„Auslandsdeutsche werden um ihr Wahlrecht gebracht!“

Der Verband deutschsprachiger Auslandsmedien fordert Abbau bürokratischer Hürden für Auslandsdeutsche bei Bundestagswahlen

„Vor allen Bundestagswahlen erreichen uns regelmäßig Klagen von Produzenten und Nutzern deutschsprachiger Medien weltweit. Sie wollen gerne an den Wahlen teilnehmen, aber können dies nicht tun, weil es einfach zu kompliziert ist“, berichtet Björn Akstinat, Leiter der Internationalen Medienhilfe (IMH). Die IMH ist das Netzwerk der rund 2000 deutschsprachigen Medien im Ausland. Dazu gehören beispielsweise Zeitungen wie der chilenische „Condor“, die „Woche“ in Australien, die namibische „Allgemeine Zeitung“ oder der Radiosender „ZP-30“ im Norden Paraguays.

Wählen dürfen einerseits im Ausland lebende deutsche Staatsbürger, die nach Vollendung des 14. Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben und bei denen dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt. Andererseits können auch deutsche Staatsangehörige an der Bundestagswahl teilnehmen, die noch nie im Bundesgebiet ansässig waren. Dann müssen sie aber persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sein. In diesem Fall ist eine direkte Verbindung nach Deutschland, zum Beispiel über den Arbeitgeber, notwendig. Der regelmäßige Konsum deutscher Medien reicht als Grund beispielsweise nicht aus.

Lange Postwege und Beamtenwillkür

Wählen kann nur, wer in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist. Auslandsdeutsche, die nicht in Deutschland gemeldet sind, werden nicht automatisch in ein solches Verzeichnis eingetragen und müssen selbst aktiv werden. Der Antrag soll unterschrieben und postalisch übermittelt werden. Er muss spätestens am 21. Tag vor der Wahl bei der zuständigen Gemeinde in Deutschland eingehen.

Wer zum Beispiel vor fünf Jahren von Deutschland nach Südafrika ausgewandert ist, weiterhin den deutschen Pass besitzt und an der Wahl teilnehmen will, muss sich rechtzeitig schriftlich bei der Gemeinde melden, aus der er stammt, und sich dort ins Wählerverzeichnis eintragen lassen. Dann bekommt er von seiner Heimatgemeinde die Wahlunterlagen nach Südafrika geschickt und muss nach dem Ankreuzen seiner favorisierten Partei den Stimmzettel wieder zurück nach Deutschland senden. Postsendungen zwischen Südafrika und Deutschland sind oft viele Wochen unterwegs. Ob sie ankommen, ist reine Glückssache. So oder so ähnlich stellt sich die Lage für fast alle Auslandsdeutschen dar. Diejenigen, die noch nie in der Bundesrepublik wohnten, haben es noch schwieriger. Sie müssen begründen, warum sie teilnehmen möchten und sind damit vollkommen der Willkür deutscher Beamter ausgeliefert.

Auslandsdeutsche könnten das Zünglein an der Waage sein

Björn Akstinat, Leiter der IMH, erklärt dazu: „Im Ausland leben weit über 1,5 Millionen Wahlberechtigte. Sie könnten das Zünglein an der Waage sein. Laut Bundeswahlleiterin haben sich für die anstehende Bundestagswahl am 23. Februar aber nur etwas mehr als 210.000 Auslandsdeutsche in die Wählerverzeichnisse ihrer zuständigen Wahlämter eintragen lassen. Rund 85 Prozent der Anträge kommen aus europäischen Nachbarstaaten – insbeson-dere aus Österreich, der Schweiz und aus Frankreich. Das sind Antragsteller, die kurze Postwege haben. Den restlichen Auslandsdeutschen, besonders denen in Übersee, ist eine Teilnahme wegen der vielen bürokratischen Hürden, die ihnen die geltenden Gesetze in den Weg stellen, meist zu umständlich und zu unsicher. Wie viele Stimmzettel auf dem Postweg verloren gehen, wird in keiner Statistik festgehalten. Durch das komplizierte Verfahren werden Auslandsdeutsche praktisch um ihr Wahlrecht gebracht.

Es geht auch anders: Vorbild Italien

Dabei geht es auch viel einfacher: Für Auslandsitaliener gibt es beispielsweise spezielle Wahlkreise mit eigenen Kandidaten außerhalb Italiens. Die italienischen Staatsangehörigen weltweit sind alle bei den Botschaften registriert und können dort oder in Konsulaten wählen. Wer nicht direkt in den Auslandsvertretungen erscheinen kann, bekommt die Wahlunterlagen automatisch zugeschickt: Stimmzettel inklusive ausreichend frankierter Rücksendeumschläge, die die Adressen der jeweils zuständigen Botschaften oder Konsulate tragen. Italien hat sogar spezielle Komitees und Regierungsbeamte für seine Bürger im Ausland.
Im deutschen Regierungsapparat fehlt ein Ansprechpartner für alle Auslandsdeutschen völlig. Eine Änderung der deutschen Wahlgesetzgebung nach italienischem Vorbild wäre dringend notwendig. Die deutschen Regierungsparteien haben in den letzten 80 Jahren kaum Anstrengungen unternommen, das Wahlverfahren spürbar zu erleichtern.“ (IMH)