Temeswarer Lockdown gegen Willen der Kreisbehörden verlängert

Quarantäne entzweit Koalition / Großer Unmut über „Bukarester Zentralismus“

Temeswar (ADZ) – Während am Sonntag Temescher und Temeswarer Kommunalpolitiker der PNL und der USR-PLUS über die Entscheidung des Kreiskomitees für Katastrophenschutz stritten, den seit dem 8. März geltenden Lockdown nicht mehr zu verlängern, traf man in Bukarest, über den Kopf der Provinz hinweg, andere Entscheidungen: Am Sonntagabend verkündeten das Landeskomitee für Katastrophenschutz und der „Kommandant der Aktion“, Staatssekretär Raed Arafat, dass der Lockdown um weitere 72 Stunden verlängert werde. Knapp einen Tag hatte somit die Freude der Temeswarer sowie der Bürger der vier Vororte Dumbrăvița, Ghiroda, Girok/Giroc und Neumoschnitza/Mo{ni]a Nou² gedauert, nachdem die Verlängerung der Quarantäne an der gesetzlich vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit gescheitert war.

Im Kreiskomitee für Katastrophenschutz stimmten 20 Mitglieder für die Verlängerung, neun waren dagegen und neun enthielten sich. Die Temescher Gesundheitsbehörde hatte im Vorfeld den Vorschlag gemacht, den Lockdown um weitere sieben Tage im Falle von Temeswar, Dumbr²vi]a und Girok zu verlängern, jedoch die beiden Vororte Ghiroda und Neumoschnitza von der Maßnahme auszuschließen. Daraufhin fragte sich Bürgermeister Dominic Fritz, wie es dazu kommen könne, dass USR- und PSD-regierte Orte im Lockdown verharren müssen, währen die von der PNL regierten Gemeinden Ghiroda und Neumoschnitza von der Quarantäne befreit werden, obwohl Neumoschnitza zum Beispiel eine Infektionszahl von knapp 12 pro Tausend aufweist und der Wert dort kontinuierlich gestiegen ist. Bekanntlich werden Temeswar und Dumbr²vi]a von USR-Bürgermeistern verwaltet, in Girok regiert ein PSD-Mann; Ghiroda und Neumoschnitza haben liberale Bürgermeister. Eine Antwort auf seine eher rhetorische Frage bekam Bürgermeister Fritz bei der Sitzung des Kreiskomitees nicht, daraufhin enthielt er sich seiner Stimme und wurde dafür heftig kritisiert. Fritz sagte, der Lockdown ergäbe keinen Sinn, wenn er nicht für das gesamte Temeswarer Umland gelte; an der politisch motivierten Entscheidung eines Gremiums, dem es vorrangig um andere Ziele gehen sollte, wolle er sich nicht beteiligen und habe sich deshalb enthalten.

Nach der Sitzung wies der Temescher Präfekt Zoltan Nemeth die lokalen Katastrophenschutzkomitees an, weitere Maßnahmen zu treffen, um die Seuche zu bekämpfen. In Temeswar beschloss man vorerst, die Kindertagesstätten nicht zu öffnen, das Kreisschulinspektorat teilte mit, dass die für diese Woche angesetzten Abiturprüfungs-Simulationen nicht mehr abgehalten und Mitte April nachgeholt werden.

Am Sonntag kam es dann zum Eklat: Staatssekretär Arafat verlängerte den Lockdown um weitere drei Tage und erklärte, man müsse unbedingt das im Kreis Temesch an seine Grenzen gekommene Gesundheitssystem entlasten, einen anderen Ausweg gäbe es nicht. Die Maßnahme gelte für alle am 8. März unter Lockdown gestellten Orte, also auch für Girok und Neumoschnitza. Das Kreiskomitee solle nun seine Entscheidung überprüfen, dessen Mitglieder sollten Vernunft an den Tag legen, mahnte der Staatssekretär. Er habe sich mit Gesundheitsminister Vlad Voiculescu beraten. Die Verlängerung des Lockdowns wurde von den USR-Vertretern in der Kommunalverwaltung begrüßt, Bürgermeister Fritz, der stellvertretende Kreisratsvorsitzende Cristian Moș und Präfekt Nemeth erklärten im Gleichklang, dass die Maßnahme zwar unbeliebt und unerfreulich sei, jedoch nichts an ihr vorbeiführe. Hätte man am Samstagabend in der Kreisbehörde nicht nach politischen Kriterien geurteilt, wäre es zu dieser überraschenden Entscheidung der Zentralverwaltung nicht gekommen. Die Ungewissheit, mit der die Bürger über das Wochenende auskommen mussten, sei tatsächlich bedauernswert, sagte Fritz. Das gesamte Regelwerk der Lockdowns müsse überprüft und geändert werden, es fehle an Klarheit, Logik und Nachvollziehbarkeit. Gesundheitsminister Voiculescu sei in dem Bestreben, die Regeln zu ändern, zu unterstützen.

Der liberale Kreisratsvorsitzende Alin Nica, der PNL-Abgeordnete Marilen Pirtea und der ebenfalls liberale Temeswarer Vizebürgermeister Cosmin Tab²r² sagten, die Bukarester Zentralbehörden würden sich über die Temeswarer und Temescher Bürger lustig machen und diese weiterhin unnötig quälen. Arafat und Voiculescu würden über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden und ungeheueren Druck auf die Mitglieder des Kreiskomitees für Katastrophenschutz ausüben, damit diese für die erneute Verlängerung der Quarantäne stimmen. Es sei endlich die Zeit reif, sich vom Zentralismus zu befreien, die Leute wüssten vor Ort besser, was für sie nötig sei, hieß es bei den Temescher Liberalen. Eine solche Einmischung in lokale Angelegenheiten sei nicht hinnehmbar. Insbesondere Nica übte harte Kritik an der Bukarester Entscheidung: Diese käme einer Verhöhnung gleich, Arafat und Voiculescu würden Image-Spielchen betreiben und dafür das Leid von Hunderttausenden in Kauf nehmen. Der Lockdown rette keine Menschenleben, er zerstöre welche, sagte Nica. Die Bukares-ter Entscheidungsträger und ihre lokalen Unterstützer seien zynisch und verantwortungslos.

Wenn das Problem rein medizinischer Natur wäre, müsste die Lösung dort gesucht und gefunden wäre, sagte Nica. Arafat habe drei mobile Intensivstationen gekauft, diese über das Land verteilt und sei jetzt nicht in der Lage, deren Heizsysteme instandzusetzen, so dass  ihm nichts Besseres einfalle, als die Bürger mit Lockdowns zu traktieren. Der formale Lockdown, der nur Ärger mit sich bringe, müsse sofort aufhören. Er schäme sich für das Geschehene und bitte die Bürger für das gutsherrenartige Auftreten von Arafat und Voiculescu um Verzeihung, schrieb Nica auf Facebook.

Vorerst gilt der Lockdown bis in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, alle Einschränkungen bleiben weiterhin in Kraft. Am Samstagnachmittag hatten auf dem Temeswarer Opernplatz einige hundert Bürger gegen den Lockdown mit Anti-Fritz-Parolen protestiert. Gendarmerie und Polizei, die den Platz abgeriegelt hatten, erteilten mehrere Geldstrafen für die Nicht-Einhaltung der Covid-19-Bekämpfungsmaßnahmen. Am Sonntag lag die Inzidenzzahl im Kreis Temesch bei 6,01, in Temeswar bei 8,19. Den höchsten Wert im Kreisgebiet meldete die Gemeinde Pădureni mit 12,99, gefolgt von Jebel (11,69) und Orzydorf/Orțișoara (11,54). 317 neue Infizierungen und zwei Tote verzeichneten die Temescher Behörden am Sonntag.