Reschitza – Mitte März und bis zum Tag, da Rumänien wegen der Covid-19-Gesundheitskrise den Notstand ausrief, weilte eine sechsköpfige Delegation des türkischen Maschinenbaubetriebs Durmazlar aus Izmir in Reschitza und Bukarest. Durmazlar war als einziger Anbieter der Ausschreibung des Entwicklungsministeriums für die Lieferung von 13 modernen Straßenbahnzügen aufgetreten, die den Nahverkehr in Reschitza ökologisieren und modernisieren sowie effektiver machen sollen. Das Angebot der Firma war gut (das heißt, es passte in den finanziellen Rahmen, der vorgezeichnet ist durch das EU-Projekt, die hauptsächliche Finanzierungsquelle), hatte aber einen grundsätzlichen Haken: die Zahlung soll in rumänischer Landeswährung erfolgen.
Das hat den türkischen Anbieter – wohl auch mit einem Erfahrungspaket aus der inflationsgeplagten Türkei – zum Nachrechnen gezwungen und bewegt, eine andere Zahlungsart auszuhandeln zu versuchen. Nun ist aber Durmazlar dieselbe türkische Firma, deretwegen es allerlei Skandale wegen des von Bukarest angekauften Parks von Nahverkehrsfahrzeugen gab und gibt und wo die Entscheidung, den Türken den Zuschlag zu erteilen, vom Nationalrat zur Lösung von Beanstandungen nach Ausschreibungen für nichtig erklärt wurde. Im Fall Bukarest war die Ausschreibung vom Munizipalrat der Stadt geschaltet worden. Trotzdem stellten sich die Türken zur Ausschreibung für Reschitza – und erhielten vom Entwicklungsministerium, über welches die Finanzierung des Projekts von Reschitza abgewickelt wird, den Zuschlag.
Die Besorgnis des türkischen Lieferanten erklärt der Bürgermeister von Reschitza (Ioan Popa war jahrelang selber ein erfolgreicher Unternehmer, kann sich also gut in die Lage der Türken versetzen), der in diesem Fall als eine Art interessierter Vermittler zwischen Durmazlar und dem Entwicklungsministerium auftritt, folgendermaßen: „Die Türken von Durmazlar waren in Reschitza. Das war kurz vor Ausbruch der Pandemie. Es war eine sechsköpfige Delegation gekommen, aus Izmir, ihrem Produktionsstandort. Wir haben uns zusammen die Kurzfassung des Kaufvertrags angesehen. Wir haben den Vertrag Punkt für Punkt durchgenommen und -diskutiert. Wir haben auch Liefertermine angesprochen. Die Trams müssen da sein, wenn und wann wir sie brauchen. Kämen sie bereits in einem Jahr (was die Türken könnten...), müssten wir sie auf die Straße stellen, denn bis dann ist das Schienensystem nicht fertig, die Infrastruktur.
Die Türken beschäftigt eine andere Sache sehr, und ich finde, berechtigterweise: die Kaufsumme ist in Lei festgelegt. Die 13 Straßenbahnen kosten nach heutigem Gegenwert in etwa 26 Millionen Euro. Nun brauchen die Türken für deren Realisierung Zeit – wir sprechen von etwa zwei Jahren. Aber in zwei Jahren gibt es in jedem Land einen Inflationskoeffizienten. Der die Nationalwährung erodiert, sie wird abgewertet. Vor allem nach der Pandemie, die noch gar nicht vorbei ist. Haben wir eine Inflation von vier-fünf Prozent pro Jahr, verringert sich die Kaufsumme in zwei Jahren um rund zehn Prozent... Die Türken verlieren also in zwei Jahren zehn Prozent des festgeschriebenen Kaufwerts der 13 Straßenbahnen. Oder: der Realwert des im Kaufvertrag festgeschriebenen Geldes, die Gesamtsumme, vermindert sich um zehn Prozent. Wie das auszugleichen ist, müsste uns das Ministerium beantworten.“ (Praktisch müssten unter solchen Umständen die Türken eine Tram und noch einiges an Reservebestandteilen gratis bauen und liefern...)
Diesem, dem Entwicklungsministerium, wurde die Frage vom Endnutzer – der Stadt Reschitza – und vom Straßenbahnlieferanten – der türkischen Firma Durmazlar – zwecks Beantwortung vorgelegt. Bisher steht eine Antwort aus.
Das Problem erinnert an einen der Hauptgründe, deretwegen das Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR pleite gewirtschaftet wurde (um dann um etwas mehr als 600.000 Euro von einer in der Schweiz registrierten Firma aufgekauft zu werden, die das Werk definitiv zugrunde richtete...). Das Schwermaschinenbauwerk UCMR war auf den Bau von überdimensionalen Maschinen und Aggregaten (Schiffsdieselmotoren, große Luftverdichter, Aggregate für Wasserkraftwerke u.Ä.) spezialisiert, die sämtlich Bauzeiten von zwei bis fünf Jahren erforderten, musste aber die Kaufverträge, ohne die Möglichkeit einer Nachverhandlung des Lieferpreises, in der Landeswährung abschließen, ohne Inflationsausgleich. Das war die Vorprogrammierung der späteren Pleite (aber nicht deren einziger Grund), vor allem unter den Gegebenheiten der 1990er Jahre, mit der damals in Rumänien galoppierenden Inflation.