Herausforderungen des neuen Pfand-Rückgabe-Systems

Größtes Kreislaufwirtschaftsprojekt des Landes

Statt in der Natur zurücklassen...

... lieber sammeln und Geld zurückbekommen!

Ab dem 30. November soll in Rumänien das Pfand-Rückgabe-System (SGR = Sistemul Garan]ie-Returnare) für Leergut, sprich Plastik- und Glasflaschen sowie Metalldosen eingeführt werden. Ziel ist im ersten Schritt, rund 25 Prozent allen Leerguts zu erfassen, angestrebt sind rund sieben Milliarden Stück jährlich. Was aber konkret das Pfandsystem vorsieht und inwiefern Behörden und Bevölkerung tatsächlich vorbereitet sind – vor dem Hintergrund der Megainvestition von 86 Millionen Euro und den rund 63.000 daran bereits interessierten Unternehmen – hat sich in der öffentlichen Debatte vom 31. Oktober gezeigt.

Dieses größte Kreislaufwirtschaftsprojekt des Landes läuft unter der Obhut des Unternehmens ReturRO, von den Verbänden der Getränkehersteller und  -verkäufer Rumäniens ins Leben gerufen, Gesellschafter ist auch der Staat über das Umweltministerium. In der Theorie sollte das IT-unterstützte und somit flexible System für alle am Abfallkreislauf Beteiligten problemlos funktionieren und die Bevölkerung zum Recyceln des Leerguts ermutigen, soweit für jedes retournierte Stück ein Pfand zurückgegeben wird. Die retournierten Verpackungen sollten dann leichter, rascher und billiger wieder in den Wirtschaftskreislauf gebracht werden, was natürlich zu einer entsprechenden Umweltentlastung und gleichzeitig zu einem höheren Umweltbewusstsein der Bevölkerung führen soll. Soweit, so gut. Das „einfache“ System bietet jedoch auch technische und logistische Herausforderungen. 

Nur ein Viertel der verkauften Behälter...

Erstens bezieht sich das Pfandsystem nicht auf alle Arten der insgesamt 1,47 Millionen Tonnen  Abfallverpackungen (im Jahr 2022), sondern ausschließlich auf nichtwiederverwendbare Primärverpackungen für Bier, alkoolische Mischgetränke, sonstige vergorene Getränke, Säfte, Nektare, Erfrischungsgetränke, Mineralwässer und Trinkwässer aller Art, Weine und Spirituosen mit einem Füllvolumen zwischen 0,1 und 3 Litern , die aus Glas, Plastik oder Metall hergestellt sind. 

Um das Pfand für diese Behälter zu erhalten, müssen diese in einem guten Zustand sein, keine Verformungen aufweisen, komplett entleert sein, binnen 24 Monaten nach dem Kauf returniert werden (ohne Kassenbon) und – sehr wichtig – das SGR-Logo sowie den gesonderten Strichcode für Pfandobjekte aufweisen. Das ist insbesondere wichtig, da im ersten Schritt nur rund ein Viertel der verkauften Verpackungen Teil des SGR-Systems sein werden.

Diese entleerten Behälter sollen danach von den Kunden an jeglicher Leergutaufnahmestelle gegen das ursprünglich bezahlte Pfand von 0,5 Lei pro Metall-Verpackung, bzw. 1 Leu für Plastik- oder Glasleergut (oder gegen Wertcupons) abgegeben werden können, wobei die unterschiedlichen Verkäufer oder Super- und Hypermarkte sich entweder für manuelle oder für automatische Annahmestellen (sogenannte RVM - Reverse Venting Machines) entscheiden können. 

Über ReturRO sollen dann die gesammelten Verpackungen direkt zur Sortierung, Reinigung und Wiederverwertung gebracht werden, alles per IT-System gemäß Anforderungen und Häufigkeit koordiniert (beispielsweise mit zusätzlichen Transporten in Bereichen mit Festivals oder Konzerten), sodass das Leergut schneller und zu geringeren Bearbeitungskosten wieder auf den Markt kommt.

Vorteile

Naturschöne Felder und Parks, unverseuchte Gewässer und reine Luft sind langfristige Ziele der Abfallwirtschaft und implizite des Pfandsystems. 

Ebenfalls langfristig wird die Bevölkerung zu einem nachhaltigen Konsum und zur Wiederverwendung ermutigt, denn, wie es der Klausenburger Bürgermeister Emil Boc so schön formuliert hat: derzeit schwimmt in den Gewässern mehr Plastikmüll als Sterne am Himmel stehen.

Aber auch kurzfristig gibt es Vorteile: neue Investitionen, neue Arbeitsplätze und sicherlich zahlreiche Kostensenkungen generell.

Schwachstellen

Trotz aller Euphorie zeigen die Daten, dass das Pfandsystem eigentlich nur rund fünf Prozent der gesamten Abfallwirtschaft deckt, wobei die Produzenten große Vorteile haben, da sie bisher ihre Wiederverwertungskosten alleine tragen mussten. 

Hinzugerechnet zu den weiteren rund 15 bis 20 Prozent wiederverwendeten Abfällen verbleiben trotzdem immer noch rund 75 bis 80 Prozent der Verpackungsabfälle, die weiterhin im traditionellen System bearbeitet werden müssen. Nicht zu vergessen sind andere Verpackungen, einerseits Karton und andererseits jene für Waschmittel, Kosmetika usw., die teilweise einen viel größeren Umweltschaden anrichten, wobei deren Wiederverwendung jedoch bedeutend komplexere Prozeduren vorsehen würden. Deren Recyclingkosten (und somit die Kundenpreise) könnten in Zukunft durch den Wegfall der Pfandsystem-kompatiblen Verpackungen in die Höhe gehen. 

Eine weitere Schwachstelle des Recyclingsystems ist die fehlende Standardisierung der Betriebsgenehmigungsvergabe, einer der Gründe der zahlreichen mangelhaften (sogar illegalen) Mülldeponien, die zu unnötigen Zusatzkosten durch Kontrollen, Umweltreinigung und EU-Strafen führe und gleichzeitig die Arbeit der bestehenden Akteure im Recyclingsystem erschwere. Die Profi-Mülldeponien seien zwar zur Mülltrennung bereit, jedoch würde es auch an der Bereitstellung der Sammel- und Transportressourcen seitens der Behörden mangeln.

Herausforderungen 

Das erste und größte Ziel derzeit sei das Pfandsystem selbst, welches binnen der nächsten zwölf Monate sicherlich adaptiert, verbessert, nachjustiert und verfeinert werden muss, erklärte ReturRO Geschäftsführerin und ehemalige langjährige CEO der British American Tobacco in Ploiești, Gemma Webb. Ebenfalls sollten die über den PNRR finanzierten Sammel-, Sortier- und Recyclingstellen (insgesamt 39) auch in kürzester Zeit betriebsbereit sein. 

Aber auch für die generelle Abfallwirtschaft und deren Messung sei Zusammenarbeit und insbesondere Datenaustausch wichtig. Hierfür hat Premier Marcel Ciolacu einen Ausschuss für Abfallwirtschaft gegründet, welcher die Kommunikation zwischen den Teilnehmern am Recyclingprozess und der Kreislaufwirtschaft verbessern soll. Jedenfalls sei weiterer Druck auf Mülldemonien langfristig nicht tragbar und würde ausschließlich höhere Kosten generieren (insbesondere ab dem 1. Januar 2024). 

Des Weiteren müsste die weitläufige Einführung eines effizienten Müllmanagementsystems (welches Mülltrennung und Recyling enthält) etwaige Behördenprüfungen bestehen, was derzeit nicht der Fall sei, wie Mihaela Fr²sineanu aus dem Premierministerteam unterstrich, sich auf die beiden Prozesse beziehend, welche Rumänien gegen die EU verlieren wird, und die damit verknüpften Geldstrafen auf Grund mangelnder Abfallbehandlung in den Mülldeponien. Derartige Müllmanagementsysteme hätten beispielswei-se in Jassy zur fünffachen Verbesserung der Sammel- und Recyclingquoten geführt, so Kreisratvorsitzender Costel Alexe.

Zusätzliche Strafen würden ebenfalls auf Grund der höchstwahrscheinlichen Nichteinhaltung der EU-Vorgaben zur kommunalen Abfallverwertung anstehen.

Gleichzeitig sollte in kürzester Zeit die Anzahl Sammelstellen und Recyclingstellen (inklusive der insgesamt 39 über den PNRR finanzierten) erhöht werden, wobei auch an normale Sammelstellen in der nähe der Pfandgut-Sammelstellen gedacht werden soll, damit nichtkonforme Abfälle nicht einfach stehen gelassen werden. In Rumänien gäbe es derzeit ausschließlich 400 Sammelstellen in Vergleich zu 4000 in Österreich und 5500 in Italien.

Ebenfalls sollte die Abfallwirtschaft für die restlichen rund 75 Prozent der Abfälle überdacht werden, seien diese Kommunalabfälle, Kompost, Bauschutt u. ä., soweit das Pfandsystem die Sammeldynamik und Zielsetzung beeinflusst.

Vielleicht die größte Herausforderung sei die Sensibilisierung der Bevölkerung selbst, sei es über Info-Kampagnen wie die des Klausenburger Bürgermeisters Emil Boc „Bezahlung gemäß Verwertung“, bzw. über Workschops in Schulen, wie diejenige, die EcoTic organisiert hat, oder aber durch Strafzettel… oder über nostagtische Bilder der kommunistischen Sammelstellen.

Ziele

Die Zielsetzung ist so divers wie die Teilnehmer an der Kreislaufwirtschaft selbst. Erstens sind die lokalen und von der EU vorgegeben Umwelt- und Recyclingziele sowohl von lokalen Behörden, als auch von Getränkeherstellern und den anderen Teilnehmern an der Kreislaufwirtschaft einzuhalten. Somit sollen beispielsweise bis im Jahr 2030 EU-weit 55 Prozent der Plastikbehälter wiederverwendet werden (insgesamt rund 11 Milliarden Tonnen jährlich), was bei einer reellen Sammelquote in Rumänien von rund 15 Prozent (wobei Hermannstadt/Sibiu oder Klausenburg auf 26 bis 29 Prozent kommen) ein ehrgeiziges Ziel scheint.

Kostensenkungen seien auch durch geringere Leergutimporte angebahnt, deren Platz vom Pfandsystem eingenommen wird.

Gleichzeitig hofft Ressortminister Mircea Fechet auch, eine bessere Einsicht in die „in einem parallelen fiskalen System” auf den Markt gebrachten Geträke zu erhalten, was weitere Vorteile für das Staatsbudget bieten würde. 

Ob das Pfandsystem den Betrieb illegaler Müllhalden beeinflussen wird, ist noch fraglich. Jedenfalls seien zusätzliche Gesetzeshüter gefragt, die sich dem Umweltschutz und der Abfallbekämpfung widmen, soweit illegale Müllhalten und Abfallverbrennungen in Rumänien noch allzu oft für Schlagzeilen sorgen und über 90 Prozent der Strafverfolgungen im Bereich Umweltkriminalität ohne Bestrafungen ausgehen, erklärte Diana Anda Buzoianu seitens des Umweltausschusses der Abgeordnetenkammer .

Aber trotz Kosteneffizienz sehen alle Teilnehmer am Recyclingprozess ein umweltfreundliches Lebenshabitat als eines der wichtigsten Ziele. Natürlich würden dadurch auch die Kosten des Gesundheitssystems mit umwelt- und luftverschmutzungsbedingten Krankheiten sinken (derzeit bei sechs Milliarden Euro jährlich in Rumänien).

Aber...

… die wichtigste und gleichzeitig größte Schwachstelle des Recyclingsystems, und zwar nicht nur in Rumänien, sondern in der gesamten Welt, ist, dass nur rund 10 Prozent der weltweit im Umlauf gebrachten Plastikverpackungen auch wiederverwertet werden. In der EU sind es immerhin rund 25 Prozent, wobei Rumänien nur drei Prozent des EU-Mülls herstellt (im Vergleich: Deutschland 20 Prozent, Frankreich 15 Prozent) – dafür aber ziemlich oft für Schlagzeilen mit den illegalen Mülltransporten aus Westeuropa gesorgt hat. Denn Recycling sollte prinzipiell die letzte Option sein, wie der Klausenburger Bürgermeister erklärt. In seiner Stadt besteht er seit Jahren auf dem RRRR-Prinzip und hat damit auch große Erfolge erziehlt: Es steht für „Refuse“ (Ablehnung unnütziger Produkte), „Reduce“ (Minderung des Einkaufs auf Wesentliches), „Reuse“ (Wiederverwertung der bestehenden Produkte / Verpackungen) und nur letzten Endes „Recycle“, was du nicht mehr benötigst.