Film ist nicht tot

Auflage Acht von „Ceau, Cinema!“ in diesen Tagen in Temeswar

Wassermelone als Filmrolle: Die „Ceau,Cinema!“-Trophäe wurde von Lia Pfeiffer konzipiert.
Foto:Ceau,Cinema!

Ganz rebellisch gibt sich die achte Auflage von „Ceau, Cinema!“ mit der plakativen Botschaft „Film is not dead”, was im Grunde niemand behauptet hat, auch wenn selbst die großen Cineplexx-Kinos sich vor der Corona-Pandemie beugen mussten und kaum noch Filmvorführungen gestatteten. Ein Problem, das „Ceau, Cinema!“ nicht hatte. Es gab kein Versäumnis. Auch im Corona-Jahr 2020 fand das beliebte Filmfestival in Temeswar statt, wenn auch spärlich besucht. 

Doch dieses Jahr soll es eine Rückkehr zu alter Spitzenform werden. Darum auch das Punk-Motiv und die großen Statements. Es geht schließlich nicht nur um die Erfolgsgeschichte eines lokalen Filmfestivals, sondern auch um die sehnsüchtige Rückkehr zur Normalität. Man möchte gerne 2020 ausklammern und wieder zurück zu einer Zeit davor gehen, als Covid-19 nicht der große Spaßverderber war. 

Und das geht leider nur bedingt. Denn die achte Auflage ist in erster Linie für Cineasten reserviert, die sich einer erfolgreichen Impfung unterzogen oder zumindest Covid überstanden haben. Wer weder das eine noch das andere vorweisen kann, muss Zuhause bleiben. Schnelle Corona-Tests sollen sicherstellen, dass Besucher tatsächlich Corona-frei sind.

Das Identitätsdesign von Teil acht, welches der Künstler Benedek Levente konzipiert hat, schreit nach Punk und unfreiwillig den Werten dieser Bewegung: eine klare Abgrenzung sowohl vom Establishment als auch der Gegenkultur. Welche in diesem Fall die großen Multi-plextheater bzw. andere unabhängige Filmfestivals darstellen. 

Volles Programm

Das Festivalprogramm ist randvoll mit Veranstaltungen. Es werden 15 Filme gezeigt, zahlreiche Gäste sind eingeladen. Mit Ausnahme eines Exkurs ins französische Kino mit einem Kurzfilmabend, welcher gestern Abend stattfand, sind alle vorgestellten Filme rumänische Produktionen. 

Die diesjährige Auflage findet an zwei Veranstaltungsorten statt: Im Sommergarten „Capitol” sowie im Hof des neuen Kulturtreffpunkts „Faber”. 

Noch heute und morgen können Temeswarer an dem beliebten Sommerfestival teilnehmen. Neben den Filmvorführungen werden auch Werkstätten für Kinder angeboten. 
Gleich zwei neue Radu-Jude-Filme werden gezeigt: Heute Abend wird die preisgekrönte Komödie „Babardeală cu bucluc sau porno balamuc” gezeigt. Der Film erhielt 2020 den Goldenen Bären bei der Berlinale. Eine der Hauptdarstellerinnen ist die Temeswarer Schauspielerin Claudia Ieremia, die als Gast für Publikumfragen zur Verfügung stehen wird. Judes Gesellschaftssatire behandelt große Tabuthemen wie Fetischismus, Pornographie und wirft Fragen darüber auf, was im Schlafzimmer normal ist und was nicht. Es geht aber auch um den Einfluss sozialer Medien auf die eigene Privatsphäre und der Frage nach der individuellen Identität. Auf jeden Fall ein Höhepunkt der diesjährigen Auflage. Der Film wird heute Abend um 22 Uhr im Faber-Innenhof gezeigt. 

Zeitgleich wird Ruxandra Ghi]escus „Otto Barbarul“ im Sommergarten „Capitol” gezeigt. Der Film steht ganz im Sinne des diesjährigen Themas „Punk”: Der 17-jährige Otto muss sich mit dem Tod seiner Freundin Laura auseinandersetzen. Der junge Punk muss sich nicht nur mit dem Verlust konfrontieren, es kommt auch zu einer Untersuchung des Vorfalls. Der Sozialarbeiter Costin versucht einen Weg zu finden, zu dem Jugendlichen durchzudringen. Es ist der Debütfilm von Ruxandra Ghi]escu. Die Nikolaus Lenau-Absolventin Ioana Bugarin spielt die verstorbene Laura. Sie wird auch als Gast zusammen mit der Regisseurin sowie der Produzentin Anda Ionescu für Publikumsfragen anwesend sein. 

Morgen wird um 17 Uhr der zweite Film von Radu Jude gezeigt: “Ieşirea trenurilor din gar²”, ein Dokumentarfilm im Stil von Ken Burns bestehend aus alten Fotos und gescannten Dokumenten, welche das Pogrom von Iaşi/Jassy dokumentieren. Der Dokumentarfilm wird im Faber-Innenhof gezeigt. 

Der Abschlussabend steht im Zeichen des Dokumentarfilms: Mit Swamp City erkunden Bogdan Pu{lenghea und Ovidiu Zimcea die rumänische Underground-Musikszene mit Fokus auf Temeswar, die sich nach der Wende bildete. Sie beleuchten die Bedeutung der Musik, die vom Mainstream abwich und die Lebensweise der Menschen, die diese Form von Musik als Flucht vor der alten Ideo-logie suchten. Swamp City wird ab 22 Uhr im Faber-Innenhof gezeigt. Zeitgleich wird im Sommergarten der Dokumentarfilm „Holy Father” vorgestellt. Andrei D²sc²lescu erzählt über seine eigene Beziehung zum Vater, der Mönch ist, seine Rollenfindung als werdender Vater und darüber, was Familie generationsübergreifend bedeutet. 

Reicher rumänischer Film

Im Rahmen von „Ceau, Cinema“! Findet auch dieses Jahr ein Wettbewerb statt. Sechs Filme werden von einer Jury bewertet: die Filme „Casa de Păpuşi“ (Tudor Platon), „Mia îţi ratează răzbu-narea“ (Bogdan Theodor Olteanu), „Noi împotriva noastră“ (Andra Tarara), „Otto Barbarul“ (Ruxandra Ghi]escu) und „Spirala“ (Cecila Felmeri). Die Grafikdesignerin und Puppenmacherin Lia Pfeiffer hat die diesjährige Trophäe konzipiert. 

Das komplette Program des Festivals finden Interessenten auf www.ceaucinema.ro. Es ist eine Rückkehr zur Höchstform mit zahlreichen vielversprechenden Debütfilmen rumänischer Auteurs sowie preisgekrönten Filmen international angesehener Regisseure. Eine gelungene Mischung, die daran erinnert, wie gut der rumänische Film ist. 
Die Schließung der Multiplextheater hat vielleicht sogar einem Festival wie „Ceau,cinema!“ geholfen. Denn den Zuschauer hungert es nach dem Filmerlebnis und sein Appetit kann er dank Corona mit anspruchsvollem Kino befriedigen, statt mit dem großen oberflächlichen Pomp Hollywoods. Die Message kommt durch: Film is not Dead!