Heimatgefühl mit nur wenigen Kulturschocks

Wie es meinen Deutschlehrer von Düsseldorf nach Bukarest verschlagen hat

So sieht in Deutschland „eine Halbe“ aus – ein halber Liter Bier!

Stefan Moosdorf ist 54 Jahre alt und lebt seit 17 Jahren in Rumänien. Ursprünglich kommt er aus Düsseldorf, heute arbeitet er als Deutschlehrer an der Hermann-Oberth-Schule in Bukarest und gibt außerdem Privatstunden. Auf die Frage, wie er sich entschieden hatte, nach Rumänien zu kommen, erzählte er: „Ich habe Slawistik studiert und hatte einen Job als Kabelträger in Düsseldorf, wo alljährlich Filme für dieses internationale Literaturforum Ost-Westen gemacht wurden. Eingeladen war auch Rumänien, und ich erinnere mich,  unter den Gästen waren Persönlichkeiten wie Ana Blandiana und Mircea Dinescu. Das fand ich dann interessant und ich habe ein bisschen überlegt und dann beschlossen, ein Semester Rumänisch zu studieren. Und so ist alles gekommen...“ 

Zuerst wollte er nach Klausenburg/Cluj-Napoca und von dort aus weiter nach Odessa. Später ist er dann nach Bukarest gezogen, wo er heute noch wohnt. Nach seinem ersten Aufenthalt kehrte er noch einmal für drei Jahre nach Deutschland zurück. Dann zog es ihn wieder nach Rumänien, diesmal für immer. Nach 17 Jahren in Rumänien, sagt er heute, sei es undenkbar, wieder nach Deutschland zu ziehen. Als Grund gibt er an, er fühle sich hier zu Hause.

Aber einige amüsante Momente hat er schon erlebt. Herr Moosdorf erzählte uns, wie er ein Visum für die Ukraine erhalten hat. Er beschrieb es wie ein ganzes Abenteuer: „Der Plan war, ich wollte Rumänien bereisen und dann nach Odessa. Ich bin an der Grenze rauf und runter, weil ich kein Visum hatte. Ich bin erst hoch nach Jassy/Iași, dann runter nach Galatz, und dann fand ich bei Climăuți endlich einen Grenzübergang, wo man ein Visum kaufen konnte. Und da hatte ich meine erste Erfahrung mit der rumänischen Korruption gemacht: Weil ich kein Visum hatte, blätterte der Mann meinen Reisepass eine halbe Stunde von vorne nach hinten und von hinten nach vorne durch, und noch mal hin und her – und da habe ich  kapiert, er wollte Geld. Weil ich kaum Rumänisch konnte, habe ich auf Englisch gesagt, ich könne dafür bezahlen. Da sagte er ziemlich hastig: Oh, no question of money, no question of money – es sei keine Frage des Geldes. Doch nach einer weiteren halben Stunde sagte er: Vielleicht ein kleines Geschenk? Ich gab ihm zehn D-Mark und habe das Visum tatsächlich gleich bekommen. In Deutschland, klar, mit zehn D-Mark, also heute zwei Euro, kann man nichts erreichen, da müsste man schon noch ein paar Nullen daran tun!“ 

Ich habe Herrn Moosdorf auch über Kulturschocks gefragt, aber er meinte , es gab nicht viele und sicher keine großen. Komisch war für ihn, dass sich in Rumänien nur die Jungen und die Männer die Hand geben. Er erklärte, in Deutschland wäre es unmöglich, einer Frau die Hand nicht zu geben, doch hier in Rumänien grüße man die Frauen und Mädchen einfach mit einen Lächeln. Als weiteren Kulturschock nannte er die Lage mit dem Duzen und Siezen. „In Deutschland, wenn man dich duzt, dann duzt du zurück, doch in Rumänien ist das nicht so.“ Er erzählte, wie er sich mit einem Schüler und dessen Stiefmutter getroffen hatte und bemerkte, dass der Schüler die Mutter siezte, während sie ihn duzte. Er meint, dass er sich daran am schwersten gewöhnen konnte.

Er hat uns auch ein paar komische Erfahrungen erzählt, die wir ziemlich lustig gefunden haben. „Ich war auf einer Fahrt mit dem Bus, die Fahrt war ziemlich lang, und jeder kam mit jedem ins Gespräch und man stellte schnell fest, wer kein Rumäne ist, so dass ich gefragt wurde, was ich in Rumänien wolle, ob ich ein Business hätte oder ob es um ein Mädchen ginge. Ich habe zu beidem negativ geantwortet und alle haben mich angeguckt, als ob ich verrückt wäre. Manche haben es mir auch gesagt.“ 

Wenn man in Deutschland ein Bier bestellt, sagt man zu einem halben Liter „eine Halbe“. Dass das nicht ganz dasselbe ist wie eine rumänische „halbă“ hat Herr Moosdorf wie folgt erfahren: „Im Bukarest angekommen, ging ich zu einem Bierhaus und bestellte eine Halbe – o halbă. Doch ich kriegte ein Glas mit 0,4 Litern. Ich fragte den Kellner verärgert, was das solle? Ich hatte doch eine Halbe bestellt! Ich war genervt, auch gestresst von der langen Fahrt. Erst mit der Zeit habe ich bemerkt, dass in Rumänien eine Halbe kein halber Liter ist, sondern nur 400 Milliliter.“

Herr Moosdorf unterhält sich gern und früher oder später erkennen die Leute, dass er kein Rumäne ist. „Deswegen fragen mich Leute, woher ich komme. Und ich mag es, ein Ratespiel zu spielen, so dass ich sie zurückfrage: Was meinst, du, von woher komme ich? Viele kommen auf die Idee, dass ich Deutscher bin, doch ich wurde auch schon für einen Bulgaren, Ukrainer, Engländer  oder Holländer gehalten. Am lustigen habe ich es gefunden, als einer mich für einen Araber gehalten hat, und ein anderer mal sogar für einen Türken.“