Cannabis und Covid-19

Ein Hoffnungsschimmer. Und ein spannender Ausflug in die Molekularbiologie

NORMALZUSTAND: Die Proteinfabrik der Zelle produziert alles, was der Zellkern per mRNA-Anweisung „befiehlt“: hier z. B. das molekulare Schloss, das verschiedene Substanzen, aber auch der Virus „aufsperren“ können.

INFEKTION: Der Virus nutzt die Proteinfabrik der Zelle für seine eigene, massive Vermehrung – bis sie platzt!

IMPFUNG: Der mRNA-Impfstoff lässt die Zelle bloß das Spike-Protein produzieren. | Grafiken: Nina May

Seit gut zwei Jahren hält ein neuer Virus die Welt in Atem, als Motor einer globalen Pandemie. Eine kleine Proteinkapsel, die nicht einmal das Etikett „Leben“ verdient! 
Eine uralte Pflanze, den Menschen in Europa seit 5500 Jahren vertraut, scheint nun einen Teil der Lösung im Kampf gegen diese Bedrohung zu liefern. Sie blockiert den Mechanismus, mit dem der Virus attackiert... 

...und den auch die neuartigen mRNA-Impfstoffe nutzen. Es ist ein faszinierendes Spiel mit Schlüssel und Schloss auf molekularbiologischer Ebene, spannender als jeder Science Fiction. Doch dieser spielt sich nicht in fernen Galaxien ab, sondern im Mikrokosmos unseres eigenen Körpers.

Botanische Schwester

Das Gewächs heißt Hanf oder Cannabis sativa. Seit Jahrtausenden ist es dem Menschen als Nutz- und Heilpflanze bekannt. Hanf hat so viele Wirkungen, dass es scheint, wir seien Geschwister. Unsere Verwandtschaft reicht in die Urzeit der evolutionären Entwickung zurück. Wie sonst ist es möglich, dass wir im menschlichen Körper ein komplexes Rezeptorsystem für die Wirkstoffe dieser Pflanze tragen – im Nervensystem, in den Organen? 

Nur einer der Stoffe von Cannabis sativa wirkt als Droge: Tetrahydrocannabinoid oder THC. Erst THC, das nur unter besonderen Bedingungen in den Blüten entsteht, macht Cannabis zu Marihuana. Die übrigen Substanzen – Cannabinoide, Cannabidiolsäuren, Terpene, Bioflavonoide und Omega-Fettsäuren, Hunderte an der Zahl – haben therapeutische Wirkungen bei vielerlei Krankheiten, mit denen sich immer mehr wissenschaftliche Studien befassen. 

Zuletzt beleuchteten Forscher die Wirkung von Cannabis bei Covid-19. Studien auf molekularbiologischer Ebene zeigen, dass Komponenten der Hanfpflanze die Infektion mit SARS-CoV-2 blockieren können. Einige davon wechselwirken mit dem Rezeptor auf der Zelle, dem „Schloss“, das der Virus aufschließen muss. Andere blockieren seinen „Schlüssel“. Man mag sich fragen, woher die Hanfpflanze diesen doch völlig neuen Virus kennen kann? Tatsächlich aber ist es der Virus, der einen uralten biochemischen Mechanismus „gekidnappt“ hat. 

Der Natur auf die Finger geguckt 

Die Pharmaindustrie versucht, diesen Mechanismus für die Entwicklung neuer antiviraler Medikamente zu entschlüsseln. Viele Medikamente haben solche Vorbilder aus der Natur. Anhänger der Naturmedizin hoffen, dass es genügt, natürliches Vollspektrum Hanföl, das alle Komponenten außer THC enthält, zu konsumieren, eventuell angereichert mit jenen, die gezielt gegen Covid wirken. Daran wiederum ist die Pharmaindustrie nicht sonderlich interessiert. Natur kann man nicht patientieren und so lässt sich damit nicht viel Geld damit verdienen...

Die jetzt schon gute Nachricht

Vollspektrum-Hanföl ist natürlich, gesund und gut verträglich. Mit  natürlichem Cannabidiol (CBD) angereichert wird es gegen Schmerzen, bei entzündlichen Krankheiten, zur Beruhigung und für besseren Schlaf angewandt. Vielversprechende Ergebnisse gibt es auch in der Therapie von Epilepsie, Alzheimer, Krebs, degenerativen und autoimmunen Krankheiten. CBD ist die wohl bisher am besten verstandene Substanz, doch enthält Vollspektrum-Hanföl viele weitere, die den therapeutischen Effekt potenzieren. 

Die jüngsten Forschungen zu Cannabis und Covid-19 beziehen sich auf molekularbiologische Laborstudien und Versuche mit Zellkulturen. Wie das alles im Körper zusammenwirkt, ist noch nicht bekannt. Es bedürfe weiterer Untersuchungen, heißt es seitens der Wissenschaftler. Von einer Empfehlung zur Einnahme sind wir meilenweit entfernt. Und doch... sollten natürliche Cannabinoide wegen ihrer schmerzlösenden, entzündungshemmenden und angstlösenden Wirkung allgemein eine positive Rolle in der Therapie bei Covid spielen, schreibt Kevin William Simpson in „Cannabis as a treatment for Covid“ auf der US-Plattform openaccessgovernment.org.

Kampf dem Zytokinsturm 

Darüberhinaus helfen Cannabinoide aber auch gezielt, den gefürchteten Zytokinsturm bei Covid-19 zu unterdrücken, eine überschießende Immunreaktion, die zu irreversiblen Gewebeschäden  führt. Der Körper produziert dabei präinflammatorische Zytokine, die heftige Entzündungsprozesse auslösen. So entsteht Lungenfibrose, eine Vernarbung von Lungengewebe mit Verlust der Lungenfunktion. Eine im Journal „Aging“ publizierte Studie („Fighting the Storm“, Anna Kovalchuk) fand heraus, dass Cannabinoide den Zytokinsturm stoppen, indem sie bestimmte Zytokine gezielt hemmen.

Den Zugang des Virus blockieren

Noch besser wäre natürlich, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Die Studie „Cannabinoids Block Cellular Entry of SARS-CoV-2 and the Emerging Variants“ von Richard van Breemen, Oregon State University, befasst sich daher mit der gezielten Blockierung des Infektionsvorgangs durch SARS-CoV-2. Auch hierbei spielen Cannabinoide  eine Schlüsselrolle. Zum einen gibt es Cannabinoide, die sich an den ACE2-Rezeptor der Zellmembran binden, den auch das Spike Protein des Virus benutzt, um einzudringen. Cannabidiolsäuren hingegen heften sich direkt an das Spike-Protein und blockieren das Andocken des Virus. Die stärkste Bindung gingen Cannabigerolsäure (CGBA) und Cannabidiolsäure (CBDA) ein. 

Der Mechanismus wurde  mithilfe von harmlosen Viren studiert, die so modifiziert wurden, dass sie an ihrer Oberfläche das Spike-Protein von SARS-CoV-2 trugen. Nachdem man he-rausgefunden hatte, welche Cannabidiolsäuren das Spike-Protein blockieren, wurden die Viren diesen  ausgesetzt und dann auf Zellkulturen losgelassen. Und siehe da – die Infektion schlug fehl! Als Infektionsziele wählte man Endothelzellen, weil sie reich an ACE2-Rezeptoren sind. Sie kleiden Lungen, Blutgefäße und andere Organe aus, die auch SARS-CoV-2 befällt. 

Dass Cannabidiolsäuren das Spike-Protein blockieren, bedeutet nicht nur, dass sie vor Infektion schützen, sondern auch die Behandlungszeit verkürzen können, in dem sie die Viren im Körper inaktivieren.

Vielbegehrtes Schloss zur Zellentür

In das Schloss, das der Virus zur Infektion mit seinem Spike-Protein aufsperrt, also den ACE2-Rezeptor, passen noch eine ganze Reihe anderer Schlüssel, die unser Körper selbst produziert. Sie bestimmen, was in die Zelle rein und raus geht und regeln so ihren Wasserhaushalt. Jedes ACE2-Molekül an der Zellmembran öffnet genau ein Türchen. Ihre Anzahl bestimmt die Durchlässigkeit der Zelle für bestimmte Stoffe. Wieviele Schlösser die Zelle produziert, hängt von einem Regelkreislauf ab: Er aktiviert oder blockiert im Zellkern die Gene für die Produktion von ACE2. 

Zur Fabrikation von ACE2 werden von diesen Genen Abschriften namens Messenger-RNA (mRNA) erstellt, die aus dem Zellkern ins Zellplasma wandert und den dort vorhandenen „Proteinfabriken“ (Ribosomen) mitteilen, was und wieviel davon hergestellt werden soll. Die fertigen ACE2-Moleküle diffundieren dann durch das Plasma, bis sie an die fettige Zellmembran stoßen, die den fettliebenden Teil des Moleküls bindet und dabei den wasserliebenden Teil durch die ölige Membran nach außen katapultiert. Fertig ist das Schloss an der Zellentür!

Seine Funktionsweise ist einfach wie faszinierend: Der nach außen ragende Teil des Proteins  (das sich „Angiotensinkonvertierendes Enzym 2“ nennt) spaltet  Proteine, die an das Schloss andocken. Dabei ändert sich die molekulare Konfiguration von Schlüssel und Schloss und der Schlüssel wird mitsamt dem dranhängenden „Gast“ ins Innere der Zelle gezogen. So gelangt auch SARS-CoV-2 hinein.

Bestimmte körpereigene Stoffe, aber auch Cannabinoide der Hanfpflanze, wechselwirken mit diesem Schloss. Sie können es aufschließen oder blockieren und erlauben oder verwehren damit Molekülen, die mit einem passenden Schlüssel daherkommen, den Zutritt. 

Dieser Schlüssel-Schloss-Mechanismus ist im menschlichen Körper Teil eines komplexen Regelkreises (Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems), der auch den Blutdruck steuert. Einige Blutdruckmedikamente nutzen ebenfalls den ACE2-Rezeptor. Captopril zum Beispiel, das im Fall eines übermäßigen Anstiegs des Blutdrucks als Notfall-Medikament unter die Zunge gelegt werden kann, von dort ohne Umweg über den Magen absorbiert wird und rasch den Blutdruck senkt. 

Der Mechanismus lässt aber auch verstehen, warum natürliches CBD leicht blutdrucksenkend wirkt. Und man kann erahnen, warum Menschen mit Erkrankungen, bei denen der ACE2-Rezeptor eine Rolle spielt,  ein besonders hohes Risiko haben, eine schwere Form von Covid zu entwickeln. Die vielfältige Rolle und universelle Verbreitung des ACE2-Rezeptors erklärt aber auch, warum sich so viele Tiere mit SARS-CoV-2 anstecken können. 

Ausgetrickst! mRNA-Impfstoffe

Die mRNA-Impfungen nutzen diesen Mechanismus ebenfalls gezielt. Die Vakzine von Pfizer/Biontech oder Moderna beinhalten Messenger-RNA, und zwar genau den Teil des viralen genetischen RNA-Codes, der der Zelle als Vorlage zur Produktion des Spike-Proteins dient. Diese mRNA-Stücke werden lokal in den Armmuskel gespritzt und gelangen so in Muskelzellen. Genau wie bei der zuvor geschilderten ACE2-Produktion instruiert die mRNA-Stücke die zellulären Proteinfabriken nun, das Spike-Protein herzustellen. Die Spikes wandern zur Zellmembran, binden sich  und kippen nach außen. Die Muskelzelle trägt jetzt die Stacheln des fremden Virus! Für das Immunsystem ein Signal zum Angriff: Es zerstört die „feindlich markierten“ Zellen und merkt sich die Konfiguration der fremden Proteine, u. a. durch Bildung von Antikörpern. Die fehlenden Muskelzellen werden vom Körper ersetzt. Die Spuren der Impfung verschwinden vollständig, nur das Immungedächtnis bleibt: Wenn der Virus später „höchstpersönlich“ daherkommt, heften sich diese Antikörper an seine Spikes und blockieren seinen Schlüssel.

Die Impfung trickst den Virus aus, indem sie den gleichen Mechanismus nutzt wie dieser: SARS-CoV-2 ist nichts anderes als eine mit mRNA gefüllte Kapsel, die den Proteinfabriken der Zelle Anweisungen zum Herstellen von Proteinen liefert, die zu neuen Viren zusammengebaut werden. Gibt man der Zelle nur den mRNA-Abschnitt, der für das Spike-Protein kodiert, produziert sie nur dieses. 

Mithilfe solcher mRNA-Abschnitte ließe sich die Zelle auch instruieren, andere Substanzen herzustellen – körpereigene „Medikamente“ sozusagen! Damit tut sich ein weites Feld für revolutionäre Therapien gegen Bluthochdruck oder sogar Krebs auf. 

Der Vorgang läuft  außerhalb des Zellkerns ab. Insofern sind Befürchtungen, die mRNA-Impfung würde „genetisch umprogrammieren“, völlig unbegründet.