Der Dissertationsgenerator

Symbolbild: sxc.hu

Will man einen Politiker, Wissenschaftler oder sonstigen unliebsamen Konkurrenten für eine begehrte Position loswerden, so braucht man nur nach seiner Doktorarbeit und anderen wissenschaftlichen Publikationen zu fahnden... Und schon klärt sich das Mysterium der vielen, knapp 30-jährigen Wunderkinder mit den vier Fakultäten, Doppeldoktor und Habilitation neben Parteiarbeit, Brötchenverdienen, Hausbau und Familiengründung schlagartig auf: alles ist abgekupfert!

Was zu meiner Zeit noch schier unmöglich war, weil das Internet damals nur dem amerikanischen Militär und ein paar elitären Forschergruppen zur Verfügung stand – aber vielleicht finde ich ja meine Diplomarbeit mittlerweile dort, fein säuberlich ins Rumänische übersetzt und unter einem anderen „Pseudonym“ –, war hierzulande wohl lange Zeit Gang und Gäbe. Eingeweihte verraten hinter vorgehaltener Hand: für ein paar lumpige Scheinchen konnte Söhnchen Neureich das lästige Schreiben der eigenen Dissertation getrost einem anderen überlassen. Einem, der mehr davon versteht, weil er sowas tagtäglich im Massenverfahren erledigt. Der offizielle Verfasser aber wäscht seine Hände in Unschuld, denn wer seine Arbeit gar nicht selbst geschrieben hat, kann leicht behaupten, nicht abgeschrieben zu haben. Jeder Lügendetektor würde ihm glauben, wenn er im Brustton seiner Überzeugung verkündet: „Iiich? Ein Plagiator? Niemals!“

Mittlerweile gibt es jedoch, um solchen Praktiken das Handwerk zu legen, Programme, die das Internet in Sekundenschnelle auf Arbeiten mit auffälligen Ähnlichkeiten durchforsten. Sie sind der langgesuchte Impfstoff gegen das Virus der tollen Kopierwut intellektueller Güter.
Die gefürchteten Plagiatsdetektoren! 

Doch wo ein Mittel, da auch ein Gegenmittel. So sollte es im Land der Mathe-Olympioniken und kreativen Programmiertalente kein Problem sein, auch diese Hürde elegant zu umschiffen. Denn genauso, wie ein Code-Generator Zugangszahlen für teure, kopiergeschützte Programme auf der Basis eines bestimmten Algorithmus errechnen kann, so wird sicher bald der plagiatssichere Dissertationsgenerator auf dem Schwarzmarkt erscheinen! Kleinanzeige: „Doktorate – Unikate, im Zwölferpack zum Superschnäppchenpreis“!

Seine Funktionsweise ist verblüffend einfach. Der plagiatssichere Doktoratsgenerator durchsucht das Internet nach Arbeiten zum gewünschten Thema und schneidet diese in gleichlange Fragmente, aus denen nach Prinzip des Zufallszahlengenerators einige ausgewählt und andere verworfen werden. Erstere werden dann nach einem Algorithmus miteinander verknüpft, der einen logischen Textfluss sicherstellt. Anschließend wird der Textrohling in einen Google-Übersetzer in eine beliebige Fremdsprache eingespeist, wobei der Vorgang zur Sicherheit mindestens zweimal mit jeweils unterschiedlichen Sprachen wiederholt werden sollte. Je seltener die Sprache, desto knacksicherer das Verfahren. Der letzte Schritt besteht in der Rückübersetzung in die gewünschte Sprache und dem Austausch aller eventuell verbliebenen, allgemeinverständlichen Wörter durch möglichst exotische Fachbegriffe. Die Rücktransformation einer solchen Arbeit in ihre Originalfragmente ist mathematisch absolut unmöglich, denn es handelt sich um ein sogenanntes nichtlineares Verfahren, bekannt aus der Super-Kryptologie, nur eben von vorn herein ohne Schlüssel zur Dechiffrierung, denn genau das will man ja – im Gegensatz zur Kryptologie – um jeden Preis vermeiden.

Hier ein aktuelles Beispiel aus einer künstlich generierten Doktorarbeit aus dem Fachgebiet der Hochenergiephysik: „Der vierdimensionale Nabla-Operator wird auf die Strukturfunktion des masselosen Photons angewandt und das Resultat im Vektorfeld einer mit Lichtgeschwindigkeit propagierenden Gravitationswelle des Higgs-Bosons kalibiert“. Klingt anspruchsvoll, nicht wahr? Und suchen Sie das mal im Internet!
Das einzige Problem: Die automatisch generierten Dissertationen sind sogar so anspruchsvoll, dass sie beileibe nicht jeder Doktorvater versteht. Vor allem dann nicht, wenn er selbst nur durch Abschreiben promoviert hat. Doch ein solcher wird sich wohl kaum trauen, dies zuzugeben... Totsicher also, das Verfahren!