Erholung noch lange nicht in Sicht

Inlandsreisen sichern halbwegs ein Überleben der Tourismus-Branche

Alexandru Ujupan von Carpathian Travel Center. Foto: privat

Für einen etwas längeren Aufenthalt bieten die historischen Regionen (hier die Bukowina) atemberaubende Landschaften, Tradition und einmalige kulinarische Erlebnisse an. Foto: Carpathian Travel Center / Sorin Onişor

Wie die allermeisten Wirtschaftsteilnehmer in allen Bereichen, von der Industrie und bis hin zur Kultur, musste auch der Tourismus in Hermannstadt/Sibiu aufgrund der Coronavirus-Pandemie schwere Schläge einstecken. Manchen Tourismusunternehmern gelang es, die Verluste einzudämmen und kreative Lösungen zur zumindest teilweisen Rettung von Arbeitsplätzen und der Geschäftszahlen zu finden. Andere wiederum mussten einsehen, dass eine wenigstens vorübergehende Einstellung der Tätigkeit unvermeidbar ist. Über die 2020 verzeichneten Folgen der Coronavirus-Pandemie auf den Tourismus in und um Hermannstadt sowie den aktuellen Ausblick sprach der ADZ-Redakteur Vlad Popa mit Alexandru Ujupan, Inhaber des Hermannstädter Reiseunternehmens „Carpathian Travel Center“.


Kann zurzeit noch von Tourismus in Hermannstadt die Rede sein? Wie ist der allgemeine Zustand der Tourismusgesellschaften, und wird die Stadt aktuell besucht?

Ja, es wird Tourismus in der Stadt betrieben, aber ausgesprochen wenig. Wenn wir das mit dem Jahr 2019 und den ersten Monaten 2020 vergleichen, ist allgemein um etwa 83 Prozent weniger Tätigkeit zu verzeichnen. Hermannstadt ist in Rumänien als die Stadt der Events und Veranstaltungen bekannt. Da 2020 fast keine Veranstaltungen organisiert werden durften, hatte auch der Tourismus einen starken Rückgang hinzunehmen.

Die einzige Art Tourismus, die 2020 betrieben werden konnte, war der Inlandstourismus, aber hier haben die Gäste im Durchschnitt anderthalb Nächte in Hermannstadt verbracht im Vergleich zu den mit den Veranstaltungen verbundenen Aufenthalten in der Vergangenheit, bei denen es auf einen Mittelwert von 2,8 bis 3,5 Nächte kam. Auch die Restaurants mussten schließen, und manche führen nun Berechnungen durch, um zu ermitteln, ob es Sinn macht, bei einer auf 30 Prozent beschränkten Kapazität überhaupt noch zu öffnen oder nicht.

Da die meisten Flüge zum und ab dem Internationalen Flughafen Hermannstadt storniert wurden, ist auch der Incoming-Tourismus (ausländische Gäste, die nach Rumänien reisen) stark gefallen, um rund 92% im Jahr 2020. Sogar unsere Siebenbürger Sachsen sind nicht mehr im Sommer in die alte Heimat gekommen, oder ganz wenige, und das hatte auch eine besonders starke Auswirkung auf die Tourismusbranche (z.B. keine Flugtickets, keine Mietwagen, keine Übernachtungen, keine Mahlzeiten, u. a.).

Wie kann der lokale Tourismus von städtischer bzw. staatlicher Seite unterstützt werden?

Auch im Jahr 2021 wird fast nur Inlandstourismus betrieben werden können. Somit wäre es gut, wenn die Stadt und der Kreis Hermannstadt mehr für das Reisen in die Region Hermannstadt werben würden. Diese Werbung sollte in den rumänischen Großstädten, die über 280 Kilometer von Hermannstadt entfernt sind, betrieben werden, was diese Gäste dazu bewegen würde, nicht nur einen Tagesausflug nach Hermannstadt zu unternehmen, sondern auch hier zu übernachten.

Was die rumänische Regierung anbelangt, sollte sie so schnell wie möglich das versprochene Programm zur Unterstützung der Tourismus- und Gastronomieindustrie (HORECA) umsetzen. Sollten diese Hilfen erst im Juni bis Dezember 2021 kommen, wonach es zurzeit aussieht, kann das für die meisten schon zu spät sein.

Wie passiert das zurzeit und wo besteht noch Nachholbedarf?

Die Stadt Hermannstadt hat für die Tourismusindustrie bereits einige Maßnahmen getroffen, wie zum Beispiel die Ermäßigung der Parkplatzgebühren, der Hotel-steuer oder der Mietpreise für die Flächen, auf denen Terrassen aufgestellt werden dürfen.

Der rumänische Staat hat einige Programme für die Wiederbelebung der Marktwirtschaft 2020 gestartet, aber diese sind zurzeit blockiert. Leider reichen diese Maßnahmen nicht aus, die ganze Industrie verzeichnet zurzeit einen Verlust von über sieben Milliarden Euro, und über 100.000 Angestellte in der Branche waren gezwungen, eine alternative Beschäftigung zu finden. Wenn bald keine weiteren Maßnahmen getroffen werden, könnte es dazu kommen, dass über 15.000 Hotels, Restaurants und Reisebüros in Insolvenz gehen müssen.

Welche Auflagen haben die Tourismusgesellschaften bzw. die Reisenden zu erfüllen? Können Sie einige Beispiele anführen?

Wenn man außerhalb Rumäniens reisen will, muss man sich immer zuerst erkundigen, wie die Situation im Reiseland ist; die Situation ändert sich täglich und man kann nicht länger als sieben bis 14 Tage im Voraus planen. In dieser Zeit und auch im kommenden Jahr werden wir halt „last minute“ reisen müssen. In den meisten Staaten ist ein PCR-Test erforderlich. Das soll das Reisen nicht verhindern, sondern zu seiner allgemeinen Sicherheit beitragen.
Reisen die Hermannstädter auch in der kalten Saison? Wenn ja, wohin?

Manche Hermannstädter, aber nicht allzu viele, reisen zurzeit in warme Ecken, wie die Malediven, die Insel Sansibar oder auch Ägypten. Die meisten wären gerne, wie jeden Winter, zum Skifahren nach Österreich gefahren; da aber zurzeit alles dicht ist in Österreich, bleiben die meisten dieses Jahr  im Land.

Wie sehen die Prognosen für den Tourismusbereich im laufenden Jahr aus?

Auch 2021 wird man wie 2020 reisen können, unter Einhalten bestimmter Regeln. Die meisten Urlauber werden im eigenen Land reisen. Der Incoming-Tourismus wird erst in zwei bis vier Jahren wieder die gewohnten Zahlen erreichen.

Herr Ujupan, vielen Dank für das Gespräch!