Die Siedlungsgeschichte Charlottenburgs

Wie das kreisförmige Banater Dorf entstanden ist

Charlottenburg, Ansicht von Norden Fotos: privat

Die beiden von Westen nach Osten führenden Straßen würden aber dem Wassergraben entlang mitten durch das nasse Wiesengelände führen und in Richtung Süden wäre das Tal gerade an der breitesten Stelle zu überqueren. Die Ausfallstraßen mussten an den Geländegrenzen der Landschaft angepasst werden. Die nach Westen führende Straße biegt hinter dem Dorf nach rechts ab und verläuft entlang dem grundwasserfreien Berghang. Die Verbindung nach Osten in Richtung Altringen wurde um die halbe Dorfbreite nach Norden verschoben und über die nach Norden führende Straße verbunden. Das ist auf der Karte von 1784 aufgezeichnet:

Die Verbindung nach Süden wurde nie fertiggestellt. Zeitweise nutzte man die Straße nach Osten, die dann kurz nach dem Dorf in Richtung Süden abzweigte (Karten von 1775 und 1784). Ab dem Jahr 1821, 50 Jahre nach der Gründung, ist der aktuelle Grundriss erreicht: Die Straßen nach Osten und Süden sind rückgebaut, eine Straße nach Südosten durchquert das Tal an der schmalsten Stelle in Richtung Buzad.

Der Innendurchmesser, an der Häuserfront, beträgt ca. 210 Meter. Das sind 111 Wiener Klafter. Die Häusertypen waren vorgeschrieben, aber Neumann gab den Drängen der Kolonisten im Bergsautal/Berexovatal nach einer soliden Ausführung nach. Die Fundamente waren aus gebrannten, die inneren Brandmauern aus ungebrannten Ziegeln, das Fachwerk ganz aus hartem Holz, die Sturzböden mit Brettern belegt, die Giebel verschalt und das Dach mit Kornstroh gedeckt. Die Fächer der Riegelwände waren mit Weiden verflochten und dann verschmiert. Der Stubenofen wurde sogar aus regelrechten Ofenkacheln errichtet.

Das kleine Dorf Charlottenburg/[arlota im Banat, im Westen Rumäniens, wurde im Jahr 1771, zur Zeit des Spätbarocks, kreisförmig angelegt. Diese Kreisform hat sich bis heute weitgehend erhalten. Es gibt jedoch eine Vorgeschichte und der Weg vom Reißbrett bis zum heutigen Grundriss war nicht geradlinig. Die Siedlungsgeschichte lässt sich anhand historischer Karten im Vergleich zu einer aktuellen topographischen Karte gut nachvollziehen.

Der namensgebende Bergsau-Bach entspringt in den Wäldern um Lichtenwald/Comeat und Buchberg/Sintar und mündet in die Alte Bega. Die Nachbargemeinden sind Königshof/Remetea Mică, Altringen, Buzad, Aljosch/Alioș und Blumenthal/Mașloc. Verwaltungsmäßig gehört es zur Gemeinde Neuhof/Bogda im Kreis Temesch/Timiș.

Ansiedlungsphasen

In Passarowitz, dem heutigen Požarevac in Serbien, wurde am 21. Juli 1718 ein Friedensvertrag zwischen Kaiser Karl VI. und Venedig einerseits und Sultan Ahmed III. andererseits abgeschlossen. Das Osmanische Reich trat damit auch das Temeswarer Banat, nach 164 Jahren Besatzung, an Österreich ab. Es wurde als kaiserliche Kron- und Kammerdomäne der Wiener Reichsregierung unterstellt.

Die erste planmäßige Ansiedlung im Banat fand in den Jahren 1722 bis 1726 statt. Die theresianische Ansiedlung während der Herrschaft von Maria Theresia, regierende Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, erfolgte in zwei Etappen: die Frühtheresianische (1746-1752) und die Hochtheresianische (1763-1772).

In der Konskription der Banater Ortschaften von 1717, der Designation, ist im Lippovaer Distrikt das Dorf Bariza mit 19 Häusern eingetragen. In enger Verbindung damit steht die Mercysche Landkarte, die erste Landkarte nach der Eroberung des Banats, die von Eugen von Savoyen und Claudius Florimund von Mercy in Auftrag gegeben wurde und in den Jahren 1723 bis 1725 erstellt wurde. Auch darin ist ein bewohntes Dorf Bariza eingezeichnet. Die anderen Bergsau Dörfer Recasiza/Altringen, Bogdan/Bogda/Neuhof, Sintar/Buchberg und Komjet/Comeat/Lichtenwald sind unbewohnt .  

Auf der Josephinischen Landesaufnahme des Banats von 1769-1772, das erste umfassende Landkartenprojekt im Herrschaftsbereich der Habsburgermonarchie, ist Bariza nicht mehr eingezeichnet, das Tal der Berexova/Bergsau war damals unbewohnt. 

An der Stelle dieser älteren Siedlung Bariza wurde Charlottenburg im Jahr 1771 in der hochtheresianischen Ansiedlungsperiode angelegt. Der Plan war von Ludwig Reischl in Wien erstellt worden. 

Auf der Franziszischen Landesaufnahme aus dem Jahr 1864 sind dann Charlottenburg und der ursprüngliche Name Barica verzeichnet. Der Name Bari{a wird bis heute von den Bewohnern des rumänischen Nachbardorfes Buzad verwendet.

Die Gründung wurde vom Impopulationdirektor Carl Samuel Neumann Edler von Buchholt, den Wolfgang von Kempelen eingesetzt hatte, geleitet. Es wurden 30 katholische Familien, meist deutschsprachige Siedler aus dem Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation) angesiedelt.

67 Siedler kamen aus der Gegend östlich von Trient der damaligen habsburgischen Grafschaft Tirol, 12 aus Lothringen, zehn aus Baden und Württemberg, acht aus Ungarn, je sieben aus dem Rheinland und der Rheinpfalz, sechs aus Österreich, drei aus Bayern sowie Einzelpersonen aus weiteren Gebieten, insgesamt 131 Personen. Die Ansiedler bekamen 412 Joch (237 Hektar) Land. Das Dorf wurde von der Ehefrau des Präsidenten der k.k. Landesadministration Karl Ignaz Graf von Clary und Aldringen, Maria Anna Antonia, Charlottenburg genannt, wie in der Geschichte des Temeser Banats von 1864 von J. H. Schwicker überliefert. 

Grundriss des Dorfs

Als ein dem Kaiser unmittelbar unterstelltes Kronland (1718 - 1778) wurde der Absolutismus der Habsburgermonarchie zum entscheidenden Motor barocker Raumgestaltung in der neuen Provinz Banat. Hier konnten ohne nennenswerte Widerstände Ideen verwirklicht werden, die den Bereichen des Absolutismus, des staatlichen Zentralismus und der Wiener Spielart des Merkantilismus – dem Kameralismus – entsprangen. Wurden anderswo in erster Linie Städte umgestaltet und damit barocke Gesamtkunstwerke geschaffen, konnten sich die Habsburger Herrscher im Banat eine ganze Landschaft zum Denkmal setzen. 

In der hochtheresianischen Ansiedlungsperiode wurde eine Anzahl Musterpläne für bestimmte Dorfgrößen von den staatlichen Ingenieuren am Reißbrett entworfen und aufgezeichnet. Die Häuser wurden auf staatliche Kosten von Bauunternehmen ebenfalls nach einem Musterplan aufgebaut.

Man stellte Menschenwerk und Landschaft in voller Bewusstheit gegenüber. Das Ziel der Erbauer war nicht die Einordnung in die landschaftlichen Gegebenheiten, die Unterordnung, sondern die bewusste Gegenüberstellung des von Menschenhand erschaffenen, künstlichen Gebildes und der Natur. Die Dorfplätze, im geometrischen Mittelpunkt der Dörfer angeordnet, nahmen im Aufbau und in der Ausgestaltung immer mehr barocke städtische Formen an. Man betrachtete das Dorf als ein in sich ruhendes, von der Umwelt unabhängiges Ganzes. 

Die Charlottenburger Karten wurden im Jahr 1895 im Zuge des Transfers der Dokumente aus der Mappierungs Direktion der Temescher Kameral-Administration in das Ungarische Nationalarchiv übernommen. Török Enikö ist es zu verdanken dass sie 2012 veröffentlicht wurden. Mit den Karten von 1775, 1784 und 1821 kann die Entwicklung nachvollzogen werden. 

Das Dorf liegt auf dem Höhenplateau einer Talgabelung, an der talaufwärts von Königshof nach Altringen führenden Straße. Nach dem in Wien vorgefassten Plan wurde das Dorf ohne  Rücksicht auf landschaftliche Gegebenheiten nur nach geometrischen Gesichtspunkten vermessen und angelegt. Das ist im frühesten Plan von 1775 zu sehen, der der aktuellen topographischen Karte überlagert wurde:


Die beiden von Westen nach Osten führenden Straßen würden aber dem Wassergraben entlang mitten durch das nasse Wiesengelände führen und in Richtung Süden wäre das Tal gerade an der breitesten Stelle zu überqueren.

Die Ausfallstraßen mussten an den Geländegrenzen der Landschaft angepasst werden.

Die nach Westen führende Straße biegt hinter dem Dorf nach rechts ab und verläuft entlang dem grundwasserfreien Berghang. Die Verbindung nach Osten in Richtung Altringen wurde um die halbe Dorfbreite nach Norden verschoben und über die nach Norden führende Straße verbunden. Das ist auf der Karte von 1784 aufgezeichnet:

Die Verbindung nach Süden wurde nie fertiggestellt. Zeitweise nutzte man die Straße nach Osten, die dann kurz nach dem Dorf in Richtung Süden abzweigte (Karten von 1775 und 1784). 

Ab dem Jahr 1821, 50 Jahre nach der Gründung, ist der aktuelle Grundriss erreicht: Die Straßen nach Osten und Süden sind rückgebaut, eine Straße nach Südosten durchquert das Tal an der schmalsten Stelle in Richtung Buzad.

Die Aussage von Miller: „Der ausführende Landvermesser, vor allem die Maurermeister und Bauern, die Häuser und  Höfe aufbauten, ordneten sich der Landschaft unter und passten die äußeren Dorfgrenzen  den Geländegrenzen genau an, ohne Rücksicht auf die kreisrunde Form des Neumannschen  Planes“ ist dem Zeitgeist des Jahres 1947 in Weimar und der Unkenntnis der alten Karten zuzuschreiben.

Vergleich des Plans nach Griselini und dem heutigen Dorf: Der Innendurchmesser, an der Häuserfront, beträgt ca. 210 Meter. Das sind 111 Wiener Klafter. Die Häusertypen waren vorgeschrieben, aber Neumann gab den Drängen der Kolonisten im Bergsautal/Berexovatal nach einer soliden Ausführung nach.

Die Fundamente waren aus gebrannten, die inneren Brandmauern aus ungebrannten Ziegeln, das Fachwerk ganz aus hartem Holz, die Sturzböden mit Brettern belegt, die Giebel verschalt und das Dach mit Kornstroh gedeckt. Die Fächer der Riegelwände waren mit Weiden verflochten und dann verschmiert. Der Stubenofen wurde sogar aus regelrechten Ofenkacheln errichtet.

Franz Griselini schrieb im Jahre 1780: „Die Anlage von Charlottenburg, welches einen Kreis um eine im Mittelpunkte befindliche Maulbeerpflanzung macht, will mir besonders gefallen. Übrigens bestehen die Wände der Häuser aus Flechten, welche mit einer zähen Tonerde überkleidet sind, und dem festesten Mauerwerk an Härte gleich werden; oder sie sind auch ganz aus dieser Erde, mit Streu gemengt aufgebaut. Ihre Dächer sind teils aus Stroh, teils aus dem Röhricht des türkischen Korns (Zea mays, in der Landessprache Kukuruz) zusammengefügt. Ein Schlafzimmer und eine Küche machen die Teile des Hauses; einige haben auch drei Abteilungen. Jedes Haus hat einen Garten, nebst einem Dach für die Ackergeräte, und den nötigen Viehställen“.

Die genaue Lage von Bariza ist auf keiner Karte zu finden. Auf der Josephinischen Landesaufnahme gibt es auf der Straße von Königshof nach Altringen eine direkte Abzweigung nach Buzad, ohne den aktuellen Umweg über das Runddorf. Nördlich der Straße ist Wald eingezeichnet. Es liegt nahe, dass die 19 Häuser aus der Zeit der Konskription als Straßendorf auf dem Höhenplateau, auf dem später Charlottenburg gebaut wurde, in Richtung Buzad standen. Dies entspräche auch dem Siedlungssystem von Neumann, der die Methode der Zusiedlung befürwortete.


Die topografischen Karten wurden aus Open Street Map Daten hergestellt.