EU-Reform für Minderheitenschutz

Ein neuer Weg zur Gleichberechtigung

Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (MIDAS) wurde 2001 auf Vorschlag der Chefredakteure von Tageszeitungen gegründet, die in Minderheiten- oder Regionalsprachen erscheinen. Ziel war es, ihre Strategien zu koordinieren und die Zusammenarbeit in den Bereichen Informationsaustausch, Druck und Marketing zu fördern. Inzwischen haben sich 27 Zeitungen aus 12 verschiedenen Ländern MIDAS angeschlossen. Die derzeitige Präsidentin ist Edita Slezáková.

Ein Bericht des EU-Parlaments könnte für Menschen in Minderheiten und in Grenzregionen weitreichende Folgen haben. Die Europäische Union könnte durch neue Verträge zum Anwalt von Mehrsprachigkeit, grenzüberschreitender Bildung und Schutz von Minderheiten werden, sagt der Jurist Thomas Hieber. Die Chancen, dass es klappt, stünden gar nicht mal schlecht.

Ein neu veröffentlichter Reformbericht des Europäischen Parlaments könnte eine Wende im Schutz von Minderheiten in Europa markieren. Bisher hat die EU in ihren Mitgliedstaaten, von Dänemark bis Ungarn, nicht überwacht, ob die Rechte nationaler Minderheiten eingehalten werden.

Das Europäische Parlament strebt nun wichtige Änderungen an: Minderheiten sollen nicht mehr von nationalen Regierungen abhängig sein, sondern künftig auch durch Rechtsakte der EU geschützt werden. Die Abgeordneten haben das Gesamtpaket der Vertragsänderungen verabschiedet.

Große Chancen für Minderheiten und Grenzregionen

Thomas Hieber, Jurist und Experte für Europarecht, erläutert im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“, dass die geplanten Reformen den Alltag von Minderheiten in Europa maßgeblich beeinflussen könnten.

Als Folge müsste die EU unter anderem der Europäischen Sprachencharta und dem Rahmenübereinkommen beitreten und deren Ziele verwirklichen. Heißt im Klartext, dass Schutz und Förderung von Minderheitensprachen Auftrag der EU werden.

Hieber, der den europäischen Minderheitenverband FUEN vertritt, betont: „Wenn der Bericht vom Europäischen Parlament angenommen wird, wird sich der Europäische Rat mit der Frage befassen, ob er auf dieser Grundlage einen Konvent einberuft.“

Dies ist bei maßgeblichen Änderungen der EU-Verträge nötig. Und Hieber sieht Potenzial, dass bisherige Blockaden für Minderheitenschutz auf EU-Ebene abgeschafft werden, wenn auf einem solchen Konvent Einigung erreicht wird. „Ganz zentral ist auch die Stärkung der Institutionen, das heißt in vielen Bereichen der Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zum Mehrheitsprinzip“, so Hieber.

Auch dies könnte dem Minderheitenschutz in die Karten spielen, weil einzelne Regierungen, die sich bislang widersetzen, nicht mehr alles blockieren könnten.

Dass Europa sich mit Vertragsänderungen auch gegen antieuropäische und oft minderheitenfeindliche Bewegungen absichern kann, sieht auch die EU-Abgeordnete und sozialdemokratische Verhandlungsführerin im Verfassungsausschuss, Gabriele Bischoff: „Schließlich erleben wir in ganz Europa den Aufstieg rechtsnationaler Parteien, die alle eines gemeinsam haben: Sie wollen die EU untergraben und zerschlagen. Indem wir die Verträge verbessern, können wir die Zukunft Europas sichern und bessere Ergebnisse für die europäischen Bürgerinnen und Bürger erzielen“, schreibt sie in einer Pressemitteilung.

Diskriminierung bekämpfen – Vielfalt fördern

Hieber bemängelt entsprechend, dass die vorhandenen Regelungen kaum praktische Bedeutung haben. „Sprachliche und nationale Minderheiten haben kaum Berücksichtigung gefunden im Primärrecht“, so Hieber.

Würde der Bericht erfolgreich umgesetzt werden, könnten nicht nur Diskriminierungen effektiver bekämpft, sondern auch die sprachliche Vielfalt stärker durch konkrete rechtliche Maßnahmen gefördert werden.

Ein anschauliches Beispiel für die praktische Relevanz der Reform ist der Gesundheitsschutz, der nach der Covid-Pandemie weiter gestärkt werden soll. Es wäre dann beispielsweise denkbar, dass bei künftigen Pandemien auf der Grundlage von EU-Maßnahmen auch Informationen in Minderheitensprachen zur Verfügung gestellt werden könnten.
Der Anwalt erklärt weiter, dass der Bericht auch in Grenzregionen Hoffnung weckt, dass der grenzüberschreitende Alltag erleichtert wird. Denn auch im Bildungsbereich und bei der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit würde sich eine solche Reform auswirken, so Hieber.

Seit dem Vertrag von Lissabon 2009 gehört der Schutz von Minderheiten zwar zu den Grundwerten der EU. Allerdings hat die EU bislang noch keine Regeln erlassen, die sich spezifisch den Anliegen der Minderheiten widmen.

Langer Weg ins Ziel

Zugleich sei es noch ein langer Weg, bis der Bericht des Parlaments Realität wird. Denn der Prozess ist komplex. Das Vertragsänderungsverfahren kann sich über Jahre hinziehen.
Wichtig sei es nun, Überzeugungsarbeit in den Mitgliedstaaten zu leisten und die Debatte über die Notwendigkeit von Vertragsänderungen zu führen.

„Es ist eine sehr komplexe politische Organisation, die Europäische Union. Aber sie prägt den Alltag der Menschen so viel mehr, als es den meisten bewusst ist“, so Hieber.
Der Reformbericht eröffne eine historische Chance, den Schutz von Minderheiten in der EU zu stärken und ihre Rechte effektiv in die europäischen Verträge zu integrieren.


„Der Nordschleswiger“ ist das deutschsprachige Medienhaus in Dänemark. Herausgeber ist der Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN). Der BDN ist der Dachverband der deutschen Minderheit in Dänemark. „Der Nordschleswiger“ wurde 1946 als erste freie deutschsprachige Zeitung in Westeuropa gegründet und erschien zunächst als Wochenzeitung. Ab 1951 wurde er bis zur Digitalisierung im Februar 2021 als Tageszeitung herausgegeben, seither ist „Der Nordschleswiger“ ein Online-Medium – kostenlos abrufbar unter www.nordschleswiger.dk. Die Hauptredaktion hat ihren Sitz in Apenrade (Aabenraa), Lokalredaktionen gibt es in Apenrade (Aabenraa), Tingleff (Tinglev), Hadersleben (Haderlslev), Sonderburg (Sřnderborg) und Tondern (Třnder).