Hermannstadt - Vor rund fünf Jahren begann die gebürtige Hermannstädterin Maria Luise Roth-Höppner die schwerste Arbeit ihres Lebens: Die Aufarbeitung des Archivbestands beim Nationalen Rat zur Erforschung der Archive der Securitate (CNSAS) über ihren Vater Hans Otto Roth, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen und eines der prominentesten sächsischen Opfer der rumänischen Securitate in der Zeit des Kommunismus. Wie sie trotz ihres hohen Alters so viel Energie aufbringt – Frau Roth wird heute 90 Jahre alt! — ist nur ihrer Wesensart und Charakterstärke zu verdanken, die ihr zeitlebens geholfen haben, alle Schicksalsschläge zu überbrücken! Ihre Kindheit und Jugend in einer intakten Familie im geliebten Hermannstadt, Schule, Freunde, Bücher, Wandern und Gesellschaftsleben in einer heilen Welt bildeten die Grundlage einer Heimatliebe, die ihr Leben prägen und ihre Entscheidungen bestimmen sollten. Ihr Lebensziel war, Astronomin zu werden, und sie wurde es!
Der Zweite Weltkrieg und der Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung stellten als erstes alle Zukunftspläne in Frage. Der Vater wurde verfolgt und kam in Haft. An den Hochschulen standen Intellektuellenkinder auf der schwarzen Liste. Deshalb versuchten die beiden Roth-Kinder ihr Glück in Bukarest, wo sie unbekannt waren; es gelang ihnen, dank einer beachtlichen sportlichen Tätigkeit und dem Kantinenessen, über die Runden zu kommen. Vom Vater wusste man kaum etwas, sie sahen ihn ein letztes Mal in der Nähe von Bukarest, über seinen Tod erfuhren sie rein zufällig. 1952 folgte die Zuteilung der Absolventin Maria Luise Roth als Lehrerin und dann wurde sie Assistentin an der Technischen Hochschule Kronstadt, wo sie sechs Jahre Physik unterrichtete. Die Astronomie blieb unvergessen, doch mit Zukunftsplänen war es aus. 1958 schlug die Securitate zu und verurteilte die Roth-Kinder zu sechs Jahren Gefängnis wegen „Verschwörung und Agitation“, weil sie sich geweigert hatten, Mitarbeiter des Geheimdienstes zu werden.
Wenn man Frau Roth-Höppner nach den sechs Jahren Gefängnisaufenthalt fragt, lächelt sie fein. Sie hat jede Lebensphase als gegeben betrachtet und das Beste daraus gemacht. Geblieben sind positive Erinnerungen an besondere Menschen, an geschlossene Freundschaften und Spaß am Beruf einer Korbflechterin. Ihre Neugier auf alles Neue hat sie bewahrt, das Leben tragisch zu nehmen. Aber richtig tragisch wurde es danach zu Hause in Hermannstadt, wo sie als ehemaliger Häftling keine Arbeit fand. Ihr Glück waren die Privatstunden, aber weiter? Auswandern schien die einzige Lösung, 1969 war es soweit. Ausschlaggebend für das „Abenteuer Auswandern“ war , dass man mit 40 Jahren professionell noch eine Chance hatte. Beiden Roth-Kindern ergab sich diese Chance, Maria Luise fand eine Stelle am Astronomischen Observatorium bei Hamburg und promovierte als 43-Jährige. Sie lernte dort ihren Mann Wolfgang Höppner kennen und reiste durch die Welt.
Alles hätte gut sein können, wenn nicht das Heimweh gewesen wäre. Alles, was man zu Hause gehabt hatte, fehlte einem hier: nicht nur die Wurzeln, sondern das ganze Netzwerk von Beziehungen, die ein Menschenleben ausfüllen. Maria Luise Roth-Höppner war in sehr jungen Jahren auf sich gestellt gewesen und selbständig geworden. Ihr Mut war ungebrochen, also machte sie das, wozu nur wenige den Mut aufgebracht hätten: Sie kehrte 1991 nach Hause, nach Siebenbürgen, zurück, als in Rumänien ab 1990 ein neuer Wind wehte. Sie erkannte sofort die einmaligen Möglichkeiten, hier Wichtiges anzustoßen. Sie gründete den „Arche-Noah-Verein“, um anderen Rückkehrern zu helfen. Sie wurde aktiv bei der Evangelischen Akademie Siebenbürgen und anderen sächsischen Einrichtungen, und sie gründete, gemeinsam mit ihrem Mann Wolfang Höppner, den ersten privaten Verlag nach 1990 in Rumänien. Damit bewies sie überzeugend, dass hier weder die Sachsen noch ihre Literatur am Ende sind. Wenn ein Baum starke Wurzeln und einen gesunden Stamm hat, kann ihn weder Dürre noch Sturm umwerfen. Es gibt auch solche Menschen: Frau Maria Luise Roth-Höppner gehört dazu!