Temeswar (ADZ) – Kurz nachdem ein Temeswarer Nachrichtenportal die den Direktor der „Piețe“ AG, Ionuț Nasleu, schwer belastenden Aussagen eines Angestellten dieser Gesellschaft sowie einige von Nasleu selbst stammenden Audiobotschaften veröffentlicht hatte und bevor noch der Temeswarer Stadtrat in seiner Eigenschaft als Hauptversammlung der „Piețe“ AG zusammentreten sollte, hat der Verwaltungsrat am Dienstagmorgen den umstrittenen Direktor abgesetzt. Die Stadtratssitzung, die um 16 Uhr stattfinden sollte, wurde daraufhin abgesagt. Am Montag hatte Nasleu erneut schwere Vorwürfe gegen Bürgermeister Dominic Fritz erhoben und diesen vor einer Rückkehr Nicolae Robus an die Spitze der Stadt gewarnt. Gleichzeitig bat Nasleu seine Kollegen aus dem Verwaltungsrat der AG, ihn abzusetzen, damit wollte er „erhobenen Kopfes“ das Unternehmen verlassen. Nichts habe er sich zuschulden kommen lassen, „schwere Straftaten“ habe er keine begangen, sagte Nasleu. Fritz irre, wenn er ihm die Verschwendung öffentlicher Gelder, den Kabelbrand in der Blumenverkaufshalle des 700er-Marktes sowie im Allgemeinen ein schwaches Management vorwerfe.
Nachdem Nasleus Absetzung bekannt wurde, sagte der Bürgermeister, dass alle Manager von stadteigenen Betrieben und Gesellschaften denselben Weg wie Nasleu gehen werden, wenn sie nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen. Nasleus Absetzung sei ein Schritt in Richtung Normalität, dem aber auch weitere rechtliche Schritte folgen müssten. Fritz habe die interne Revisionsabteilung angewiesen, die von den Medien veröffentlichten Informationen über die Art und Weise, in der Nasleu das Unternehmen geleitet und dessen Geldmittel eingesetzt habe, zu überprüfen und im Falle jedweden Tatverdachts die zuständigen Strafverfolgungsbehörden in Kenntnis zu setzen. Niemand dürfe öffentliche Gelder und Güter, die der Stadt oder einem stadteigenen Betrieb gehören, für persönliche Zwecke einsetzen, sagte Fritz. Einige Lokalmedien hatten unter Berufung auf Aussagen von Angestellten der „Piețe“ AG sowie auf ihnen vorliegende Audiodateien berichtet, dass Nasleu seine Untergeordneten mehrmals angewiesen hatte, mit der Firmenkreditkarte verschiedene private Einkäufe zu tätigen und ihm die gekauften Waren zu seiner Temeswarer Wohnung, einem Bukarester Domizil oder zu seinem Elternhaus in der Gemeinde Obreja bei Karansebesch/Caransebeș zu bringen. Dort soll er sich auf Kosten des Unternehmens, das er leiten musste, eine Schnapsbrennerei angelegt haben. Auch Tiernahrung für seine Hunde soll er bei der „Piețe“ AG abgerechnet haben; im April 2020, als über das Land der Notstand verhängt worden war, soll Nasleu sogar seinen Fahrer mit dem Dienstwagen nach Bukarest geschickt haben, um eine flüchtige weibliche Bekanntschaft über ein Wochenende nach Temeswar zu bringen und dann wieder zurück in die Hauptstadt. Dieser Person habe er sogar einen Nachweis zur Verfügung gestellt, wonach sie eine Dauermitarbeiterin der „Piețe“ AG sei und ihre Präsenz deshalb vor Ort zwingend notwendig sei.
Allerdings bleibt Nasleu nun Mitglied im Verwaltungsrat des Unternehmens, da der Stadtrat nicht mehr wie geplant zusammenkam, um den gesamten Verwaltungsrat zu entlassen. Nach seiner Absetzung schrieb Nasleu, dass Bürgermeister Fritz nun sein einziges Vorhaben realisiert habe, nämlich ihn loszuwerden. Seine vollkommene Unschuld werde er noch beweisen, vorläufig wolle er aber nicht mehr belästigt werden, schrieb er ferner auf Facebook.
Daraufhin warf der Vorsitzende der Temescher PSD, Alfred Simonis, dem Bürgermeister Schwäche vor. Es könne nicht angehen, dass Nasleu weiterhin Mitglied des Verwaltungsrates der „Piețe“ AG bleibe. Die Stadtratssitzung hätte stattfinden müssen, der gesamte Verwaltungsrat hätte entlassen werden müssen, sagte Simonis. Fritz habe nicht genügend Mut gegenüber seinem liberalen Koalitionspartner aufgebracht und sich deswegen nicht durchsetzen können, so dass er die von der PNL vorbereitete Kröte schlucken musste. Nasleu wurde geopfert, damit andere PNL-Mitglieder im Verwaltungsrat des Unternehmens ihre Sessel behalten können. Das sei kein Schritt in Richtung Normalität, sondern eine Fortsetzung derselben undurchsichtigen Politik der ehemaligen Verwaltung, sagte der Sozialdemokrat. Fritz habe bisher nicht überzeugen können, dass er in der Tat einen anderen Politikstil pflegt, hingegen sei er ein Gefangener der Interessenkreise seines Koalitionspartner und könne ruhig ins Bett gehen.