Der Patriarch als Ausführer

Eigentlich hätte man sich standesgemäß dem Heer der Kommentatoren anschließen müssen, um die Wortschöpfung des Präsidenten Johannis – „crizatorii“ – auszuschlachten, deren letztendliche Schlussfolgerung meist war: Der erste und höchste „Krisenmacher“ (so eine mögliche Eindeutschung) im Rumänien des Jahres 2021 ist der Präsident selber. Wir ziehen es aber vor, erst mal den weiteren Gang der politischen Krise in Rumänien zu beobachten und wenden uns einer „Mit-Krisenmacherin“ zu. Das ist die rumänische orthodoxe Kirche (rumänisches Kürzel: BOR) – zumindest, doch nicht nur was die Gesundheitskrise betrifft.

Cristian T. Popescu („CTP“), der Bukarester (entsprechend horrend bezahlte) Starjournalist, hat sich ein Standbild gebaut aus seiner vehementen, meist mit Bitternis vorgebrachten Kritik an dieser Kirche. Wie gerecht oder ungerecht die ist, soll dahingestellt bleiben – aber zugegeben: Der gut informierte Mann hat in vielem Recht. Dass er das Vertrauen in die BOR mit seinem konstanten Kritisieren nicht erschüttern konnte, zeigen die Umfragen: Seit Jahren steht die BOR, gemeinsam mit dem Heer, an der Spitze der vertrauenswürdigsten Institutionen. Leider gibt es aber keine ernstzunehmenden wissenschaftlichen Hinterfragungen dieser festgefahrenen öffentlichen Meinung, so dass man sie wohl oder übel mal so hinnehmen muss.

Verfolgt man aber konsequent die Meldungen, die an die Öffentlichkeit dringen – gegen welche der Sprecher der BOR, Vasile B˛nescu, beharrlich und verzweifelt, immer aus der Bedrängtenecke heraus, anredet – und beobachtet man die Reaktionen auf diese oft schockierenden Meldungen, gewinnt man den Eindruck, dass die Meinungsumfragen zur Vertrauensinstitution entweder gefälscht sind, oder glatt an der Realität vorbeischrammen. Das betrifft vor allem einige der Hierarchen der BOR, allen voran den ominösen Metropoliten und Erzbischof von Konstanza, Teodosie, der dauernd und demonstrativ die staatlich jedem Bürger gesetzten Grenzen ignoriert und frech und offensichtlich offiziell geduldet alle allgemeingültigen Regeln übertritt. Wie sonst ist zu erklären, dass ihm weder für die Falschverwendung von EU-Mitteln, noch für den Aufruf, die Pandemierestriktionen zu übertreten, noch für seinen öffentlichen Auftritt gegen das Covid-Vorbeugeimpfen auch nur eines seiner langen Barthaare gekrümmt wurde?
Die Einstellung der BOR gegenüber der Corona-Pandemie ist chaotisch, sowohl als Brotherr ihres Pfarrerheers, als auch gegenüber den Gläubigen. Eines taten die hohen Hierarchen der BOR nie: Keiner empfahl je das Vorbeugeimpfen. Klar ist, dass die BOR mit ihren rund 16.500 Kirchen und Klöstern auf rumänischem Hoheitsgebiet – sie übertrifft die Zahl der Krankenhäuser (576) um das 50fache und die Zahl der Schulen (7047) um das Zweieinhalbfache – die größte Propagandatribüne Rumäniens darstellt. Nicht umsonst sind alle Priester auf der Lohnliste des Staates und nicht zufällig werden orthodoxe Kirchen vor allem mit Haushaltsgeldern gebaut... Allein seit 1990 entstanden in Rumänien über 4000 Kirchen der BOR.

Pariarch Daniel (unter Klerikern: „Der Große Weiße“/“Marele Alb“) hat den Ruf eines exzellenten Managers und umsichtigen Wirtschafters. In Sachen Corona-Pandemie  ist er aber ein Dauer-Zögerer. Ein eindeutiges Wort seitens der BOR zum Vorbeugeimpfen hätte die bigotte Gläubigenschar zum Impfen getrieben. Es kam nicht. Nur ein Schwaches: Man möge die ärztlichen Empfehlungen befolgen.
 Was, wenn die 25.000 rumänischen BOR-Geweihten – Popen (um die 15.000), Nonnen (um die 5000) und Mönche (um 3500) – unisono das Impfen empfohlen hätten (übrigens ist keine Statistik des Impfens unter ihnen bekannt...)? Und wenn die hohen Kleriker den – wie es heißt – ursprünglich reformoffenen Patriarchen nicht in die Ecke gedrängt und zu einem Ausführer ihres konservativen Willens gemacht hätten?