ARMS – Hilfsprojekt für Geflüchtete in Westrumänien

Ein Verein bietet Essen, saubere Kleider und Duschmöglichkeiten für Flüchtlinge in Temeswar

Das Logo von „ARMS“, einem neuem Hilfsdienstprojekt für Migranten in Westrumänien

Für die Kinder der Geflüchteten werden Freizeit- und Bildungsaktivitäten angeboten.
Fotos: LOGS-Gruppe

Vor Kurzem wurde eine Fotoausstellung über die Migranten organisiert.

Rund 7400 Asylanträge wurden bisher 2021 in Rumänien registriert, bis zu 10.000 könnten es bis Jahresende werden. Mehr als die Hälfte davon wurde in Westrumänien eingereicht. Hinter jedem Antrag steht ein Mensch mit einer Geschichte, mit einer Vergangenheit und mit dem Wunsch, Sicherheit zu finden. Der Verein „LOGS – Gruppe für Sozialinitiativen“ reicht seit mehreren Jahren den Geflüchteten und Asylsuchenden in Westrumänien eine helfende Hand. Bis September kommenden Jahres hat sich der Verein in Zusammenarbeit mit dem Interkulturellen Institut Temeswar vorgenommen, über 500 Geflüchtete aus den Verwaltungskreisen Temesch/Timiș, Arad und Karasch-Severin/Caraș-Severin zu beraten, sowie rund 350 Pakete mit Lebensmittel, Arzneimittel und Kleidung zu verteilen und mindestens 50 Menschen zu helfen, einen festen Arbeitsplatz vor Ort zu finden. Außerdem werden Geflüchtete bei einer qualitativen Umfrage befragt, mit welchen Problemen sie konfrontiert sind. Die Antworten werden anschließend an die Behörden geschickt. Das Projekt heißt „ARMS – Migrants Assistance Services in Western Romania“ (Hilfsdienste für Migranten in Westrumänien). 

Über 4000 Asylanträge wurden bisher in diesem Jahr in Westrumänien (in den Verwaltungskreisen Temesch, Bihar/Bihor, Karasch-Severin und Mehedinți) eingereicht. Diese Anzahl überschreitet die Gesamtanzahl des Jahres 2020, als pandemiebedingt in Rumänien insgesamt nur 6158 Anträge von Asylsuchenden vor allem aus Afghanistan, Syrien und Irak beantragt wurden. 

„Wir wissen, dass niemand gerne sein Land verlässt. Unsicherheit und Todesangst ist etwas, mit dem diese Leute in ihrem Alltag leben müssen. Wir wollen ihnen auf der Suche nach Sicherheit eine Hand reichen und öffnen breit unsere Arme als Schutz für sie“, sagt Flavius-Ilioni Loga, der Leiter der LOGS-Gruppe. Er arbeitet seit 2012 mit Flüchtlingen und Asylsuchenden in Temeswar und ist Koordinator des „Timișoara Refugee Art Festival“ (TRAF), das erste Kunstfestival mit und über Flüchtlinge in Osteuropa, sowie Gründer der LOGS-Gruppe für Sozialinitiativen, ein Anbieter von humanitären Diensten für Migranten in Temeswar. LOGS engagiert sich seit 2019 für die Integration gefährdeter Migranten, bekämpft den Menschenhandel und setzt Bildung als Mittel zur Überwindung sozialer Verwundbarkeiten ein.

Seit November vergangenen Jahres haben die LOGS-Freiwilligen mit Hilfe von weiteren engagierten Bürgern freundlich auf die steigende Zahl von Migranten reagiert. Gemeinsam stellten sie den Menschen, die von der Temescher Grenzschutzpolizei untergebracht wurden, um deren Verpflegung sich die Behörden aber nicht kümmern konnten, Nahrungsmittel zur Verfügung – auch für diejenigen, die im Quarantänezentrum des Bürgermeisteramts oder im Asylzentrum untergebracht waren.

„LOGS-Haus“ als Zentrum für Hilfsdienste

Seit April dieses Jahres gibt es auch ein physisches Zentrum für schutzbedürftige Personen: Das Haus „Casa LOGS“ in der Pop-de-Băsești-Straße Nr. 25 beherbergt die meisten Aktionen des Vereins. Sozial- und Rechtsberatung findet hier statt, aber es ist auch ein Bildungs-, Kultur- und Rumänisch-Lernzentrum für Zuwanderer sowie ein Gemeindezentrum, in dem es eine Kleider- und Hygienebörse für schutzbedürftige Menschen, Sanitärräume und eine Wäscherei gibt. „Geflüchtete kommen hier-her, um zu duschen. Für viele Asylbewerber ist das LOGS-Haus der einzige Ort für ihre Hygiene. Sie bekommen von uns saubere Unterwäsche und ein neues T-Shirt sowie ein Mal pro Woche Sozialtickets für Lebensmittel in Wert von 50 Lei, oder wir geben den Migranten, die zu uns ins Haus kommen, Lebensmittelpakete. Mit Hilfe von Freiwilligen bieten wir wöchentlich kostenlose Haarschnitte und Hygieneprodukte für Frauen an“, sagt Flavius Ilioni-Loga.

„Wir müssen aber zugeben, dass unser Haus in letzter Zeit etwas zu klein geworden ist. Etwa 50 Asylsuchende besuchen uns täglich – die meisten sind Afghanen , entweder für die Sozialgutscheine für Lebensmittel, für Hygieneartikel oder einfach, um hier zu duschen. Im Frühling haben wir beim Temeswarer Rathaus einen größeren Raum beantragt, ein Gebäude, auch wenn es verlassen ist, um darin ein Sozialzentrum für gefährdete Menschen einzurichten. Wir hoffen noch, dass wir einen solchen Raum bekommen werden“, setzt der Vereinsleiter fort. 
Durch das neue „ARMS“- Hilfsdienstprojekt für Migranten in Westrumänien nimmt sich nun die Gruppe weiterhin vor, den Menschen beizustehen. Zusammen mit dem Interkulturellen Institut Temeswar soll bis September 2022 Beratung für Migranten, aber auch medizinische Betreuung und materielle Notverpflegung angeboten werden. Zusätzlich werden auch kurzfristige Integrationsdienste angeboten, etwa Trainingsaktivitäten zu „Live Skills“ und Zugang zu Arbeitsplätzen sowie Aktivitäten zur Überwindung von Traumata, zu interkulturellem Austausch und zum Kennenlernen der rumänischen Kultur. Des Weiteren werden auch Informationsaktivitäten in der rumänischen Gemeinschaft zur Förderung des Bewusstseins bezüglich der Migranten organisiert.

Das Interkulturelle Institut Temeswar führt seit 2005 Projekte durch, um die Integration von Migranten in Rumänien zu erleichtern. Diese Projekte konzentrierten sich auf eine komplexe Strategie zur Entwicklung der Kommunikation zwischen Migranten, Behörden und Zivilgesellschaft auf lokaler und nationaler Ebene und bietet Lernprogramme für die rumänische Sprache sowie kulturelle Orientierung und führt selbst Forschung zum Thema durch.

Asylbewerber nehmen an Bildungsaktivitäten teil

Auch ein interkultureller Mediator wurde innerhalb des Projekts angestellt: Mujib Basim ist 22 Jahre alt und kommt selbst aus Afghanistan. Zusammen mit seiner Familie ist er vor sieben Jahren nach Rumänien geflüchtet. „Der Neuanfang in einem fremden Land ist keine leichte Sache, und es war weder für mich noch für meine Familie einfach, aber Rumänien bot uns Unterkunft und Schutz. Mit viel Mühe habe ich die Sprache gelernt, mein Studium fortgesetzt und jetzt arbeite ich. Ich möchte Vorbild für Asylsuchende aus Afghanistan sein und auch denen helfen, die in dieser Zeit nach Rumänien kommen und sich hier niederlassen“, erzählt der junge Mann. Freiwillig setzt sich Mujib Basim schon seit längerer Zeit für die Aktionen der LOGS-Gruppe ein. „Als wir ausgewandert sind, war die Lage noch nicht so schlimm wie in letzter Zeit. Ich bin mit meiner Familie mit dem Flugzeug eingereist. Die Migranten heutzutage flüchten zu Fuß oder über verschiedene klandestine Wege. Ich war letztes Jahr sehr beeindruckt, als ich hier in Temeswar einem in Afghanistan berühmten Fußballer begegnen konnte. Wenn auch er, der ziemlich prominent ist, fliehen musste, kann man begreifen, wie schlimm es eigentlich vor Ort ist“, erzählt Mujib Basim. Der Altersdurchschnitt der Geflüchteten, die von den LOGS-Angeboten profitieren, liegt zwischen 16 und 25 Jahren. Einige sind schon seit Jahren auf der Flucht. Sie kommen meistens zu Fuß, schlafen unter freiem Himmel, essen tagelang nichts. Aber auch unter diesen schlechten Bedingungen bereuen sie nicht, ihre Heimat verlassen zu haben. „Sie kommen nach Temeswar, weil es eine Transitstadt ist, von hier aus versuchen sie, nach Ungarn und dann in die Länder in Westeuropa zu ziehen. Wenn sie in Afghanistan geblieben wären, hätten sie bis zu hundert Prozent Chancen zu sterben. Die Flucht bietet ihnen 50 Prozent Überlebenschancen. Wenn sie auf dem Weg in die Freiheit sterben, dann haben sie das aus einem starken Grund getan“, gibt Mujib Basim die Meinung vieler Geflüchteter wieder. 

Gelände an der Ausfahrt von Temeswar als „Afghan Park“ bekannt

Etwa 50 bis 100 Flüchtlinge verbringen täglich ihre Zeit an den Bega-Ufern oder auf dem Gelände neben dem Auchan-Hypermarkt an der Arader Straße. Die ROD-Karawane hat neulich Halt auf diesem Gelände gemacht. Die Kulturkarawane besucht seit diesem Sommer marginalisierte Gemeinschaften aus dem Banat (die ADZ berichtete). Im Zuge des Events mit dem Namen „Afghan Park“ waren die Geflüchteten Thema einer Fotoausstellung. „Diese Ausstellung ist willkommen. Wir können so Informationen über sie weitergeben, dass sie keine schlechten Menschen sind. Es gibt eine Wahrnehmung, dass sie alle möglichen Arten von Bösem tun, in Wirklichkeit ist es nicht so. Sie sind Menschen wie wir, sie haben das Recht auf ein besseres Leben“, schließt Mujib Basim. 

Asylbewerber sind auch Familien mit Kindern. Von den insgesamt 732 Asylsuchenden, die in der Zeitspanne 17. Mai bis 22. September von der Betreuung innerhalb des „LOGS“-Hauses profitiert haben, waren 343 Minderjährige, 25 davon Kinder unter 12 Jahren. Die meisten Migrantenkinder, die sich in der Stadt niedergelassen haben, nehmen an Bildungsaktivitäten für das Erlernen der rumänischen Sprache und der persönlichen Entwicklung im „Welcoming Kids Club“ teil. Für sie werden auch Freizeitaktivitäten dargeboten: ins Kino oder Freibad gehen, oder an verschiedenen Aufführungen teilnehmen. „Vor der Wende suchten mehr als 100.000 Rumänen politisches Asyl in Westeuropa. Diese Zahl stammt aus der UN-Statistik. Die meisten überquerten illegal die Grenze nach Ungarn oder Jugoslawien, und die Risiken, denen sie ausgesetzt waren, waren groß. Wir müssen nun auch diesen Leuten helfen“, schließt Flavius Ilioni-Loga. Details zum Projekt und zur Tätigkeit der LOGS-Gruppe sind unter grupullogs.ro abrufbar.