Hermannstadt - Das Thema der Veranstaltung vom 22. bis 24.03.2024 war auf den ersten Blick nicht unbedingt das, was jemand erwarten würde, der sich mit der Erstellung oder Übersetzung eines Schulbuchs befasst. Im Hintergrund stand die Idee, einmal nicht nur über die deutsche Sprache zu sprechen, sondern mit der deutschen Sprache zu arbeiten.
Lehrkräfte aus beinahe dem ganzen Land (von Arad und Temeswar über Siebenbürgen bis Bukarest), 44 erfahrene und junge Grundschul- und Fachlehrkräfte, fanden sich am vergangenen Freitag in Hermannstadt ein. Nach den Begrüßungsworten ging es gleich an die Arbeit. Eine kurze Einführung zu Molière und dem Theaterstück (eine Zusammensetzung aus – fast – allen seiner Theaterstücke), das bearbeitet und einstudiert werden sollte, leitete über zur ersten Leserunde, an der alle beteiligt waren. Der Reihe nach wurde jeweils bis zum nächsten Satzzeichen gelesen. Das verschaffte einen ersten Eindruck von dem Stück. Die offenen Fragen wurden dann in einer ersten Gruppenarbeit geklärt. Jede Gruppe erhielt eine Szene, die während des Wochenendes einstudiert und aufgeführt werden sollte. Wo spielt die Szene? Wer sind die auftretenden Figuren? Worum geht es? waren die ersten Fragen, die einer Antwort bedurften. Dann ging es weiter mit der Rollenverteilung – gar nicht so einfach, wenn man nur zwei oder drei Figuren in der Szene hatte, aber sechs oder sieben Gruppenmitglieder. Da musste man schon kreativ sein, um alle einzubinden: Doppelbesetzung der Rollen, innere Monologe einer Person, die von zwei Personen gespielt wurden, Gegenstände (beispielsweise ein Spiegel), die die Rede und das Spiel der Figuren kommentierten oder ironisierten, ein Chor, der bestimmte Sentenzen durch Wiederholung bekräftigte oder pantomimisch wiedergab. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Auch über notwendige Requisiten machte man sich schon am ersten Abend Gedanken.
Samstag gab es zum Einstieg theaterpädagogische Übungen und danach intensive Arbeit in den Gruppen, in denen die Szenen einstudiert und so oft gespielt wurden, bis die Repliken saßen, die Requisiten passten, die Mimik und die Gestik der Interpretation der Szene entsprachen und die Handlungsabläufe stimmten.
Am Nachmittag wurden die Szenen dann in der Reihenfolge des Gesamtstücks aufgeführt. In einer Ecke der Aula der Bruken-thalschule war eine Bühne abgegrenzt worden, auf der Géronte – der Alte, Marianne – seine Tochter, Octave – Mariannes Liebhaber, Tartuffe – ein Hochstapler, mit dem Géronte seine Tochter verheiraten wollte, sowie die Dienerin Toinette auftraten. Es war faszinierend zu beobachten, wie die Gruppen diese Charaktere jeweils umsetzten. So war Toinette in einer Szene die etwas schüchtern wirkende junge Dienerin, in einer anderen hatte ihre Zuneigung für Marianne und Octave fast mütterliche Züge, und wieder in einer anderen Szene bestand der Einsatz Toinettes für das junge Liebespaar in einem bis zur Handgreiflichkeit ausartenden Wortgefecht mit dem Alten, der nicht den schüchternen Octave, sondern den – ach so gelehrt wirkenden – Tartuffe als seinen Schwiegersohn sah. Aber natürlich nur so lange, bis er schmerzlich feststellte, dass dieser bloß hinter seinem Geld her war.
Die Aufführung endete mit einem heftigen Applaus für alle Darstellerinnen und Darsteller, die kurz darauf ihre Inszenierungen mit der Aufführung des Stücks durch die Schauspieler des Radu-Stanca-Theaters vergleichen konnten, die an diesem Nachmittag das Stück „Der gesamte Molière (nahezu)“ von Vincent Caire ein Jahr nach der Premiere im Studio-saal des Kulturhauses spielten. Durch die eigene Beschäftigung mit dem Stück im Vorfeld konnte man viele Details wahrnehmen, die einem beim ersten (oder einzigen) Besuch der Aufführung vielleicht nicht aufgefallen wären. Man musste sich nicht streng auf die Handlung konzentrieren – die kannte man ja schon –, sondern konnte Gesten, Mimik oder auch den Einsatz von Kostümen beobachten und sich daran erfreuen, dass Johanna Adam, Daniel Plier und Gyan Ros Zimmerman auch das Publikum in die Aufführung mit einbezogen und stellenweise zum Mitmachen animierten. Die überaus lebendige und humorvolle Aufführung wurde mit wohlverdientem und langanhaltendem Beifall bedacht, und in Gedanken war man schon am Überlegen, was man in der eigenen, in der Gruppe erarbeiteten Szene hätte besser machen können.
Der Sonntagvormittag war der Theaterkritik gewidmet. In Standbildern sollten die Gruppen ihre Kritik zum Ausdruck bringen. Sieben Gruppen – sieben Standbilder, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, und alle fingen sie wichtige Aspekte des Erlebten und Erarbeiteten ein.
Die Fortbildung wurde mit einer Einheit zur Schulbucharbeit abgeschlossen. Man notierte auf Plakaten, was man im Rahmen der Schulbucharbeit erlebt hatte, äußerte seine Meinung zur Qualität der Bücher, zur leider unangemessenen Bezahlung der Arbeit und den recht knappen Terminen, die vorgegeben werden, schrieb aber auch positive Erfahrungen auf oder signalisierte die Bereitschaft, in Zukunft an einem Schulbuchprojekt mitzuwirken.
Es bleibt zu hoffen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Fortbildung ihre Entscheidung, das Wochenende zu opfern, nicht bereuen, sondern den Spaß und die Freude in den Schulalltag mitnehmen, die eine oder andere Idee mit ihren Schülern umsetzen und – warum nicht? – auch positiv reagieren, wenn sie mit einer Anfrage aus der Schulbuchwerkstatt konfrontiert werden.
Die Fortbildung wurde dankenswerterweise von der Do-nauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg finanziell unterstützt, sodass die gemeinsamen Mahlzeiten, die zum Kennenlernen und zur Gemeinschaft untereinander beitrugen, sowie die Übernachtung für die auswärtigen Gäste gesichert werden konnten. Dank gebührt auch der Brukenthalschule für die Beherbergung der Tagung in ihren Räumen und dem Organisationsteam des Zentrums für Lehrerfortbildung, das die Veranstaltung inhaltlich und administrativ vorbereitet hat.