Der edle Tropfen für den guten Zweck

Achte Rovinhud-Benefiz-Weinmesse – für Helden des guten Geschmacks

Nebst Programmheft, Armband, einem Korkenzieher und Kugelschreiber, bekam jeder Besucher ein edles Schott-Zwiesel-Weinglas, in das die lieblichen, trockenen oder prickelnden Tropfen eingeschenkt wurden.

Die Gepflogenheiten und die Unschicklichkeiten beim Kombinieren von Essen und Wein erläuterten Starchef Ioan Bebeșelea und Master-Sommelier Narcis Georgiu bei der Freitagmittag-Masterclass. | Fotos: Cristian Tzecu

Eli („șefa la pahare”) hat den prüfenden Blick für jedes abgetrocknete und polierte Glas, denn für die Meisterkurse galt es, über 6000 Gläser zu reinigen und glänzend auf die Tische zu bringen. Cosmin hatte Spülmaschinendienst.

Den vollsten Kurs hatten Elöd Ádám & Isidoro Vaira, als sie am Samstagabend anhand von sechs Barolo-Weinen den Einfluss von Jahrgang und Terroir demonstrierten.

Wochenende, Weinverkostung, gepflegte Unterhaltung, strahlende Gesichter, Feinschmeckertheke, Schokolade- und Kaffeestand – Genuss und Wohlbefinden so weit das Auge im Convention Center des Timioara Hotels reichte – und alles für Kinder mit Behinderungen und ihre Familien, ausgerichtet von Vereinen von Erwachsenen mit Behinderungen in freiwilliger Arbeit. Knapp 300 verschiedene Weine galt es bei Rovinhud zu verkosten; und zehn Expertenvorträge. 

Die Macher und die Philosophie

Der Temeswarer Verein Ceva-de-Spus (CDS) hat seit einigen Jahren ein „Baby“ namens Rovinhud, das in diesem Jahr zur selbstständigen Stiftung herangewachsen ist. Der Name steht seit 2014 für Weinmessen, zum einen, um gute Weine aus Rumänien und Ungarn bekannt zu machen (daher auch der Name ROvinHUd) zum anderen, um wie der namensähnliche Held von den „Reichen zu nehmen und den Armen zu geben“. 

Natürlich sind Weinliebhaber nicht unbedingt reich und die Begünstigten dieser Projekte nicht die Ärmsten, aber sie brauchen Unterstützung, um ihr volles Potenzial erreichen oder behalten zu können: Personen mit verschiedensten Behinderungen, darunter auch solche, die in staatlichen Institutionen „weggesperrt“ werden. Und gerade diese Personen stellen Jahr für Jahr ihre Fähigkeiten als Volontäre dieses professionell ausgerichteten Events unter Beweis. Mehr als die Hälfte der freiwilligen Helfer war einst auf die Hilfe anderer angewiesen, hatte mit Vorurteilen und sozialem Ausschluss aufgrund von Behinderung zu kämpfen. Umso löblicher, dass der Erlös in diesem Jahr nicht mehr ihnen selbst, sondern anderen Behinderten zu Gute kommt. 

Hinter dem Konzept steht Zoltán Szövérdfi-Szép, er ist die optimistische, idealistische, charismatische Antriebsfeder, der Mensch, der altruistisch seine Lebenszeit in dieses Herzensprojekt investiert und dabei von der NGO UnLoc unterstützt wird. Knapp 50 freiwillige Helfer bauten die Messe auf, sorgten dafür, dass für jeden der zehn Meistervorträge die Tische makellos hergerichtet, die über 6000 Gläser auf Hochglanz poliert wurden, die Aussteller, Gäste und Besucher fürsorglich betreut wurden, das Event in der Presse und in sozialen Netzwerken präsent war, dass von Rezeption, Einlass, Garderobe bis hin zum Verkaufsstand mit kreislaufwirtschaftlichen Handarbeiten, Weinbüchern, Gläsern und Zubehör, der rumänischen Weingüterkarte u. a. m. alle freundlich und prompt bedient wurden. Für eine Tanzeinlage sorgte CDS-Vorsitzende Simona Smultea mit der Tango-del-Alma-Tanzschule, denn „es geht hier nicht nur um Weine, sondern auch um Engagement, Freundschaft und andere Fähigkeiten! Musik und Wein ergänzen sich gegenseitig und bringen Menschen zusammen“.

Die Teilnehmer

Mehr als 30 Weingüter und Kellereien aus allen Regionen Rumäniens, der Republik Moldau und aus Ungarn, sowie Vertriebe von europäischen Weinen haben sich in diesem Jahr an der Benefizweinshow beteiligt. Sie haben teils ihre edelsten und neuesten Tropfen kostenlos zur Verkostung angeboten. Es sei für sie einerseits die Gelegenheit, sich gegenseitig wiederzusehen, andrerseits habe sich die Teilnahme schon allein dadurch gelohnt, wenn man seine Weine an ein neues Publikum bringen kann, die Marke, das Weingut oder sogar eine besondere Rebsorte bekannter gemacht habe. Für den guten Zweck wurden dabei nicht nur die ausgeschenkten Weine eingesetzt, sondern auch die Teilnahmegebühr und der Arbeitsaufwand. Wer es nicht zur Expo geschafft hat, kann unter mylocation.ro/rovinhud eine virtuelle Tour unternehmen, um sich die Stände anzusehen.

Die Experten

Nebst den freiwilligen Helfern (Rovinhud wird zu 100 Prozent ehrenamtlich organisiert und ausgeführt) zählen die Master of Wine und die geladenen Önologen (Weinexperten). Temeswar als Kulturhauptstadt 2023 nebenbei ein bisschen erleben zu dürfen und dabei beispielsweise die Brâncuși-Ausstellung oder Weinkeller in der Region zu besichtigen war in diesem Jahr ein besonderer Bonus für den informativen, teils humorvoll-unterhaltsamen Beitrag der Weinkenner auf hohem Niveau. Manche, wie Rosé-Expertin Elisabeth Gabbay MW (Master of Wine), die in diesem Jahr mit ihrem Sohn Ben Bernheim zwei der knapp zweistündigen Vorträge hielt, Elöd Ádám, Zoltán Kormos DipWSET (Diplomierter des Wine & Spirit Education Trust) oder Oliver Bauer sind schon fast Dauergäste des Events, und haben in diesem Jahr über spezielle Themen während der Verkostungen referiert, wie: Erfolgsgeschichten prickelnder Rosés, rumänische autochtone Rebsorten, Rioja Vielfalt oder den Einfluss von Jahrgang und Terroir beim Barolo-Wein. Mit Rod Smith und Wojciech Bonkowski konnten weitere Master of Wine gewonnen werden. Smith, der Juror bei vielen internationalen Wettbewerben ist, räumte mit dem Mythos der Minderwertigkeit von nicht in Holz gereiften Weinen anhand von zehn Proben auf, während der polnische Weinbuchautor sich mit den Besuchern über den Tokajer-Wein und seine Zukunft als trockenen Einzellagewein anhand von 12 Beispielen unterhielt. Schnell ausverkauft war der belehrend anmutende, dafür umso genüsslichere Meisterkurs „The Do‘s and Don‘ts of Food + Wine“ von Küchenchef Ioan Bebe{elea, der mit seiner Leidenschaft für hochwertige lokale Produkte und wilde Zutaten kontinuierlich daran arbeitet, alte rumänische Rezepte wieder populär zu machen und zu verfeinern, und Narcis Georgiu als Certified Sommelier des Court of Master Sommeliers.

Die gute Sache

Rovinhud ist es, „wo wir uns über den reinen Hedonismus der Weinverkostung erheben und uns an unsere Menschlichkeit erinnern“, sagte zu einer vormaligen Rovinhud-Weinmesse Elisabeth Gabbay. Und die Macher von Rovinhud wuchsen in diesem Jahr erneut über sich hinaus. Waren es in den Vorjahren Projekte, die teils den eigenen Vereinsmitgliedern zugutekamen, so entschlossen sich die Erwachsenen mit Behinderung und ihre Begleiter, den Erlös für die Therapiestunden von Kindern zu spenden. Zunächst sollten 1500 Stunden abgedeckt werden, dann hieß es 1700, der Erfolg lässt sogar auf mehr hoffen, denn es kamen über 30.000 Euro zusammen. Klingt nach viel? Kinder mit Behinderungen, seien sie motorisch oder kognitiv, brauchen täglich je nach Diagnose durchschnittlich drei bis fünf Stunden Therapien, also rund 15 bis 30 in der Woche, von denen höchstens ein bis zwei durch staatliche Unterstützung kostenlos sind. Hinzu kommen verschiedene Eingriffe, Untersuchungen, Hilfsmittel usw., die für einen rumänischen Normalverdiener unerschwinglich sind, umso mehr, wenn ein Elternteil lediglich Betreuungsgeld bekommt, weil es seine Karriere an den Nagel hängen musste, um für das Kind sorgen zu können – dies rund um die Uhr, ohne freie Wochenenden, ohne Urlaub (woher auch das Geld?!). So kommt es, dass solche Familien verarmen, um das Beste für ihr Kind zu tun. Oder aber dem Kind bleibt die Chance verwehrt, sich zu seinem vollen Potenzial zu entwickeln, zumal Frühförderung und Physiotherapie bei Babys und Kindern (da sie leichter und erfolgreicher zu rehabilitieren sind) mehr bringen als die palliative Pflege im Erwachsenenalter. Die Rovinhud-Stiftung wird voraussichtlich zu Beginn des kommenden Jahres eine Ausschreibung starten und anhand von Bewerbungen entscheiden, welche Familien gefördert werden. Die Unterstützung soll sowohl motivieren, weiterzumachen, bisherige Bemühungen anerkennen als auch Leistungen ermöglichen, für die die Mittel fehlen.