Temeswar (ADZ) – Seit Montagmitternacht befinden sich die Stadt Temeswar und die Nachbarorte Dumbrăvița, Girok/Giroc, Ghiroda und Neumoschnitza/Moșnița Nouă unter einem zweiwöchigen Lockdown. Die Maßnahme wurde am Samstag vom Kreiskomitee für Katastrophenschutz mit 30 Ja-Stimmen, vier Nein-Stimmen und vier Enthaltungen beschlossen, der entsprechende Antrag wurde an den zuständigen „Kommandanten der Aktion“, Staatssekretär Raed Arafat, zur Genehmigung vorgelegt. Arafat selbst hatte sich in der Sitzung des Kreiskomitees eingeschaltet und für die Quarantäne plädiert, diese sollte sogar 21 Tage anstatt der gerade beschlossenen 14 Tage dauern. Erst dann sei der Lockdown effizient, erklärte Arafat. Auch Infektionsarzt Virgil Musta vom Victor-Babeș-Spital für Infektionskrankheiten hatte sich für den Lockdown ausgesprochen, man müsse die Fallzahlen endlich nach unten drücken und die Krankenhäuser entlasten. Die Intensivstationen in Temeswar seien erneut überfüllt und die Inzidenzrate würde weiterhin hoch bleiben.
Zwar fallen die Kontrollen zwischen der Stadt und den Vorortgemeinden weg, gemeinsam bilden diese nun einen geschlossenen Raum. Innerhalb dessen aber sind die Bürger angewiesen, ihre Wohnungen nur mit eidesstattlicher Erklärung und aus triftigen Gründen zu verlassen, im unter Quarantäne stehenden Gebiet dürfen Personen, die älter als 65 sind, nur zwischen 10 und 13 Uhr einkaufen; in diesem Zeitabschnitt ist das Einkaufen aller anderen Bürger untersagt. Am Wochenende bleiben nur die Lebensmittelläden, die Apotheken, die Tiernahrungsgeschäfte und die Tankstellen offen, alle anderen Geschäfte schließen samstags und sonntags. Die Gastronomie darf nur noch Lieferservice anbieten, die Bedienung der Kunden ist selbst in den Außenbereichen verboten. Für den gesamten Handel gilt der Ladenschluss um 20.00 Uhr, jedwede Sport- und Kulturveranstaltung ist untersagt. Gottesdienste dürfen nur noch im Freien stattfinden, bei Begräbnissen sind höchstens 20 Personen zugelassen, bei Hochzeiten 8 im Innen- und 20 im Außenbereich. Kultur- und Sportveranstaltungen, Flohmärkte, private Feiern und Versammlungen jedweder Art sind verboten. Der Unterricht findet ausschließlich über das Internet statt. Die Regionale Straßenbaudirektion und die Verkehrspolizei wiesen bereits Verkehrsumleitungen aus, so dass der Transitverkehr nicht mehr durch das unter Quarantäne stehende Gebiet führen muss.
Der Verhängung der Quarantäne über Temeswar und den Vorortgemeinden war ein größtenteils öffentlich ausgetragener Streit in der Regierungskoalition auf Kreisebene vo-rangegangen. Bürgermeister Dominic Fritz (USR) und der frisch eingesetzte Präfekt Zoltan Nemeth (ebenfalls USR) befürworteteten den Lockdown, während der Kreisratsvorsitzende Alin Nica (PNL) und andere liberale Größen dagegen argumentierten. Nica zeigte sich über die Vorschläge des Bürgermeisters empört, Fritz würde sich mit der Quarantäne das Leben leicht machen, er solle lieber konkrete Maßnahmen für die Rettung der betroffenen Unternehmer vorschlagen. Der Kreisratsvorsitzende forderte die Stadtverwaltung auf, einen Maßnahmenkatalog vorzulegen und nicht die Bürger mit Ausgangssperren und sonstigen Einschränkungen zu traktieren. Daraufhin sagte Fritz, dass Nicas Aussagen dem Schlag einer Faust in die Gesichter der erschöpften Ärzte gleichkämen, der Kreisratsvorsitzende fabuliere drauf los und versuche, aus einer in der Tat frustrierenden und enttäuschenden Situation politisches Kapital zu schlagen. Der Temescher PNL-Parlamentarier Ben Oni Ardelean und der PSD-Bürgermeister von Girok, Daniel Toma, zeigten sich am Wochenende ebenfalls über die Quarantäne empört und versuchten, dem Temeswarer Bürgermeister die gesamte Schuld in die Schuhe zu schieben. Fritz sei am Schicksal der Gastronomie nicht interessiert, schrieb Ardelean, er solle durch die Innenstadt spazieren, sich die leeren Lokale anschauen und Mitgefühl zeigen. Toma sagte, er habe den unfähigen Fritz einfach satt. Ein Inhaber von Restaurants hatte gleichzeitig einen offenen Brief an den Temeswarer Bürgermeister geschickt und seinen Steuerbescheid mitveröffentlicht, er habe Schulden von 80.000 Euro angehäuft, müsse seine Angestellten entlassen, die nun mit 900 Lei pro Monat auskommen sollen, und niemand würde ihm und den Mitarbeitern helfen.
Am Sonntag kam es dann zu einem Protest auf dem Opernplatz, etwa hundert Bürger fanden sich ein, vor der Oper verbrannten sie Masken und riefen nach „Freiheit“ und gegen „die Diktatur“ sowie gegen den Bürgermeister. Zum ersten Mal seit seiner Wahl zum Bürgermeister wurde am Sonntag gegen Dominic Fritz protestiert. Im Internet häuften sich gleichzeitig die Anfeindungen, bemerkenswert viele PNL-Mitglieder oder -Anhänger schimpften auf den Stadtvater.
Fritz erklärte daraufhin, dass er den Frust nachvollziehen könne, doch die Quarantäne sei notwendig, um die Gesundheitsversorgung in der Stadt vor dem Zusammenbruch zu bewahren und die Kranken- und Totenzahlen nach unten zu drücken. Auch müsse man durch einen kurzen, jedoch relativ harten Lockdown einen längeren und viel härteren vermeiden, der dann die gesamte Wirtschaft lahmlegen würde. Es schmerze ihn, diese Maßnahme befürwortet zu haben, doch Alternativen gäbe es vorläufig nicht. Am Wochenende habe er mit Staatssekretär Arafat sowie mit dem Leiter der Massenimpfkampagne, Oberst Valeriu Gheorghiță, gesprochen und diesen nahe gelegt, mehr Impfstoffe der Westregion zur Verfügung zu stellen. Beide hätten zugesagt. Am Sonntag teilten aber die Zentralbehörden mit, dass von der am Montag eintreffenden Impfstoffmenge von Pfizer-BioNTech dem Verteilerzentrum Temeswar 25.740 Dosen zur Verfügung gestellt werden, den Zentren von Klausenburg/Cluj, Jassy/Iași und Kronstadt/Brașov jedoch eine etwas höhere Zahl. Bislang ließen sich im Kreis Temesch knapp 70.000 Bürger impfen, etwa 26.000 davon erhielten bereits auch die zweite Dosis.
Am Sonntag sank die Inzidenzzahl in Temeswar leicht (von 7,49 auf 7,36), im Kreis stieg sie jedoch von 5,48 bis auf 5,60. In Neumoschnitza erreichte der Indikator den Wert von 12,01, in Dumbrăvița sank die Zahl leicht (von 10,28 auf 9,77), sie blieb unverändert bei 10,56 in Girok und stieg in Ghiroda von 6,63 bis auf 6,99.