Hermannstadt – Von mehr als hundert Jahren markanter Regional- und Landesgeschichte können die Innenwände des Hauptgebäudes der öffentlichen Vereinsbibliothek „Asociaţia Transilvană pentru Literatura Română şi Cultura Poporului Român“ (ASTRA) Hermannstadt/Sibiu erzählen. Nichtsdestotrotz wich die Rückblende bis an das Jahr 1905, dem Datum der Einweihung des Jugendstilgebäudes, am Donnerstagabend, dem 9. Mai, einem von dem „Wahlbündnis 2020“ der oppositionellen Bürgerparteien USR und PLUS beworbenen Ausblick auf eine progressive Wunschzukunft Rumäniens und der Europäischen Union.
Dan Barna, Vorsitzender der USR, Dacian Cioloş, Ex-Regierungschef und PLUS-Vorsitzender, und mehr als zehn der insgesamt vierzig Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlbündnisses nutzten am Europatag und in den Abendstunden nach dem informellen EU-Gipfeltreffen die lokal größtmögliche Aufmerksamkeit von Presse und Publikum als Gelegenheit zu einer Wahlkampfveranstaltung im voll besetzten Bibliotheksfestsaal. Gabriela Maria Mirescu Gruber (PLUS), Raluca Amariei (USR), Cristina Iurişniţi (USR), Ramona Victoria Strugariu (PLUS), Oana Șoiu (PLUS), Vlad Botoş (USR), Emanuel Stoica (USR) und Nicolae Ştefănuţă (USR), Rumänien seit 2007 in Brüssel vertretend und Spitzenkandidat für die am 26. Mai anstehenden Europaparlamentswahlen, stellten ihre Wahlstrategie zur Debatte. Zeitgleich konnten Wähler und Sympathisanten sich an einer großflächigen und weißen Stoffplane erfreuen, die wenige Stunden vorher im Pavillon des Erlenparks/Parcul sub Arini von einigen der Kandidaten des Wahlbündnisses und Künstler Dan Perjovschi mit polarisierenden Grafiken und Losungen bemalt worden war. „Wer die Geschichte des Kommunismus bezwingen möchte, muss dafür auch selbst in die Knie gehen können, darf sich nicht vor dem Bekleckern seiner Hände und Knie drücken. Doch genau deswegen bin ich ein Freund der Allianz 2020, da sie aus Leuten besteht, die nicht vor Schmutz zurückschrecken.“
Nicolae Ştefănuţă, aus dem Dorf Răşinari am Fuße des Zibinsgebirges/Munţii Cindrel gebürtig, Alumnus des Gheorghe-Lazăr-Gymnasiums Hermannstadt und ausgebildeter Karrierediplomat, merkte an, dass den Bürgern Rumäniens 2007 „Europa versprochen“ wurde, es ihnen aber „auch zwölf Jahre nach EU-Beitritt noch immer nicht geliefert wurde. Wir müssen an das Klima und die demografische Alterung denken“, so der Tenor des derzeitigen EU-Parlamentsbeauftragten für die Kommunikation zum Kongress der Vereinigten Staaten (USA).
Berufsjournalistin Gabriela Maria Mirescu Gruber warb dafür, Medieneinrichtungen und Nachrichtenportale, die unter hohem Finanzdruck stehen und von europafeindlichen Regierungen bislang noch nicht als Manipulationsinstrumente entdeckt wurden, finanziell zu unterstützen. Ramona Victoria Strugariu, promovierte Rechtswissenschaftlerin und Expertin für Europarecht, stellte eine Prognose auf, derzufolge „Liviu Dragnea und seine Kamarilla im Europa der Zukunft nur noch Geschichtswert haben werden. Auch wollen wir hier und heute nicht von analphabetischen Regierungen sprechen, nein. Wir wollen von Alphabetisierung überhaupt sprechen, noch dazu von digitaler Alphabetisierung, einer der zentralsten Herausforderungen der Gegenwart Europas.“
Dan Barna selbst griff tief in die Wortkiste: „Wir stellen fest, dass der soziale Abschaum des Landes die Politik Rumäniens für sich vereinnahmt hat!“ Für den baumlangen Vorsitzenden der USR ist „alles Politik: nosokomiale Infektionen in Krankenhäusern, Schulbücher voller Druckfehler und Falschinformationen, Schlaglöcher im Asphalt, das alles ist Politik. Wenn wir uns Fortschritte wünschen, müssen wir selbst mitmachen. Kompetente Personen dürfen nicht tatenlos zusehen. Unsere Allianz wächst stetig und vereint das höchste Maß an Kompetenz, das je in einem Parteibündnis Rumäniens gesteckt hat.“