Hermannstadt – In zwei Wochen beginnt in Klausenburg/Cluj-Napoca das größte Musikfestival des Landes. Im letzten Jahr kamen an vier Tagen mehr als 240.000 Besucher zum „Untold“. Später wurde es als „Best Major European Festival“ ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr rechnen die Veranstalter mit ähnlich vielen Feierwilligen. Bereits im Januar konnte der niederländische DJ und Musikproduzent Tiësto als erster Headliner präsentiert werden. Mit dem aus „Game of Thrones“ bekannten Schauspieler Kristian Nairn, dessen Auftritt in dieser Woche bekannt gegeben wurde, ist das Line-up komplett. In der weltweit erfolgreichen Fernsehserie gab er den geistig zurückgebliebenen, aber gutmütigen Stallknecht Hodor, auf der Bühne legt der Nordire elektronische Musik auf und war bereits Ende 2014 mit seiner Tour „Rave of Thrones“ in Amerika unterwegs. Für die Hauptbühne reicht es bei Nairn freilich noch nicht. Dort werden neben Tiësto die Top-DJs Hardwell, Martin Garrix, Dimitri Vegas & Like Mike, Afrojack sowie Armin van Buuren auflegen. Mehr als 150 weitere Musiker, von Subcarpaţi bis Inna, warten auf sieben weiteren Bühnen. Mit dabei ist auch die deutsche Techno-Formation Scooter.
Gemessen an ihren Chartplatzierungen sind die Hamburger eine der erfolgreichsten Bands der Bundesrepublik. Für den Platz an der Spitze der Single-Charts hat es gleichwohl nur ein einziges Mal gereicht. Dazu mussten sie im Jahr 2002 Peter Maffays „Nessaja“ covern. Mit den verschiedensten Werbeaktionen versuchten und versuchen die Veranstalter die Aufmerksamkeit auf das Festival zu lenken. So erhält beispielsweise jeder Blutspender der Aktion „Blood Network“ eine Eintrittskarte für den ersten Festivaltag. Im freien Verkauf kosten diese 195 Lei. In einer weiteren Aktion soll eine Boeing gechartert werden und Feierwillige innerhalb von einer Stunde von Bukarest nach Klausenburg bringen. Im Gegensatz zu vielen großen Festivals in West-Europa, die lange vor Beginn ausverkauft sind, gibt es für das „Untold“ noch reichlich Eintrittskarten. Ein Festivalpass für die vollen vier Tage kostet 405 Lei. Dass es unwahrscheinlich ist, dass die Veranstalter „ausverkauft“ vermelden können, zeigen die privaten Verkaufsangebote von Ticketbesitzern. Diese bieten ihre erstandenen Eintrittskarten schon für 300 Lei und weniger an.
Während das Festival im vergangenen Jahr von „Federaţia SHARE“, einem Zusammenschluss verschiedener Gruppen zur Organisation von Veranstaltungen im Jahr der Europäischen Jugendhauptstadt, veranstaltet wurde, macht dies in diesem Jahr die Firma SC Untold SRL. Registriert wurde das Unternehmen im vergangenen Oktober durch Bogdan Buta, dem Untold-Festivaldirektor sowie Sorin Gadola, Sohn von EnergoBit-Mitbegründer Ştefan Gadola. Gadola soll schon zur ersten Ausgabe einen erheblichen Geldbetrag „gesponsort“ haben. Das Festivalbudget soll in diesem Jahr bei rund 27 Millionen Lei liegen und damit um rund 9 Millionen Lei höher als 2015. Zur ersten Ausgabe steuerte die Stadt 1,8 Millionen Lei bei. Eine gute Investition, denn entsprechend der Veranstalter sollen in den Tagen des Festivals mehr als 100 Millionen Lei in Klausenburg umgesetzt worden sein. Die Einkaufszentren sprachen von einem Umsatzplus von 40 Prozent und die Hotelbuchungsseite „booking.com“ verkündete eine Auslastung der Betten von 99 Prozent in Klausenburg und Umgebung. In diesem Jahr steuert die Stadtverwaltung sogar 2,5 Millionen Lei bei.
Doch trotz des nun eindeutig kommerziellen Charakters des Festivals, wurden auch in diesem Jahr wieder tausende unbezahlte Arbeitskräfte, sogenannte Freiwillige, angeheuert. Die Idee der freiwilligen Helfer, die ursprünglich gemeinnützige Veranstaltungen absichern sollten, wird schon seit Längerem von Kapitalisten pervertiert. Ob Sportveranstaltung mit Millionenprämien oder eben Musikfestival mit Millionengagen, stets werden junge Menschen damit gelockt „Arbeitserfahrung“ sammeln zu können oder „Untold aus einer anderen Perspektive kennenzulernen“ – in diesem Jahr sind es 1.200. Nach dem ersten „Untold“ berichteten Freiwillige, dass sie acht Stunden statt der vereinbarten sechs Stunden arbeiten mussten. Dazu sei die Versorgung mit Essen schlecht gewesen und geschlafen wurde auf dem Boden. Bei 28.000 bis 38.000 Stunden unbezahlter Arbeit, bedeutet dies für die Veranstalter Einsparungen von rund einer halben Million Lei. Glücklich kann sich der auf dem Boden schlafende Freiwillige schätzen, wenn er seine Wohnung für den Zeitraum des Festivals vermietet. Auf der Wohnungsvermittlungs-Plattform Airbnb werden Zimmer und Apartments für durchschnittlich 730 Lei pro Nacht angeboten. Natürlich ohne Betriebsgenehmigung und dem Zahlen von Steuern.