Verhaftung eines Gerichts-Vizepräsidenten

Folgen eines tödlichen Verkehrsunfalls, verursacht von einem Neumoldowaer Lokalbonzen

Man muss kein Kenner der Szene sein, um Verdacht zu schöpfen, wenn der Schuldige an einem Autounfall mit drei Toten nach knapp einem Jahr (am 6. Mai 2011 geschah der Unfall) immer noch in Freiheit ist und die „Untersuchungen“ bzw. die Prozessiererei immer noch nicht abgeschlossen sind. Das scheinen diesmal auch die Leute der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft DNA kapiert und die direkt Implizierten unter Beobachtung gehalten zu haben. Dann kam es, wie es in einem normalen Staat eigentlich regelmäßig kommen müsste: in der Nacht vom vergangenen Mittwoch auf Donnerstag verhafteten die DNA-Staatsanwälte den Vizepräsidenten des Berufungsgerichts Temeswar, Cătălin Şerban, dessen Frau, die Advokatin Ramona Şerban, die Notärin Ana Valentina Claici und einen Mittelsmann/Kurier, der in einer Aktentasche 50.000 Euro Schmiergeld überbrachte. 

Zusätzlich schlug die Antikorruptions-Staatsanwaltschaft auch in Neumoldowa/Moldova Nouă zu, wo der Polizeikommandant, Kommissar Nicolae Sava, der die Schmiergeldaffäre eingefädelt hatte, ebenfalls hoppgenommen wurde. Im Laufe des Donnerstags sollte das Temeswarer Gericht entscheiden, ob und für wie lange die Implizierten in gewahrsam genommen werden – die Notärin, die nur eine Nebenrolle gespielt hatte, wurde noch in der selben Nacht von den DNA-Staatsanwälten wieder laufen gelassen, verweigerte aber den Medien gegenüber jeden Kommentar.

Ausgegangen ist das Ganze von einem furchtbaren Autounfall an jenem 6. Mai 2011, nachmittags. Ein VW-Tuareg, der auf der Eisenbahnüberführung vor Schag in Richtung Temeswar unterwegs war, überholte regelwidrig eine Fahrzeugkolonne – sein Tacho war bei weit über 100 km/h stehengeblieben – und stieß frontal mit einem Opel Astra zusammen, in dem Studenten aus Temeswar reisten, die das Wochenende über nach Hause fahren wollten. Drei von ihnen waren sofort tot. Ihre verstümmelten Leichen mussten von der Feuerwehr aus dem Wrack herausgeschnitten werden. Drei weitere Insassen, einer des Opel und zwei Mitfahrer aus dem Tuareg mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Eines dieser Opfer, der vierte Student aus dem Opel Astra, verließ nach einem Monat als Krüppel, wahrscheinlich auf Lebenszeit, das Temeswarer Unfallkrankenhaus.

Der Verursacher des Unfalls, der Fahrer des VW-Tuareg, versuchte noch am Unfallort den Hergang zu verfälschen, indem er seine Frau aufforderte, sich auf den Fahrerstuhl zu setzen, was von den zahlreichen anwesenden Zeugen – für mehr als eine Stunde war der gesamte Verkehr an diesem Nadelöhr blockiert – fotografisch registriert und per Aussage bezeugt wurde. Der Alkoholtest, den man dem Fahrer vor Ort abnahm, zeigte keinerlei Spuren von Alkohol in der Atemluft. Auch ein anschließender Bluttest im Krankenhaus, unter polizeilicher Aufsicht, ließ den Fahrer von diesem Standpunkt sauber dastehen.

Am Steuer des VW-Tuareg saß Iacob Chişărău, ein Ex-Bürgermeister von Neumoldowa, vor der Wende Gewerkschaftschef im Grubenunternehmen Moldomin, zur Zeit des Unfalls Generaldirektor des stillgelegten Kupferberg- und Erzaufarbeitungswerks und stellvertretender Vorsitzender der PDL Neumoldowa (Vorsitzender ist sein Nachfolger im Bürgermeisteramt). Auf den Blogs hieß es damals: „Dem kann ja rechtlich gar nichts passieren, weil er zu stark vernetzt ist!“

Trotzdem, von den schnelllebigen Medien ignoriert, kam es zum Prozess und zu einer milden Verurteilung des Unfallverursachers, der sich, gerüchteweise, mit den Angehörigen der Opfer auf hohe Entschädigungssummen „außergerichtlich“ geeinigt haben soll.
Chişărău ging in die Revision vor das Appellationsgericht Temeswar, denn er wollte eine Bewährungsstrafe erzwingen. In dieser Phase trat der hilfreiche Kommissar Sava von der Polizei Neumoldowa in Aktion. 

Wir kommen nun zu dem, was diese Woche geschah.
Sava kontaktierte telefonisch den Vizepräsidenten Şerban vom Berufungsgericht Temeswar – das Gespräch hörten die DNA-Staatsanwälte ab und zeichneten es auf –, traf diesen anschließend in Temeswar, wo Şerban seine „Ansprüche“ bekanntgab: 60.000 Euro für ein wohlwollendes Urteil im Revisionsprozess, der für kommende Woche angesetzt war. Auch darüber sollen die DNA-Staatsanwälte im Bilde gewesen sein. 

Tags darauf fuhr ein Vertrauensmann des Gerichtsvizes über den Grenzübergang Stamora Morawitza nach Serbien und über den Grenzübergang Naidăş anschließend gleich in Rumänien wieder ein, allem Anschein nach, um seine Spuren zu verwischen. An diesem Grenzübergang übergab der Polizeikommandant von Neumoldowa dem Kurier den Aktenkoffer mit Geld. Dieser fuhr weiter nach Temeswar, wo er in der Iulius Mall die Frau des Vizepräsidenten des Berufungsgerichts, Ramona Şerban, traf und ihr den Aktenkoffer mit dem Geld weitergab, immer unter Beschattung durch die DNA-Staatsanwälte. Frau Şerban fuhr damit sofort nach Hause, auf den unfernen Domplatz, wo Cătălin Şerban beim Nachzählen des Geldes aus dem Aktenkoffer von den DNA-Staatsanwälten verhaftet wurde. Verhaftet wurden auch seine Frau, der Kurier, und die Notarin Claici sowie, in Neumoldowa, Noch-Kommissar Sava. 

Allerdings: im Aktenkoffer, aus dem Cătălin Şerban gerade die Euros nachgezählt hatte, befanden sich „bloß“ 50.000. 
Am Tag, als er den Unfall mit dreifacher Todesfolge verursacht hatte, fuhr Iacob Chişărău nach Temeswar zu seiner Tochter, um deren Geburtstag zu feiern.