Hermannstadt - Die Geschichte der evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen/Rumänien von 1807 bis 2008 zu erschließen, zu erläutern, zu verstehen, zu erklären und manchmal auch nur mit Kopfschütteln wahrzunehmen. Das habe er versucht, sagte der Kirchenhistoriker Dr. Ulrich A. Wien am Dienstagnachmittag vor sehr zahlreichem interessiertem Publikum im Terrassensaal des Friedrich-Teutsch-Hauses. Vorgestellt hat er sein soeben im Martin-Luther-Verlag Erlangen erschienenes Buch „Resonanz und Widerspruch.
Von der siebenbürgischen Diaspora-Volkskirche zur Diaspora in Rumänien“, in dem er 14 Beiträge zusammengefasst hat, die zum Teil im Verlauf der vergangenen Jahre in meist wenig zugänglichen Publikationen veröffentlicht wurden. Alle Texte sind durch zahlreiche Quellentexte ergänzt worden, deren Nachdruck erst in einem solchen Band möglich war. Reproduziert wird desgleichen zum Teil unbekanntes Fotomaterial aus verschiedenen Archiven. Dr. Wien ist kein Siebenbürger Sachse, als Kirchenhistoriker stehe er der siebenbürgisch-evangelischen Kirche jedoch am nächsten, meinte deren Bischof Reinhart Guib in der Begrüßung. Er befand es als sehr gut, dass der am Campus Landau, wiederholt aber auch am Theologischen Institut in Hermannstadt/Sibiu Lehrende einen weiteren Teil der jüngeren und jüngsten Geschichte der evangelischen Kirche aufgearbeitet hat und damit die Leser überrasche.
Der deutsche Kirchenhistoriker, der seit 2001 der Vorsitzende des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde ist, gehört zu den besten Kennern der siebenbürgischen Kirchenarchive und -geschichte. Promoviert hat er über Bischof Friedrich Müller-Langenthal, die Erforschung der Entwicklung der evangelischen Kirche in Siebenbürgen/Rumänien im europäischen und landespolitischen Kontext aber auch nachher fortgesetzt. Vor neun Jahren war die Idee geboren worden, die Ergebnisse in einem Sammelband des Martin-Luther-Verlages zu veröffentlichen, erst jetzt liegt die Verwirklichung vor.
Die Beiträge folgen einander auf den 622 Seiten in chronologischer Reihe und sind thematisch sehr breit gefächert. Im ersten geht der Autor auf die Kirchenrechtsentwicklung ein, im zweiten stellt er die Anfänge der Diaspora-Seelsorge und im dritten die Entwicklung der evangelischen Kirche von der „Volkskirche“ zur „Volksreligion“ der Siebenbürger Sachsen dar. Beleuchtet wird die Zeit, über die man heute den Kopf schüttelt, u. a. in einer Analyse des Lehrplans für den Religionsunterricht an den deutschen Schulen 1942. Der Schulpolitik der Landeskirche ist ein weiterer Beitrag gewidmet, der von den Erinnerungen des Schulrats Gustav Rösler ausgeht. Zwei Ausarbeitungen sind dem Landeskirchenkurator und Politiker Hans Otto Roth gewidmet, den politischen Dimensionen in den seelsorgerlichen Predigten von Stadtpfarrer Konrad Möckel geht Dr. Wien in einem weiteren Beitrag nach. Die beiden Texte zur Zusammenarbeit und Partnerschaft mit dem Gustav-Adolf-Verein/Werk und dem Martin-Luther-Bund führen in die Gegenwart. Drei Beiträge stellte der Autor anhand von Zitaten näher vor und tröstete all jene, die sich das Buch nicht leisten können (es kostet 170 Lei) oder zu Hause keinen Platz mehr haben, dass es dank Förderung durch das Haus des Ostens München demnächst in die Bibliotheken der deutschsprachigen Einrichtungen gelangt.