Geistliches Wort zum ersten Advent: Die Alarmanlage

In früheren Zeiten baute man Burgen, um sich gegen den Feind zu schützen. Der Standort einer Burg war gewöhnlich ein Berg, der nur von einer Seite zugänglich war. Damit brauchten sich die Verteidiger nur auf diese zu konzentrieren. Zusätzlich umgab man die Burg mit einem tiefen Graben, über den nur eine Zugbrücke führte. Der Burgeingang wurde durch ein festes Tor gesichert. Alle Anlagen waren so konzipiert, dass dieses mit Leichtigkeit verteidigt werden konnte. Aber was helfen die ausgeklügeltsten Verteidigungsanlagen, wenn die Wächter schlafen? Dann ergeht es den Verteidigern so, wie einer Burgbesatzung an der Grenze zu Savoyen: Der französische Feldherr Lesiguieres lag mit seinem Heer an der Grenze zu Savoyen dem Feind gegenüber. Während dieser seine Festung fertigstellte, verhielt sich der Franzose völlig untätig. Man tadelte ihn deswegen, er aber lächelte und wartete. Als das Bollwerk fertig war, erstürmte er es mit Leichtigkeit. Die Burgbewohner glaubten sich hinter den starken Mauern in Sicherheit und hatten nicht einmal Wachen aufgestellt. Diese sträfliche Nachlässigkeit rächte sich bitter. Ehe sie sich versahen, war die Burg vom Feinde besetzt.

Auch wir besitzen eine Burg, die wir gegen Feinde verteidigen müssen: Die Seelenburg. Unsere Feinde sind stark und hartnäckig. Man kann sie mit drei Sammelnamen umfassen: Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens. Was die Unzugänglichkeit anbelangt, sind wir gegenüber den Burgen früherer Zeiten sehr im Nachteil. Wir bieten den Feinden mehr Angriffsflächen dar als diese: Es sind unsere fünf Sinne. Sie sind die Schwachstellen unserer Seelenburg. Die größte Schwachstelle sind die Augen. König David wurde durch einen unbeherrschten Blick zum Ehebrecher und Mörder. Auch bei uns findet das Böse den Eingang in die Seele hauptsächlich durch die Augen. Deshalb mahnt der Kirchenlehrer Augustinus: „Sagt nicht, dass ihr züchtige Herzen habt, wenn ihr unzüchtige Augen habt; denn das unzüchtige Auge schafft ein unzüchtiges Herz.“ In die gleiche Kerbe haut das Sprichwort: „Wenn das Auge anschaut, was es nicht anschauen soll, dann denkt das Herz, was es nicht denken darf!“ Die Schlussfolgerung daraus zieht der Prophet Jeremias: „Der Tod ist durch unsere Fenster eingestiegen, der Feind ist eingedrungen in unsere Festung.“ Und Christus sagt in überspitzter orientalischer Sprechweise: „Wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, dann reiße es aus. Es ist besser, du gehst als Einäugiger ein in das Reich Gottes, als dass du mit zwei Augen in die Hölle geworfen wirst.“ 

Die andere Schwachstelle sind die Ohren. Alle Parolen, die zum Klassen- und Rassenhass auffordern, alle Hetzreden, die Feindschaften in die Herzen säen, alle honigsüßen Worte der Verführung, alle Irrlehren, dringen durch das Ohr in unser Herz. Wahr spricht der hl. Gregor von Nazianz: „Hüte deine Ohren; denn hören, sprechen und tun liegen nicht weit auseinander.“ Würden wir zur rechten Zeit die Augen und Ohren schließen, könnte der Feind nicht in unsere Seelenburg eindringen.

Wie schützen wir wirksam unsere Seelenburg? Keinesfalls können wir uns, wie die Verteidiger des Kapitols zu Rom, auf die Wachsamkeit von heiligen Gänsen verlassen. Die Gallier waren in Italien eingedrungen und hatten Rom erobert. Einzig das Kapitol leistete noch Widerstand. In einer stürmischen Nacht versuchten die Gallier diese Burg zu erstürmen. Doch die Gänse der Göttin Juno begannen zu schnattern und weckten die Verteidiger. Diese wehrten den Überraschungsangriff erfolgreich ab.

Uns hat Gott mit einem wirksameren Wächter ausgestattet. Gebäude, in denen viel Geld und große Sachwerte aufbewahrt werden, sind mit einer elektronischen Alarmanlage ausgerüstet. Je verlässlicher die Alarmanlage ist, desto sicherer sind die gehorteten Wertsachen. Deshalb versuchen Einbrecher zuerst, die Alarmanlage auszuschalten. Gelingt es ihnen, ist alles Übrige ein Kinderspiel. Gelingt es nicht, müssen sie  die Flucht ergreifen. Jedem von uns hat Gott eine solche Alarmanlage eingepflanzt: das Gewissen! Es ist der Wächter unserer Seelenburg. Wird es ausgeschaltet, so wird der betreffende Mensch „gewissenlos“, die Seelenburg bleibt ohne Wächter und das Böse hat leichtes Spiel. Deshalb ist die Pflege des Gewissens von außerordentlicher Bedeutung für die Sicherheit unserer Seelenburg.

Wir sind in die Adventszeit eingetreten. Überprüfen wir jetzt nicht nur die Alarmanlage unseres Gewissens, sondern zugleich unseren ganzen Lebensstil, ob er nicht dem Feinde in die Hände arbeitet. Ein Stadtkind kam zum ersten Mal aufs Dorf nach einem Regen. Auf dem Weg wurde es bis über die Knöchel schmutzig. Der Dorfjunge vor ihm blieb sauber. Der kleine Städter verwunderte sich darüber. Der Dorfjunge erklärte: „Schau immer nur dahin, wo es sauber ist, dann bleibst auch du sauber.“ Ein wahres Wort. Wer Vorliebe für Pornofilme hat, bleibt schwerlich ein Unschuldsengel. Wer sich für Gewaltakte begeistert, fließt kaum vor Menschenliebe über. Suchen auch wir im Leben die sauberen Stellen. Das ist der richtige Lebensstil. Dann funktioniert unsere Gewissens-Alarmanlage gut und die Seelenburg trotzt dem Feind.