Klausenburg – An der Casa Tranzit, einem 1997 in der früheren Poale-Tzedek-Synagoge eröffneten unabhängigen Kulturtreffpunkt von Klausenburg/Cluj-Napoca, ist man gespannt auf das Publikum des eigentlichen Auftakttermins der gleichnamigen „Tranzit“-Tage in 26. Jahresauflage. Ihre Türen wurden gestern Abend freundlichst entsperrt – wobei vermutlich kaum ein anderes Veranstaltungslokal der Stadt einen identisch steilen Kurs fährt –, um noch bis inklusive Sonntagabend, den 22. Oktober, genauso einladend wie gewöhnlich durchschritten werden zu können. Zum ersten Mal wunschgemäß tief in die Materie der aktuellen Tranzit-Tage vorgedrungen werden soll heute um 18 Uhr auf Vorschlag der hauseigenen sowie politisch gegenüber niemand zu Rechenschaft verpflichteten Aktionsgruppe für Kultur (Grupul Independent pentru Cultură, GICu / Független Intézmények Kulturális Szövetsége, FIKuSz), die sich 2006 formiert sowie 2022 erneut auf die Kerngedanken ihrer Gründung besonnen hat. Die zwei vollen Stunden bis 20 Uhr, wenn Francesca Ter-Berg und Flora Curzon zu ihrem Konzert allerhand folkloristische und Klezmer-Musik auflegen, möchte die GICu/FIKuSz unbedingt zu nichts anderem als einer Auslotung kulturpolitischer Taktiken in Direktbegegnung mit möglichst vielen Köpfen und Kennern des öffentlichen Mainstream-Sektors nutzen. Anschließend beweisen Geigerin Flora Curzon und Cellistin Francesca Ter-Berg, die beide auch sängerisch auftreten, mit einem Repertoire siebenbürgischen, armenischen, griechischen, rumänischen und jiddischen Einschlags einschließlich mancher Überraschungen vom Band, dass die globale Sicht auf das breite Kulturgeschehen einer Stadt und Region keinen Aufschub verträgt. Und obschon die Umfunktionierung der Poale-Tzedek-Synagoge längst den Status von Unumkehrbarkeit erreicht hat, ist sie nostalgischen Blicken auf eine Jahrzehnte zurückliegende Epoche um die Nachkriegszeit gern ungekürzt zugänglich: morgen Freitag, am 20. Oktober, tritt hier um 17 Uhr die 2002 inmitten der Jüdischen Gemeinschaft Klausenburgs gegründete Klezmer-Band „Mazel Tov“ auf. Die Samstag, am 21. Oktober, von 14 bis 22 Uhr am selben Ort steigende Party „Berlin Calling“ ist hingegen wohl eher etwas für ausgesprochen Nicht-Konservative, die sich gerne auf anspruchsvollen Disco-Sound einlassen. Eindeutiges Ziel der Tranzit-Tage 2023 ist die Präsentation der rumänischen Ausgabe des Buches „Pedagogia da Autonomia“ aus der Hand von Paulo Freire (1921-1997) am Sonntag, dem 22. Oktober, um 17 Uhr. Die von Übersetzerin Veronica Manole erstellte Fassung des letzten populärwissenschaftlichen Traktats für Bildung und Erziehung vom brasilianischen Schulreform-Vordenker schlechthin liegt im Alexandria Publishing House Suceava auf und ist intellektuelles Testament eines Pädagogen des 20. Jahrhunderts, dem zeitlebens eine Art des Lernens fern jeder Vorstellungen vom Unterrichten durch Androhung von Strafen und Unterdrückung vorschwebte. Beim Erziehungsempfänger fördert sie ihrerseits das Ausbilden politischen Bewusstseins. Kritiker Paulo Freire beanstandet so die Weitergabe von Wissen nach dem Vorbild der Vergabe von Kredit durch Bankinstitute. Werbung für dieses Sachbuch weitreichender Wirkung sozialer Natur ergreifen in der Casa Tranzit Übersetzerin Veronica Manole, Dozentin an der Babe{-Bolyai-Universität (UBB) sowie Laura Ilea und Adrian Costache von derselben Hochschule. Auch Pädagogin Hajnalka Harbula und Herausgeber Claudiu Gaiu vom Alexandria Publishing House in Suceava werden zur Debatte und Buchvorstellung in Klausenburg erwartet. Der Eintritt zu allen Teilveranstaltungen der Tranzit-Tage ist frei. Nähere Details bieten die Homepage tranzithouse.ro und natürlich der Facebook-Account des unabhängigen Kulturzentrums. Spenden sind willkommen. Am Heimspiel der Klausenburger Klezmer-Band „Mazel Tov“ beteiligt sich zudem das von London aus europaweit vernetzte International Klezmer Collective, und einige finanzielle Förderung gewährt den Tranzit-Tagen 2023 das Departement der Regierung Rumäniens für Interethnische Beziehungen.