Ein guter Hirte

Bischof Reinhart Guib

„Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.“ (Ps.23,2-3) Jesus spricht: „ Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ (Joh.10,27-28)

Liebe Schwestern und Brüder!

Der 23. Psalm und die Worte vom guten Hirten aus dem Johannesevangelium gehören zu den bekanntesten Bibelworten überhaupt. Sie gehen unter die Haut, weil wir wohl alle das Bedürfnis nach Geborgenheit haben und ein behütetes und beschütztes Leben führen wollen.                               

Die Wirklichkeit sieht aber leider oft anders aus. Kaum ist die Pandemie etwas abgeklungen müssen wir uns auf neue Umstände einstellen. Wir sehen uns am Rande eines Kriegsgebietes und sind gefordert, darauf zu reagieren, mit einem Gedankenprozess, mit Gebeten, Spenden- und Hilfsaktionen verschiedenster Art.  Das kostet mentale und physische Kraft, starke Nerven, Empathie, Geduld, Ausdauer und viel Menschenliebe.

Dabei können die heutigen Bibelworte  eine Hilfe sein. Sie erinnern uns an eines der ältesten Bilder der Menschheit: das Bild vom Hirten und seiner Herde. Ein Bild das Ruhe und Sicherheit ausstrahlt. Zum einen ist da die Herde, die sich auf ihren Hirten verlassen kann. Zum anderen der Hirte, der weiß, was sie braucht. Er ist bereit, die Herde vor Gefahren und Feinden zu beschützen. Im Extremfall setzt er sich mit seinem Leben dafür ein.

Ein oberflächlicher Blick auf die Herde kann den Anschein erwecken, dass da eine Ansammlung gleicher Tiere ist, die kaum voneinander zu unterscheiden sind. Ein schlechter Hirte kümmert sich nicht um jedes einzelne Schaf. Ein guter Hirte aber ist da ganz anders. Er kennt jedes einzelne Schaf genau, seine Ängste und Bedürfnisse, seine Zacken und Macken, seine Schwächen und Stärken; und nimmt sie ernst und geht auf sie ein.

Solch ein guter Hirte ist Jesus Christus. Er weiß nicht nur um uns, sondern kennt uns ganz persönlich, durch und durch. Und noch mehr: Er liebt uns. Auch unseren Kollegen, unseren ukrainischen Nachbarn, sogar den russischen Soldaten. Er hat das mit seinem Leiden und Sterben am Kreuz für uns erwiesen. Seit seiner Auferstehung gilt, dass uns nichts und niemand aus seiner Hand reißen kann. Das kann und will unsere positiven Kräfte, Kräfte die dem Leben dienen, freisetzen. Darauf kommt es jetzt an.