Das Ende des Handkusses

Eine in Rumänien durchaus noch anzutreffende Sitte, die im restlichen Europa fast vollständig aus der Mode gekommen ist und einen hier daher völlig unvorbereitet trifft, ist der Handkuß. Die deutsche Frau, auf Gleichberechtigung in der Gesellschaft und vor allem im Beruf auf männliches Auftreten gedrillt, versucht meist, einen festen Händedruck zu verabreichen, der ihren entschlossenen Charakter unterstreichen soll. Rumänische Damen hingegen recken ihr zartes Händchen galant in die Luft und lassen alle Optionen offen: Draufschmatzen oder Zudrücken, aber letzteres bitte nicht zu fest. Ja, der Handkuß in Rumänien wird tatsächlich physisch verabreicht und nicht nur angedeutet, wie dies in Österreich zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch Sitte war, wobei der Herr beim galanten, aber berührungslosen Vornüberbeugen schnarrte (sein Mund war ja nicht auf der Hautoberfläche seines Gegenübers festgesaugt): „Küß die Haaaaand, gnä Fraaaa”. Sarut mana! Prost Mahlzeit.

Mit diesem Erfahrungshintergrund gewappnet, fühlte sich eine deutsche Diplomatin in Bukarest stets verpflichtet, ihre in Delegationen anreisenden Geschlechtsgenossinnen auf den zu erwartenden Handkuß vorzubereiten, bevor die Begrüßung zwischen dem kußwilligen Herrn, der die Hand der möglichst kräftig zupackenden Dame zum Mund führen möchte, in eine Art komischen Ringkampf ausartet.

Den endgültigen Todesstoß erhält der auch hier mittlerweile umstrittene Handkuß jedoch vermutlich mit dieser Geschichte: Die besagte ehemalige Diplomatin hatte drei Hunde. Keine Kettenhunde, die in der Ecke des Hofs ein trauriges, unbeachtetes Dasein fristeten, sondern an Zuwendung gewöhnte, verspielte Zeitgenossen, die stets freudig angerannt kamen, wenn jemand das Haus verließ. Natürlich streichelte sie ihnen zum Abschied über den Kopf, bevor sie morgens zu einem Termin fuhr, und oft erwiderten die Hunde diese Geste mit einem kleinen, verhaltenstypischen Liebesbeweis: dem ... ähm... Hundehandkuss. Den rumänischen Herren, die besagte Dame noch in Erinnerung behalten haben, sei jedoch hiermit versichert: alle Hunde waren geimpft und gesund!