Kreise erfasst, dass durch solche Nistuntersätze auch die Sicherheit der Stromversorgung besser gewährleistet ist. Ebenso wäre es nötig die Masten der Mittelspannungsleitungen mit Abdeckhauben so zu isolieren, dass Störche oder andere Großvögel sich daran nicht elektrisieren können und dann durch Stromschlag unter dem Mast liegen bleiben. Das haben wir diesmal wohl kurz nach einem solchen Unfall bei Henndorf im Oberen Harbachtal leider zu sehen bekommen. Der tote Storch lag direkt unter zwei nahe beieinander stehenden solchen nicht isolierten Masten. Sein Partner wird es wohl kaum schaffen, die schon recht großen Jungstörche (sie brauchen mehr als ein Kilogramm Futter pro Tag) durch zu bekommen.
Neu bei der diesjährigen Storchzählung war auch der Beitrag unseres jüngsten Helfers Andreas Zeck. Er hatte den Auftrag mit seinem Handy die Koordinaten (geografische Länge und Breite) der aufgesuchten Storchennester festzustellen und zu notieren. Diese Aufgabe hat er gut erfüllt und bei der Storchzählung und den Gesprächen mit den erwachsenen Naturschützern wohl mindestens so viel gelernt, wie in den versäumten Schultagen. Die Koordinaten der Storchennester können von Nutzen sein, wenn einmal jüngere Storchenfreunde die Zählung übernehmen.