Aufbau der Wunschwelt der Macht

In der PNL darf die Öffentlichkeit statt eines Wahlkampfes eine ordinär ausgetragenen Rauferei beobachten, in der es um Macht und um den Nachweis der Unfähigkeit geht, aus vergangenen Fehlern zu lernen. Die Schlammschlacht zwischen den beiden Anwärtern auf die Parteiführung und das schmierige Agieren der PNL-Kreisvertretungen sowie das „unerwartete“ Eingreifen der vom Präsidenten gelenkten „Organe“ zugunsten des Sitzenbleibers an der Regierungsspitze zeigen das wahre Gesicht der PNL: Sie wird vom Klientelismus, vom Zynismus, der Hinterhältigkeit und Charakterlosigkeit ihrer „Verantwortungs“-Träger beherrscht, die sie mit keinem Deut besser aussehen lassen als alle anderen Parteien dieses Landes, ja sie der PSD angleichen.

Dass der Regierungschef ein notorischer Sitzenbleiber ist, zeigt beispielsweise das Verfehlen der Ziele seiner Regierung(spartei): Mit zweimonatiger Verspätung ist das selbstgesteckte Ziel der Verabreichung von fünf Millionen Impfdosen ächzend erreicht worden (genauer: erst 4.853.000 Landesbürger waren am 1. August durch die Verabreichung einer zweiten Impfdosis immunisiert); in Sachen Zurücknahme der demokratiefeindlichen Justizgesetzgebung der vorhergegangenen PSD ist man keinen Millimeter weitergekommen; die Regierung erwies sich als unfähig, der EU einen passablen Aufbau- und Resilienzplan vorzulegen und erwartet jetzt dessen Retuschierung durch EU-Experten – mit der Folge, dass alle künftigen Entwicklungspläne auf einer immer längeren Bank liegenbleiben; nicht zuletzt die Tatsache, dass der Regierungschef mitten im parteiinternen Wahlkampf den Finanzminister gefeuert und dessen Amt übernommen hat – also die Finanzierungshähne bedient und diese auf- und zudrehen kann, je nach Sympathie- und Unterstützungsversprechen. Zudem outet sich der Regierungschef als tiefe Enttäuschung für alle, die in ihm die Chance einer „anderen Art, Politik zu machen“ sahen, einer „neuen Art des Umgangs mit der Macht“: Er agiert skrupellos, bösartig, rechthaberisch, pfauenhaft aufgeplustert, intrigant und selbstlobbegeistert, ist jederzeit zu feindlichen Übernahmen (von Organisationen seiner eigenen Partei) bereit. Am Beispiel PNL-interne Wahlen in Temeswar war zu sehen: Die Parteigänger sind bis zum Auslösen von Prügeleien gegeneinander aufgehetzt. Hauptsache, „die Unseren gewinnen“, um es mit dem bitteren Humor des Nationaldramatikers Caragiale zu sagen.

Dass auch Rumänien vor dem Ausbruch von Welle vier der Corona-Pandemie (Delta-, vielleicht auch Lambda-Variante) steht, dass die EU ungeduldig auf die Tischplatte hämmert wegen – unter anderen – nicht eingehaltener Versprechen im Justizbereich, dass der Regierungschef beim Kehraus in seiner Regierung an seinem Machthunger (und an Feigheit) scheitert (weswegen er die ihm nicht genehmen Minister nicht zu feuern wagt – Verkehrsminister Drulă, Entwicklungsminister Ghinea, Justizminister Ion – und nur den Rausschmiss, der ihm auf dem Wag zum Machtausbau im Weg stand – Finanzminister Nazare) – all das zählt nicht auf dem Weg zur Macht. Zumal er einen noch Stärkeren diskret in seinem Rücken weiß.

Während der Regierungschef seine parallele Wunschwelt der Macht aufbaut, in der er allein herrscht, zieht sich der schon lange in diesem schmutzigen Machtkampf unterlegene amtierende Parteichef auf jene Domäne zurück, die rumänische Politiker am besten beherrschen, wenn es um Niederlagen geht: „der „Parallelstaat“ ist schuld an seinem künftigen Wahldesaster, die „Verschwörungen“, die „Dienste“ und die „Organe“, die nur Einem gehorchen (wenn sie nicht ihre eigene Politik machen), die „undemokratische Instrumente“ benutzen, die „auf Skelette im Schrank“ weisen und „Dossiers in der Hinterhand“ halten, mit denen sie jeden jederzeit erpressen können.

Nun muss die PSD überhaupt nichts mehr tun, um die nächsten Wahlen für sich zu entscheiden.