Zwölf Meter Leinwand für die Biografie von Doina Cornea

Eine kleine Stiftung mit großem Herz tut, was der Staat unterlässt

Klausenburg – Obwohl Rumäniens Zweikammerparlament und Regierung schon seit mehr als 30 Jahren das allgemeine Wachhalten der öffentlichen Erinnerung an prominente wie anonyme Häftlinge und Opfer kommunistischer Gefängnisse auf eigenem Staatsgebiet eher scheuen denn aktiv fördern, gibt man sich in Großstädten wie zum berühmten Beispiel dem provinziell extrem selbstbewussten Klausenburg/Cluj-Napoca nicht einfach passiv ohne Widerstands-Versuche geschlagen. Freitagabend, am 15. Dezember, eröffnet die Doina-Cornea-Stiftung um 18 Uhr im Bánffy-Palais und Nationalen Kunstmuseum am Hauptplatz eine temporäre Ausstellung über ihre Namensgeberin als kulturell sehr breit gebildete „Dame hinter dem Fenster“ („Doamna din spatele ferestrei“). Ganze 100.000 Lei kostet die detailgenaue Nachstellung der Privatwohnung von Dissidentin Doina Cornea im Kunstmuseum, wofür manche Möbel, das Klavier und sogar über 100 Bilder und Zeichnungen aus der Hand der 2018 Verstorbenen sorgfältig auf Zeit aus ihrem Gedenkhaus umgelagert werden. Als Kuratorin haben Sohn Leontin Horațiu Iuhas (Jahrgang 1956) und die von ihm gegründete Stiftung die 1959 in Klausenburg geborene Kritikerin und Wahlfranzösin Ileana Cornea verpflichten können, die ihrerseits auf den Rat von Enkelin Julie Combes sowie die Mitarbeit der kanadischen Künstlerin Gabriela Hébert und des Tontechnikers Zachary Perreault Samson setzt. Eigens für die Expo zwecks Erinnerung lebensecht nachgebaut wurde einschließlich die von der Securitate im Zimmer von Leontin Horațiu Iuhas versteckt verbaute Abhöranlage. Und auf dem Schreibtisch von Freidenkerin Doina Cornea, der dem Kunstmuseum Klausenburgs selbstredend mit ausgeliehen wird, können Neugierige noch bis Sonntag, den 7. Januar 2024, auch den Schreibpinsel für Manifeste, die Tinte und die Schreibmaschine der politisch Verfolgten und zu Hausarrest verhafteten Dame von Welt besichtigen. Ihre Anwesenheit zur Stunde der Vernissage zugesagt haben auch Historiker Marius Oprea, stellvertretender Vorsitzender der Doina-Cornea-Stiftung, und Dănuț Iacob, stellvertretender Vorsitzender des Vereins „15. November 1987“ in Kronstadt/Brașov. Für den Kreisrat, dem das Kunstmuseum Klausenburg untersteht, wird Vákár István (UDMR) als der Stellvertreter von Alin Tișe (PNL) sprechen. Die Ansprachen vonseiten des gastgebenden Hauses teilen sich Alexandra Sârbu als Kunstexpertin und Direktor Lucian Nastasă-Kovács, Historiker von Beruf.

Museumsgängern bis Schließung der tief schürfenden Ausstellung über die oppositionelle Philologin und Mitarbeiterin des Hörfunk-Kanals „Freies Europa“ Doina Cornea am rumänisch-orthodoxen Johannistag 2024 verspricht Leontin Hora]iu Iuhas zudem einige Vorspiele auf ihrem Klavier und nicht zuletzt die Vorführung des Dokumentarfilms „Das Rote Desaster“ (1988) vom Regisseur und belgischen Journalisten Josy Dubié, vor dessen Kamera in gesamt Rumänien nur Doina Cornea zu sprechen bereit gewesen war. Ein Streifen, der binnen kürzester Zeit belgische Zuschauer auf die Idee brachte, als Paten-Club manches urige Dorf in Rumänien vor dem industrialisierenden Übergriff von Diktator Nicolae Ceaușescu zu schützen. Doina Cornea, die ab 1990 weite Reisen in ganz Europa und nach Übersee unternahm, war griechisch-katholisch getauft worden und soll Wikipedia zufolge 1988 einen offenen Brief an Papst Johannes Paul II. geschrieben haben, der zur Sendezeit von „Freies Europa“ verlesen wurde, und worin sie gemeinsam mit weiteren fünf Klausenburger Persönlichkeiten aufforderte, das Dekret auf Verbot der Griechisch-Katholischen Kirche zu lösen. Auch und gerade diesen historiografischen Stolperstein möchte Klausenburg wenigstens versuchsweise aus dem Weg geräumt wissen – den klerikalen Segen über die Vernissage teilen sich der rumänisch-orthodoxe Metropolit Andrei Andreicuț, ein erwiesen ökumenischer Stellvertreter der nationalen Mehrheitskirche, und der griechisch-katholische Bischof von Armenierstadt/Gherla und Klausenburg, Claudiu Lucian Pop. Noch entschiedener könnte die Erinnerung an Doina Cornea, ihre Laufbahn und die unwirtliche Zeit ihrer anti-kommunistischen Biografie nicht gepflegt werden. Die nach ihr benannte Stiftung freut sich jederzeit auf Spenden und Neumitglieder.