Wintersalon einer „oftmals kruden Ehrlichkeit“

Eine Woche vor Heiligabend zogen Hermannstadts Künstler Bilanz

Hermannstadt – Wenn es kurz vor Weihnachten Profanes gibt, das die Welt am Großen Ring/Piața Mare in Hermannstadt/Sibiu noch heil erscheinen lässt, dann nicht allein den Weihnachtsmarkt. Schon am frühen Freitagabend, dem 17. Dezember, hatten die teils von weither angereisten Mieter der Verkaufshütten und das bunt beleuchtete Riesenrad einen großen Menschenstrom zu bedienen. Nur war die Rechnung auch unter guten Wochenendbedingungen nicht einfach ohne die Innung der Bildenden Künstler Rumäniens (Uniunea Arti{tilor Plastici, UAP) zu machen. Achtunddreißig von 6000 Mitgliedern landesweit können stolz auf die Vernissage ihres traditionellen Wintersalons im Ausstellungsraum der lokalen Filiale sein. Glasbläser und Bildhauer Ioan T²mâian, im Herbst 2021 nach vierzehn Jahren Ehrenamt vom Vorsitz der UAP Hermannstadt zurückgetreten, räumt ein, dass andere Filialen der Innung größer sind, die Ex-Kulturhauptstadt Europas sich aber recht „honorabel“ schlage. Hinzufügend, dass „wir hier im Kreis Hermannstadt nicht so viel für die bildende Kunst tun. Dabei müsste die zeitgenössische Kunst auch gerade aktuell und nicht nur nach Jahren wertgeschätzt werden.“ Eine Devise, die das Publikum des neuen Wintersalons der UAP Hermannstadt liebend gerne behelligte.

Stehplätze waren sehr knapp zur Stunde der Ausstellungseröffnung im Parterre von Hausnummer 12 auf dem Großen Ring. Kritikerin Dr. Iulia Mesea fühlte sich bestätigt: „Was rings um uns geschieht, hält uns nicht auf.“

Das Aufgebot des Wintersalons trifft ins Schwarze. Jedes einzelne Exponat kommt aus dem Atelier einer künstlerisch tätigen Person, die das Zeug hätte, sich wie ein Platzhirsch in den Vordergrund zu drängen. Auf Rat von Kuratorin Alexandra Gălăbuț jedoch haben Alexandru Cînean, Raluca Oros, Constantin Ilea, Noemi Kusztos, Ioan Muntean, Ileana Selbing, Dan Frăticiu, Anca Giura und alle weiteren am Wintersalon 2021/2022 teilnehmenden Mitglieder der UAP Hermannstadt sich auf ein Ausstellungskonzept eingelassen, das Bilder weder in unverdienten Schatten stellt noch Skulpturen zu viel Raum gönnt.

Nachfolger von Ioan T²-mâian im Vorsitz der UAP Hermannstadt ist Maler Florin Viorel (1978), Alumnus der Universität für Kunst und Design Klausenburg/Cluj-Napoca (Universitatea pentru Arte și Design, UAD) und Lehrer am Kunstgymnasium Hermannstadt. Eines der größten Bilder des Wintersalons trägt seine Handschrift und stammt aus der Reihe in dunklen Farbtönen „Eclectic Land“, die er von Ende Januar bis Ende Februar 2021 in der Abteilung des Brukenthalmuseums für Zeitgenössische Kunst erstmals vorgestellt hat. „Haltet ein, bevor wir uns in einer Welt wiederfinden, die uns nicht mehr gehört!“, so der Interpretations-Schlüssel dazu von Dr. Iulia Mesea. Hermannstadts künstlerische und kulturelle Elite wäre schlecht beraten, den Weckruf zu verschlafen.