Temeswar – „Die Versuchung, am Tag der Deutschen Einheit jeweils erneut mit sichtbaren Zeichen von Rührung und erinnerungsseliger Ergriffenheit den Geist der deutschen Wiedervereinigung von nunmehr vor 34 Jahren heraufzubeschwören und die Sache damit ihr Bewenden haben zu lassen, ist groß. Ich werde dieser Versuchung heute nicht erliegen; denn die Welt ist erneut eine andere geworden – sie hat sich letzthin schon mehrfach radikal gewandelt, zuletzt und beson-ders brutal aber kurz nach unserer Feier hier im vergangenen Jahr, durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023“.
Mit diesen Worten wandte sich die Konsulin der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar/Timișoara, Regina Lochner, nach einigen Grußworten, an das anlässlich des Tags der Deutschen Einheit am 3. Oktober zahlreich erschienene Publikum im Temeswarer Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus. Und weiter: „Dabei ist es auch die große Zahl der Konflikte, die uns bisweilen verzagt sein werden lässt. Nicht nur Krieg und Gewalt anderswo sind der Grund. Auch Wahlergebnisse und ihre unmittelbaren Folgen können uns einen Schlag in die Magengrube versetzen; dazu haben verschiedene Gewaltakte gerade auch in Deutschland in den vergangenen Wochen die Gesellschaft zusätzlich tief verstört. Können wir da feiern? Die Frage stellen nicht nur wir uns.“ In ihrer Rede ging die deutsche Konsulin auf die Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein, der im September beim Bürgerfest im Berliner Schloss Bellevue davon sprach, dass wir „gerade jetzt helle und heitere Momente, aus denen wir auch wieder Kraft schöpfen können für unsere Aufgaben in Beruf, Familie, Gesellschaft und Politik“, brauchen. Der deutsche Bundespräsident war im Mai letzten Jahres auch nach Temeswar gereist.
„Es ist also, so darf ich einmal mutig schlussfolgern, geradezu unsere zivilisatorische Aufgabe, in solch schwierigen und vielfach bedrückenden Zeiten die Köpfe nicht einzuziehen, sondern gerade und frei heraus für das einzustehen, was uns wichtig ist – inklusive der Feier zur Wiederkehr eines zentralen Ereignisses unserer deutschen Geschichte“, sagte Regina Lochner.
Die Feier fand auch diesmal „unter Freunden“ statt, denn seit vergangenem Jahr veranstaltet das Deutsche Konsulat die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am Sitz des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, am bekanntesten Treffpunkt der Temeswarer deutschen Gemeinschaft. Rund 200 Gäste, fast alle Vertreter der deutschen Gemeinschaft aus Westrumänien, füllten den „Karl Singer“-Saal. Anwesend waren Vertreter der Temeswarer bzw. Temescher Kreis- und Stadtverwaltung, aber auch Politiker aus dem Kreis Karasch-Severin wohnten der Veranstaltung bei. Zwischen den einzelnen Reden gab es Musik, ausgeführt vom Duo Revivals mit Sebastian Covaci und Alexandru Micula.
Der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, Ovidiu Ganț, war der zweite Redner des Abends. „Die deutsche Einheit ist ein historischer Moment für das deutsche Volk, aber auch ein entscheidender Moment für ganz Europa und für die ganze Welt. Für uns, die wir in Rumänien leben, war das der Moment, der uns Hoffnung gab, dass wir zur westlichen Zivilisation, zu der die rumänische Nation schon immer hin trachtete, zurückkehren können, und eine endgültige Lostrennung vom dunklen Orient bedeutete, egal, ob dieser sich als der russische Angreifer darstellt, der heute in der Ukraine für Verwüstung sorgt, oder als Hamas- und Hisbollah-Terroristen, die für ungerechtfertigte Angriffe auf Israel sorgen“, sagte Ovidiu Gan] und hob außerdem die exzellenten Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland hervor. „Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Rumänien verbildlicht exemplarisch diese Solidarität der westlichen Welt. Deutschland ist heute unser Hauptpartner in der EU, sowohl politisch, wie auch wirtschaftlich. Die politischen Beziehungen und die Wirtschaftsbeziehungen sind außerordentlich gut“, hob der Parlamentarier hervor und belegte seine Aussagen mit zahlreichen Fakten.
Zu Wort kam auch der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz. „Wir dürfen nicht vergessen: Wir feiern 34 Jahre Vereinigung, aber es sind 35 Jahre, seit die Berliner Mauer gefallen ist und wir hier, in Temeswar, die Revolution hatten. Als die Berliner Mauer gefallen ist, wusste die Welt noch nicht, was kommen wird. Es waren Schritte ins Ungewisse“, sagte der Temeswarer Bürgermeister, selbst ein Bundesdeutscher. „Wir haben zu oft die Erwartung, dass wir dann, wenn wir einen mutigen Schritt wagen, irgendwie eine Sicherheit brauchen, dass es gut ausgehen wird – aber so funktioniert Geschichte nicht. Was damals in Deutschland und Rumänien geschehen ist, soll uns eine Ermutigung sein, auch heute, in diesen Zeiten der extremen Unsicherheit, immer wieder Schritte zu tun, ohne immer zu wissen, dass es gut ausgehen wird. Den Mut dazu können wir nur dann haben, wenn sich diese Schritte auf einem Fundament des Vertrauens in unsere Partner und der Werte, an die wir glauben, stützen“, sagte er.
Seitens des Temescher Kreisrats sprachen Kreisratsberater Viorel Coifan bzw. seitens der Präfektur sprach einige Worte Raul Ambru{. Nach dem offiziellen Teil konnten sich die Gäste noch lange im Foyer des AMG-Hauses austauschen.