„Verwurzelt in Hermannstadt – offen für die Welt“

15. Begegnung auf dem Huetplatz und 32. Maifest in Hermannstadt gefeiert

Traditionell führt der Weg der Trachtenpaare über die Lügenbrücke sowie den Kleinen und Großen Ring. Über Heltauer- und Harteneckgasse weiterziehend, endete der Aufmarsch auch in diesem Jahr am Thalia-Saal. Von dort gelangten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Bussen in den Jungen Wald, wo dem Publikum zwischen 12 und 17 Uhr ein buntes Tanzprogramm präsentiert wurde.Foto: Aurelia Brecht

Gabriel Tischer, Vorsitzender des DFDH, eröffnet das Maifest. Foto: Laura Micu

Hannelore Baier hielt einen Vortrag zum Thema „80 Jahre Russlanddeportation“. Foto: Aurelia Brecht

Der ehemalige Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) und Theologe, Dr. Hans Klein, und seine Ehefrau Heide Klein präsentieren das kürzlich erschienene Buch „Ausgerichtet auf das Kommende. Erinnerungen“ von Hans Klein. Foto: Aurelia Brecht

Ilse Philippi stellt das neue Buch „Evangelische Persönlichkeiten auf dem historischen evangelischen Teil des Hermannstädter Zentralfriedhofs“ vor. Foto: Roger Pârvu

Unter strahlend blauem Himmel startete der traditionelle Trachtenaufmarsch des Maifests am Samstagmorgen, den 10. Mai, auf dem Huetplatz. Der Auftakt zum Fest wird jedes Jahr im Zentrum Hermannstadts begangen und anschließend bei Musik und Tanz im Jungen Wald fortgesetzt. Unter dem Motto „Verwurzelt in Hermannstadt – offen für die Welt“ fand am Wochenende vom 9. bis 11. Mai parallel dazu wieder die „Begegnung auf dem Huetplatz“ statt. In diesem Jahr fiel die Traditionsveranstaltung, die alle zwei Jahre organisiert wird, mit dem Maifest zusammen. Die Begegnung wurde durch das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt, die Evangelische Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt und das „Begegnungs- und Kulturzentrum Friedrich Teutsch“ organisiert.

Ein abwechslungsreiches Programm lockte wieder Besucher von nah und fern nach Hermannstadt/Sibiu. Auch die Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt war wieder Mitveranstalter und beim Treffen vertreten. Das Programm bot einen bunten Strauß an kulturellen Angeboten: Mehrere Buchvorstellungen und Vorträge, bei denen Besucherinnen und Besucher siebenbürgisch-sächsische Kultur und Geschichte erleben konnten, Ausstellungen, thematische Führungen über den Hermannstädter Zentralfriedhof und durch die Evangelische Stadtpfarrkirche, Konzerte und die Möglichkeit zu Gespräch und Austausch.

Zur Eröffnungsfeier am Freitagnachmittag begrüßte der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt, Gabriel Tischer, das Publikum im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums mit den Worten: „Ob sie aus Hermannstadt, aus Neppendorf/Turnișor, Heltau/Cisnădie, Michelsberg/Cisnădioara, Deutschland, Österreich oder sonst woher angereist sind – wir alle sind Teil dieses besonderen Netzwerks, das unsere Gemeinschaft ausmacht (...). Man könnte scherzhaft sagen: Wir waren schon global unter-wegs, als Globalisierung noch kein Wort war. Wir waren schon immer verwurzelt und gleichzeitig unterwegs. Und so passt unser Motto in diesem Jahr perfekt: Verwurzelt in Hermannstadt – Offen für die Welt.“ Eine gesunde Wurzel gebe Halt, so Tischer weiter, aber sie verhindere nicht, dass der Baum wachse. Wer wisse, was seine Wurzeln seien, könne mutig nach außen gehen, neue Erfahrungen sammeln, offen sein für Neues, andere Menschen und Kulturen, und anschließend bereichert zurückkehren.

Ein wichtiger Teil des Programms der „Begegnung auf dem Huetplatz“ war der Präsentation von neuen Publikationen gewidmet. Drei neue Bücher wurden dem Publikum vorgestellt. Das erste in der Herausgeberschaft von Ilse Philippi ist dem historischen evangelischen Teil des Hermannstädter Zentralfriedhofs und den hier beerdigten Persönlichkeiten gewidmet. Der im Honterus-Verlag unter dem Titel „Evangelische Persönlichkeiten auf dem historischen Teil des Hermannstädters Zentralfriedhofs“ erschienene Band geht auf die Initiative von Ilse Philippi als Kuratorin der Hermannstädter evangelischen Kirchengemeinde zurück. Ziel war es, eine Liste der hier beerdigten Persönlichkeiten zu erstellen und die entsprechenden Grabstätten in einem Lageplan zu erfassen. Das Buch enthält den Lebenslauf von 40 Persönlichkeiten nebst Foto und einem Bild des jeweiligen Grabmals. Philippi erklärte während der Buchvorstellung, dass dies einen Anlass zum Erinnern biete, aber auch als eine Wiedergutmachung für so manche Persönlichkeit betrachtet werden kann. In diesem Sinne erklärte Pfarrer Hans-Georg Junesch: „Friedhöfe sind Orte, an denen Geschichte gesucht, nachgerechnet und erlebt werden kann.“ Das Projekt, aus dem der Band entstanden ist, brachte auch eine Herausforderung mit sich, denn die Nummerierung der Grabstätten ist derzeit kaum zu durchschauen: „Es würde sich ein Projekt lohnen, um die Logik der Nummerierung zu verstehen“, so Philippi. Der vorliegende Band, der längst keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, soll nun in einem nächsten Schritt ins Rumänische übersetzt und mit einem zweiten Band vervollständigt werden.

Im Erasmus-Büchercafé fand gleich eine doppelte Buchvorstellung statt. Als erstes wurde in Anwesenheit des Autors der jüngste Band von Heinrich Höchsmann (alias Heinrich Heini) „Einmal Deutschland und zurück. Geschichten von Hüben und Drüben“ vorgestellt. In seiner bekannten witzig-pointierten Weise erzählt „Heini“ von so manchem inner-siebenbürgisch-sächsischen Kulturschock beim Auswandern nach Deutschland oder aus dem in Rumänien erlebten Alltag; man kann sich kaum vorstellen, welche kulturellen Unterschiede im Umgang mit der Butter und deren Schmieren auf das Brot ersichtlich werden.

Unter dem Titel „Ausgerichtet auf das Kommende“ hat der 84-jährige Theologe und ehemalige Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt (DFDH), Dr. Hans Klein, nun im Schiller-Verlag seine Lebenserinnerungen veröffentlicht. Martin Bottesch, der den Band eingangs vorstellte, schreibt in seinem Geleitwort über Hans Klein: „Außergewöhnlich war jedoch die Herangehensweise von Hans Klein: Nicht die allerorts diskutierte Frage, wie lange es dauern würde, bis alle Sachsen weg sein werden, beschäftigte ihn, sondern wie es trotz der Auswanderung hier weitergehen könne, was für Maßnahmen von Seiten der Kirche – damals gab es eine freie politische Vertretung der Minderheit noch nicht – zu treffen seien, um nicht nur kirchliche, sondern auch schulische Strukturen der deutschen Minderheit zu erhalten.“

In dem 432 Seiten starken Buch nimmt Hans Klein den Leser mit auf eine Reise, die die Zeitspanne von 1940 bis 2023 abdeckt, wobei sein bekannter Optimismus auf Schritt und Tritt wiederzufinden ist. Zusammen mit seiner Ehefrau Heide, die ihm auch während der Buchvorstellung zur Seite stand und dem anwesenden Publikum ausgewählte Passagen vorlas, hat Klein nicht nur das wechselvolle Schicksal der deutschen Minderheit in Siebenbürgen miterleben dürfen, sondern hat dieses als Pfarrer, Theologe und Politiker auch entscheidend mitgeprägt: „In all diese Tätigkeiten und andere mehr gewähren seine Erinnerungen Einblick. Wie er ausdrücklich betont, hatte er zwei Stützen: seine Frau Heide und den Glauben an Gott“, schreibt Martin Bottesch.

Für Hans Klein ist mit dem Erscheinen des Bandes ein weiteres Kapitel seines Lebens abgeschlossen. Im Vorwort heißt es: „Ich selbst möchte nach Abschluss dieser Darlegung möglichst nicht mehr zurückdenken, denn die Kraft meines Lebens war etwa seit dem 35. Lebensjahr die Ausschau auf das Kommende“. Wer Hans Klein kennt, wird sich mit Sicherheit nicht wundern, dass, obwohl es sich um Erinnerungen handelt, der Titel: „Ausgerichtet auf das Kommende“ in die Zukunft weist. Wer ihn nicht kennt, wird in der Begegnung mit dem Buch verstehen, warum nur dieser Titel für den Lebenswandel dieser Hermannstädter Persönlichkeit in Frage kommen konnte.

Der Höhepunkt des Maifests war wie jedes Jahr der traditionelle Trachtenaufmarsch, bei dem die Tanzgruppen mehrerer Hermannstädter Schulen, des Hermannstädter Jugendforums und des Forumskindergartens vom Huetplatz über den Kleinen Ring auf den Großen Ring und durch die Heltauergasse/Strada Nicolae Bălcescu und die Harteneckgasse zum Thaliasaal marschierten. Auch dieses Jahr begleitete die Neppendorfer Blaskapelle den Aufmarsch der Kinder und der jugendlichen Trachtenpaare. Anschließend wurde im Jungen Wald getanzt, gesungen und musiziert.

Insgesamt gab es diesmal 48 Programmpunkte auf zwei Bühnen – mit etwa 1000 Teilnehme-rinnen und Teilnehmern der Schulen und Kindergärten aus Hermannstadt und Agnetheln/Agnita. Für Doris Köber, Kulturreferentin des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), die gemeinsam mit Kulturreferent Sebastian Arion vom Demokratischen Forum der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) das Maifest organisierte, war die Rekordzahl an Programmpunkten überraschend. Auch gab es einige darunter, die von den traditionellen Tanzauftritten abwichen und an denen sich Einfallsreichtum und Engagement zur Zusammenarbeit unter den Schülerinnen und Schülern ablesen ließ: „Einige waren sehr kreativ“, so Köber. „Wir hatten zum Beispiel eine Dirndl-Show – die gab es zum ersten Mal.“ Auch gab es eine Kooperation zwischen zwei Schulen. So sang Bogdan Patru von der Allgemeinschule Nr. 18 „I have a dream“ von ABBA – gemeinsam mit zwei Klassen von der Allgemeinschule Nr. 2: „Sie haben zusammengearbeitet und alles selber unter sich ausgemacht, so Doris Köber.

Die „Begegnung auf dem Huetplatz“ wurde erstmalig im Jahr 1994 ausgerichtet. Sie findet alle zwei Jahre statt und hat zum Ziel, ausgewanderte und dagebliebene Siebenbürger Sachsen in Siebenbürgen zusammenzubringen. Die Anfänge des Maifests gehen auf ein „Schulfest“ zurück, das ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Siebenbürgen existierte. Lange durch die Nachbarschaften und durch Schulen organisiert, wurde das Fest in Hermannstadt zu Beginn der neunziger Jahre nach einer 50-jährigen Pause wiederbelebt und wird seit dem 10. Mai 1991 wieder gefeiert.