„Dinge bewegen – durch Jugendliche, die wir zusammenbringen“

Luana und Julian, Jugendbotschafter beim Demokratischen Forum der Deutschen in Hermannstadt

Das Juniorbotschafterprogramm des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt wurde 2021 ins Leben gerufen und ist im Herbst 2022 in die zweite Runde gegangen: Seit vier Monaten üben Luana Maria Tintea und Julian Gräupner ihr neues Amt am DFDH aus. Julian Gräupner ist seit letzten Sommer in Siebenbürgen und auf den Spuren seiner Vorfahren unterwegs. Luana Maria Tintea ist Schülerin der Brukenthalschule und in der Tanzgruppe des Jugendforums aktiv. Auch dadurch war sie motiviert, die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft näher kennenzulernen. Zweimal pro Woche sind die beiden im Forum und bekommen unter der Leitung der Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), Anne Herrmann, Einblicke in die Kultur- sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Jahr lang begleiten die Jugendlichen die Forumsarbeit und erhalten im Rahmen des Programms die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen und eigene Projekte umzusetzen. ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht befragt sie nach ihren Eindrücken und Erfahrungen.

Wie habt Ihr vom Juniorbotschafterprogramm erfahren?

Julian: Ich habe im Rahmen des „Siebenbürgischen Kultursommers“ an der Praktikumsbörse teilgenommen. Da gab es verschiedene Stände im Forum, die über Praktikumsmöglichkeiten von Vereinen und Institutionen in der Region informiert haben. Dort habe ich das Programm kennengelernt und mich anschließend dazu entschieden, mich zu bewerben.

Luana: Ich habe von dem Programm durch eine Lehrerin erfahren, die uns auch Anne Herrmann, die ifa-Kulturmanagerin am DFDH, vorgestellt hat, die uns jetzt betreut. Sie haben bei uns in der Schule dafür Werbung gemacht. Anschließend habe ich mich beworben – und es hat geklappt!

Was hat euch motiviert, euch zu bewerben?

Luana: Ich wollte außerhalb der Schule kreativ werden und habe gesehen, dass am Forum viele tolle Projekte stattfinden. Im Sommer habe ich mich in die Tanzgruppe eingeschrieben. Bei mehreren Sommerlagern des Forums war ich bereits mit dabei. Über die Projekte des Forums wollte ich mehr erfahren, auch weil ich finde, dass sie einzigartig in Hermannstadt sind. Daran wollte ich mitwirken und ein Teil davon werden.

Julian: Ich habe gesehen, dass es den Trend gibt, dass die jungen Leute nach ihrem Schulabschluss nicht länger in Hermannstadt bleiben wollen und dann zum Beispiel nach Deutschland gehen. Viele Jugendliche sehen hier keine guten Möglichkeiten für sich. Deswegen wollte ich mich dafür engagieren, dass man gemeinsam mit dem Forum wieder mehr Jugendliche gewinnt, mehr Perspektiven aufzeigt und ein „Gemeinschafts-“ oder „Heimatgefühl“ schafft. Damit es auch hier weiterhin eine deutsche Schule gibt oder deutsche Studiengänge existieren können – und man weiter für diese Institutionen Verantwortung übernehmen kann.

Ihr seid jetzt seit November 2022 mit dabei. Wie habt Ihr die erste Zeit am Forum Hermannstadt erlebt? 

Julian: Wir konnten unsere Ideen bisher einbringen und verwirklichen und uns auch im Bereich Social-Media austoben. Es ist toll, dass wir hier unsere eigenen Projekte machen dürfen.

Luana: Ich habe die Zeit sehr positiv wahrgenommen. Am Anfang hatten wir ziemlich viele Ideen. Man hat uns ernst genommen mit unseren Vorschlägen und uns Hilfestellungen bei der Gestaltung gegeben. Als wir gesagt haben, dass wir einen Podcast machen möchten, wurden wir dabei unterstützt. Und wir konnten auch direkt bei einigen Veranstaltungen des Forums dabei sein.

Arbeitet Ihr auch mit dem Siebenbürgenforum und dem Landesforum zusammen?

Luana: Als wir das Konzept zu unserem Podcast geschrieben haben, haben wir uns bei verschiedenen Ansprechpartnern Rat und Inspiration geholt. Zusammen mit der Kulturmanagerin haben wir das Konzept dazu geschrieben und die Tipps aller Ansprechpartner eingebaut.

Julian: Mit den anderen Forumsebenen diskutieren wir auch – zum Beispiel darüber, wie man mehr Jugendliche gewinnen kann. 

Welche Projekte habt ihr gerade in Arbeit?

Julian: Wir begleiten die Veranstaltungen des Lokalforums. Bei den Hermannstädter Gesprächen, dem traditionellen Urzellauf in Agnetheln, dem Forumsclub oder dem Treffen junger Siebenbürger in Freck waren wir schon dabei.

Luana: Wichtig ist auch der Podcast, mit dem wir Menschen in den Fokus nehmen wollen, die hier in Siebenbürgen tolle Ideen umsetzen.

Julian: Der Podcast richtet sich an alle jungen Siebenbürger, die etwas über ihre Wurzeln oder ihre Identität lernen wollen. Der Podcast heißt „Zu.Gedacht“, weil wir die Zukunft neu denken wollen. Wir möchten über Themen sprechen, die den Zeitgeist spiegeln. Unsere Zielgruppe sind junge Siebenbürger, die auf eine deutsche Schule gehen oder bei den Foren aktiv sind.

Luana: Wir wollen hier unterschiedliche Themen besprechen, aus dem Bereich Soziales oder dem Bereich Geschichte. Gleichzeitig ist es uns wichtig – wie jetzt in unserer ersten Folge – Menschen mit tollen Initiativen zu zeigen, die etwas erreicht haben und die Vorbildcharakter für andere Jugendliche haben können…

Julian: ...zum Beispiel Start-Ups und Innovationen. Wir wollen mit dem Format auf die in Siebenbürgen bestehenden Möglichkeiten aufmerksam machen, indem diese Menschen ihre Institution oder ihr Projekt vorstellen…

Luana: ...um auch eine optimistische Perspektive der Situation hier in Hermannstadt zu zeigen.

Gibt es ein Projekt, das euch besonders wichtig ist?

Julian: Ich finde es toll, dass uns das Programm die Möglichkeit gibt, mit Museen, Schulen oder Theatergruppen zu kooperieren. Deswegen gibt es auch die Idee, längerfristig mit mehreren Theatern aus verschiedenen Ländern eine Theatergruppe ins Leben zu rufen.

Luana: Dabei soll auch das Thema Inklusion eine Rolle spielen. Zum Schluss möchten wir in Hermannstadt ein Theaterstück auf die Bühne bringen. Und vielleicht wird man dann auch in Rumänien beginnen, über das Thema „Behinderung“ anders nachzudenken.

Gibt es etwas, das euch überrascht hat? 

Luana: Die Offenheit. Ich hatte es mir etwas strenger vorgestellt und habe gedacht, dass nicht so sehr auf unsere Ideen eingegangen werden wird. Aber im Gegenteil: Wir stießen auf offene Ohren.

Julian: Das habe ich auch so empfunden – die Kommunikation war sehr angenehm.

Welche Rolle spielen für euch die deutsche und die rumänische Sprache, beziehungsweise der siebenbürgisch-sächsische Dialekt?

Julian: Ich habe Freunde, die Sächsisch können. Leider kann ich es nicht mehr sprechen, aber ich verstehe alles. Für mich ist das Siebenbürgisch-Sächsische etwas sehr Vertrautes, Verbindendes. Rumänisch kann ich noch nicht.

Luana: Meine Muttersprache ist Rumänisch und für mich ist es am einfachsten, mich auf Rumänisch auszudrücken. Deutsch lerne ich seit dem Kindergarten. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, Deutsch in der Schule zu lernen, weil es mir bis jetzt sehr viele Chancen eröffnet hat. Mit dem sächsischen Dialekt war ich bisher noch nicht in Kontakt.

Was macht euch besonders Spaß?

Julian: Leute zu Veranstaltungen einzuladen, die ich vorher mit organisiert habe.

Luana: Bis jetzt hat es mir auch sehr gefallen, die Veranstaltungen zu begleiten – zum Beispiel den Urzellauf. Darüber haben wir ein Video gemacht. Beim Podcast hat es mir Spaß gemacht, alle Schritte zu planen – Konzept schreiben, Zielgruppe definieren, Titel finden, Logo festlegen…

Julian: Man lernt etwas über Projektmanagement, über interkulturellen Austausch – und es sind auch journalistische Elemente dabei.

Luana: Und man lernt, dass man manchmal mit seinen Projekten abhängig von anderen Menschen ist. Man muss auch daran denken, wann und in welchem Umfang andere Zeit haben. Dann plant man besser mit einigen Monaten Vorlauf voraus.

Welche Projekte sind in eurer Amtszeit noch geplant? 

Julian: Es steht noch nicht alles fest – Kooperationen mit Theatern und Museen sind in Planung. Wir werden auch bei der Umsetzung des Holzstockfestivals dabei sein. Eventuell machen wir ein Projekt zum Thema Nachhaltigkeit.

Luana: Vielleicht setzen wir einen Workshop in Kooperation mit dem neuen Museum der Buchdruckkunst in Hermannstadt um.

Gibt es etwas, was Ihr gelernt oder schon mitgenommen habt nach 4 Monaten?

Luana: Wie man ein Projekt von Anfang bis Ende plant und gestaltet. Ich habe gelernt, dass man an vieles denken muss und nichts in zu kurzer Zeit machen sollte, weil man sonst nicht die gewünschte Qualität erhält. Dabei unterstützt uns auch die ifa-Kulturmanagerin.

Julian: Ich habe eine Menge Kontakte geknüpft. Sei es im Forum oder auch in der Evangelischen Kirchengemeinde oder in den kleinen Ortschaften in Siebenbürgen.

Wie seht Ihr die deutsche Minderheit in Siebenbürgen?

Julian: Sehr fleißig und herzlich. Sie haben fundamentale Werte, eine starke Identität und ein starkes Traditionsbewusstsein. Ohne all dies wären sie nicht hier geblieben.

Luana: Die sächsische Gemeinschaft hat einen guten Ruf in der rumänischen Mehrheitsgesellschaft. Sie pflegt ihre Traditionen und ihre Kultur. Es ist keine sehr große Gemeinschaft, aber dafür gibt es einen starken Zusammenhalt. Die Gemeinschaft ist sehr offen. Das Interessante ist, dass hier Projekte stattfinden, die in der rumänischen Gemeinschaft weniger vorkommen: Zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeit. Da kann und muss in Rumänien noch viel getan werden, um die Situation zu verbessern. Aber Hermannstadt ist da im Vergleich zu anderen Städten fortschrittlich, mit elektrischen Bussen oder der Mülltrennung.

Julian: Ich finde es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass – nur weil die eigene Stadt sauber ist – das nicht bedeutet, dass man selbst nachhaltig lebt und wenig Müll produziert. Das Thema fehlt in der Schulbildung.

Luana:  In den Schulen wird zwar darüber gesprochen, aber ein Beispiel: Wir trennen etwa in der Schule den Müll nicht. Es wäre aber ganz einfach, das einzuführen. Nach und nach wird es aber sicher zu Veränderungen kommen.

Hat sich euer Bild von der Minderheit seit eurer Tätigkeit am Forum verändert?

Luana: Ich wusste schon, dass die deutsche Gemeinschaft so etwas wie eine größere Familie ist, aber ich habe nicht erwartet, dass das auch im Forum so ist. Auch außerhalb des Forums in ihrer Freizeit verbringen die Leute zusammen Zeit.

Julian: Das Interesse an den Jugendlichen ist größer und die Kommunikation ist einfacher, als ich angenommen hatte – auch insgesamt in der Gemeinschaft, nicht nur im Forum. Die allgemeine Gastfreundlichkeit hat mich überrascht, weil man mich hier ja noch nicht kannte.

Was wünscht Ihr euch für eure Zeit als Juniorbotschafter?

Julian: Ich wünsche mir, eigene Projekte durchzuführen und im Idealfall eine Gruppe zu bilden, die gemeinsam etwas erarbeitet und präsentiert, so wie die Tanzgruppe des Forums auch. Zum Beispiel ein Theaterstück, einen Literaturkreis, der ein Buch herausgibt oder eine Gruppe, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Und dass ich eine Art Empfänger bin – nicht umsonst tragen wir den Titel „Juniorbotschafter“ – für Leute aus Deutschland, die das Forum wahrnehmen und sich hier gut aufgenommen fühlen. Ich wünsche mir, dass wir das Forum auch für Besucher gut repräsentieren können.

Luana: Da geht es mir ganz ähnlich. Auf diese Weise eröffnen sich dann auch Möglichkeiten für Jugendliche wie mich, die Deutsch gelernt haben und sich für die Minderheit interessieren. Ich wünsche mir, Dinge zusammen mit einer solchen Gruppe zu bewegen, die wir durch unsere Projekte zusammenbringen.