Zwischen Faszination und Beklemmung

Öffentliche Besprechungen der Kunstwerke von Peter Jacobi und Lilian Theil in der Evangelischen Stadtpfarrkirche

Werkbesprechung in der Evangelischen Stadtpfarrkirche mit Christiane Böhm am Montag. Foto: Aurelia Brecht

Hermannstadt – Im Rahmen des Gedenkens zum 80. Jahrestag des Beginns der Russlanddeportation hatte das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) zweimal zu einem Kunstdialog eingeladen. Die Begegnungen fanden im nördlichen Querschiff der Evangelischen Stadtpfarrkirche statt und gaben dem Publikum die Möglichkeit, zwei Werke zum Thema Deportation in Augenschein zu nehmen, Eindrücke zu sammeln, zu teilen, und darüber ins Gespräch zu kommen.

Im Mittelpunkt der öffentlichen Werkbesprechungen standen die Kunstwerke von Peter Jacobi und Lilian Theil. Jacobis „Fufaika (Fufoaica)“, ein Steinrelief aus dem Jahr 1973, das seit 2021 als Mahnmal an die Geschehnisse im Januar 1945 in die Wand der Stadtpfarrkirche eingelassen ist. Es befindet sich neben der Liste der Hermannstädter Deportationsopfer. Das Textilbild der Schäßburger Künstlerin Lilian Theil, „Deportation in die Sowjetunion im Januar 1945“ aus dem Jahr 2005 ist eines von zahlreichen Fetzenbildern, die die heute 93-jährige Künstlerin im Laufe ihres Lebens angefertigt hat. Die Bilder der Künstlerin kreisen um Themen wie die Endlichkeit, Herkunft, Sozialisierung, das Verhältnis zwischen Jung und Alt, Mann und Frau, zwischen dem „Eigenen“, Bekannten, und dem Fremden.

Dialogisch näherten sich die Anwesenden gemeinsam mit ifa-Kulturmanagerin Christiane Böhm der Bildkomposition Theils: Farbgebung, Bildgestaltung, Körpersprache, Hell und Dunkel, Symbolik – welche Gefühle löst das Bild aus?
Dabei rekurrierte man immer wieder auf die historischen Hintergründe der Geschehnisse im Januar 1945: Denn infolge des rumänischen Frontwechsels vom 23. August 1944 und dem im Dezember erlassenen Geheimbefehl 7161 Stalins wurden Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren und Frauen von 18 bis 30 Jahren aus Rumänien in die Sowjetunion deportiert.

Die „Fufaika“, eine wattierte Steppjacke, haben die Deportierten im Lager getragen. Herta Müller beschreibt das Kleidungsstück in ihrem Roman „Atemschaukel“; es wurde zu einem Symbol für die Russlanddeportation. Der Künstler selbst hatte die Jacke als Kind bei seinen aus der Deportation zurückgekehrten Familienangehörigen gesehen und sich später dazu entschlossen, eine Skulptur dazu zu schaffen.
Das Werk Jacobis wecke eine besondere Erwartungshaltung, so ein Teilnehmer. Durch die Oberflächenbeschaffenheit eines Textils regt die Form des Marmors dazu an, die Fläche berühren zu wollen. Was von Ferne weich und einladend aussieht, entpuppt sich aus der Nähe als karg und kalt. Die Struktur des dargestellten Stoffes assoziierten einige Teilnehmer mit den Gitterstäben eines Gefängnisses. So schwankt das Kunstwerk zwischen Faszination und Beklemmung.

Ein Thema waren außerdem die unterschiedlichen Zeitpunkte, zu denen sich Theil und Jacobi mit dem Thema Deportation beschäftigt haben: Jakobi konnte sich durch seine Auswanderung in die Bundesrepublik früher mit dem Thema auseinandersetzen, während dies in Rumänien bis zur Wende in dieser Form nicht möglich war. Lilian Theil begann nach 1989 mit der Arbeit an ihren Textilbildern. Das Ersticken von Kreativität war bis dahin prägend. Lange wurde das Thema verdrängt, verschwiegen. Aber die Kunstwerke sprechen wieder.