Temeswar (ADZ) – Ein heftiger Streit entbrannte am Dienstag zwischen den Fraktionen der USR-PLUS und der PNL im Temeswarer Stadtrat, am Ende verlor selbst Bürgermeister Dominic Fritz die Geduld. Der ad hoc gebildeten Allianz aus PSD, Pro România und PNL warf Fritz vor, das Ergebnis der Lokalwahlen noch immer nicht akzeptieren zu können und sich mit Zweitrangigem zu beschäftigen. Gegenstand der Ausei-nandersetzungen war ein Beschlussantrag des Pro-România-Vertreters Marius Craina, der bereits im Frühjahr einen Entwurf erarbeitet hatte, wonach der Bürgermeister und seine Stellvertreter ihre Schul- und Universitätsdiplome sowie ihren Wohnsitz veröffentlichen sollen. Dem Bürgermeister wird seit dem Wahlkampf vor einem Dreivierteljahr vorgeworfen, dass sein Hauptwohnsitz in Deutschland und nicht in Rumänien sei, hier habe er lediglich einen Zweitwohnsitz. Als Bürger eines anderen EU-Landes muss man jedoch den Hauptwohnsitz in Rumänien haben und sogar in jener Ortschaft, wo man antreten möchte. Auch über die Schulabschlüsse des Bürgermeisters und des USR-Vizebürgermeisters Ruben Lațcău wurde spekuliert.
Die USR-PLUS-Fraktion vertrat den Standpunkt, dass solche Beschlüsse nicht gesetzmäßig seien und dass die Gewählten weder ihren Wohnsitz noch ihre Schulabschlussdiplome veröffentlichen müssten. Auch hatte der Sekretär des Temeswarer Stadtrates, Caius [uli, auf die Unrechtmäßigkeit der Beschlussanträge hingewiesen und sich geweigert, die letztendlich angenommenen Beschlüsse gegenzuzeichnen. Am heftigsten stritten die USR-PLUS-Stadträtinnen Rodica Militaru und Paula Romocea mit ihren PNL-Kollegen [tefan Sandu und Simion Mo{iu, die der Ansicht waren, dass man sich mit den erworbenen Diplomen rühmen müsse und man gar nichts zu verbergen haben sollte. Militaru wies darauf hin, dass die Pflicht, Auskunft über den eigenen Bildungswerdegang zu geben, nur im Falle der Beamten bestünde, denn nur diese müssen sich einem Wettbewerb stellen, die Gewählten jedoch nicht. Insofern entsprechen die Beschlussanträge des Pro-România-Vertreters Craina der Gesetzeslage nicht, sie würden lediglich dem politischen Kampf dienen. Die Bürger hätten ihre Stimme denjenigen geschenkt, die sie mit ihren Projekten und Ideen überzeugt hätten. Sie selbst habe den Doktorgrad erlangt und habe nichts zu verbergen, allerdings müsse man auf die Legalität der verabschiedeten Beschlüsse achten und sich nicht mit solchen Lappalien beschäftigen. Niemand müsse seinen Ausweis publik machen, die zuständigen Behörden hätten die Kandidaturen mehrmals überprüft, auch Gerichte hätten die eingereichten Dokumente vor der Vereidigung eingesehen und alle gesetzlichen Bedingungen für erfüllt betrachtet. Insofern sei kaum zu verstehen, warum nun der Bürgermeister, seine Stellvertreter und alle Ratsmitglieder ihre Ausweise veröffentlichen sollen. Einige hätten jedoch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass Fritz sein Amt verlieren könnte, weil er – so der Glaube dieser Leute – nicht in Temeswar wohne.
PNL-Mitglied Mo{iu fragte sich, vor wem eigentlich Militaru und ihre USR-Kollegen Angst hätten. Man sollte bei den Wahlkampfversprechen ansetzen, damals hätte die USR Transparenz versprochen. Nun habe sie die Möglichkeit, das umzusetzen, was damals so oft gesagt wurde; es seien die denkbar günstigsten Voraussetzungen gegeben. Die USR verstecke sich aber hinter Gesetzesparagraphen, weil sie sich vor der Wählerschaft fürchte. Dem pflichtete PNL-Ratsherr Sandu bei: Es gehe doch nur darum, den Wählern zu zeigen, dass die neue Stadtspitze und auch die Mitglieder des Stadtrates eine ausgezeichnete Ausbildung genossen hätten und sich die Temeswarer mit ihnen rühmen können.
Der Initiator der Beschlüsse, der Arzt Craina, der im September 2020 ebenfalls für das Bürgermeisteramt kandidiert hatte, sagte, dass ihn die Debatte erfreue, er aber klarstellen möchte, dass er keine persönliche Attacke angestrebt habe, sondern allein die bereits erwähnte Transparenz. Paula Romocean von der USR erklärte daraufhin, dass man in der Tat mit offenen Karten spielen müsse. Dies bedeute aber vor allem, dass die PNL, die PSD und die Pro România zuzugeben haben, dass sie eine neue Koalition gebildet hätten und gemeinsam das Gesetz brechen wollen. Kein normaler Bürger dieser Stadt sei um seinen Schlaf gebracht worden, weil er bislang die Diplome und die Ausweise des Bürgermeisters und der Ratsmitglieder nicht einsehen konnte. Man lebe schließlich in einem Land, in dem unzählige Universitäten Hochschulzeugnisse am laufenden Band ausstellen würden, sagte Romocean.
Am Ende ergriff der sichtlich erzürnte Bürgermeister das Wort. Über die Debatte zeigte er sich verwundert. Er könne nicht verstehen, warum die Ratsherren die Warnung des Sekretärs ignorieren würden, dieser habe klar und deutlich darauf hingewiesen, dass die Beschlüsse illegal seien. Die Präfektur werde deren Zurücknahme fordern und letztendlich deren Annullierung durch das Verwaltungsgericht anstreben. Es sei aber nun für alle ersichtlich, warum Craina, dessen Partei Pro România sowie Nicolae Robu und dessen PNL die Wahlen verloren haben, sagte Fritz. Dies sei deshalb geschehen, weil sich diese Leute nur mit solchen Geschichten beschäftigen würden. Niemand sei zu ihm gekommen, um Akteneinsicht zu verlangen. Die Bürger hätten andere Erwartungen und andere Vorstellungen, es gehe ihnen um die Stadt, und für die Stadt werde er sich einsetzen, setzte Fritz fort. Die Scheinheiligkeit jener, die erklärt hätten, dass es ihnen nicht um einzelne Personen gehe, sondern um ein Prinzip, sei unerträglich. Jeder kenne die politischen Zusammenhänge dieser Geschichte. Craina habe nicht den Vorschlag gemacht, seine eigenen Papiere zu veröffentlichen, sondern jene anderer.
Daraufhin warnte der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Dan Diaconu, den Bürgermeister. Er solle die Ratsherren nicht mehr bevormunden, er solle auf das Urteil der Wähler warten. Zuletzt beglückwünschte der Bürgermeister die Liberalen für die wiedergefundene Freundschaft zur PSD. Die Liberalen sollten aber diese Allianz zugeben und auch die Konsequenzen tragen. Es sei klar, aus welcher Ecke der Gesellschaft all diese Attacken gegen ihn kämen und wer die Proteste vor seinem Haus (während der mehrmals verlängerten Quarantäne im Frühjahr, Anm. d. Red.) ermutigt hätte. Die PNL solle dafür einstehen, sagte Fritz.