Himmelblaues Bett und Zitronen am Küchenschrank

Mit umweltfreundlichen, wasserlöslichen Kalkfarben Möbel kreativ bemalen

Schminktisch und Kommode (im Spiegel reflektiert), beide waren früher braun, zieren das himmelblaue Schlafzimmer.

Mit gelben Akzenten sieht der einst dunkelbraune Gläserschrank gleich viel freundlicher aus. Fotos: die Verfasserin

Altes schwarzes Tischchen, olivgrün gestrichen, die Kerbschnitzerei wurde mit weißem Wachs herausgearbeitet.

Zitronenzweige am Kästchen, alle Möbel in Oliv und Creme – endlich herrscht farbliche Harmonie in der Wohnküche.

Hilfe, unsere Möbel passen nicht zusammen! Wenn Stil und Geschmack aus zwei Erwachsenenleben aufeinanderprallen, geht das nicht immer gut. So auch bei meinem Mann und mir: Das Schicksal hatte uns, bis es uns vereinte, möbeltechnisch recht unterschiedlich ausgestattet: ihn mit mehreren antiken Stücken, edel,  doch auf engem Raum ein erdrückender Mix. Mich mit den Resten meiner Ikea-Erstausstattung und ein paar Neuerwerbungen im rustikalen Landhausstil. So manches war ursprünglich als Einzelstück vor einer weißen Großraumwand gedacht. Doch Lebenskonzepte ändern sich: Zu unserem alten Holzhäuschen aus der Maramuresch, dort ab- und einige Kilometer vor Bukarest mitten in der Natur  wieder aufgebaut, schien nichts von alledem zu passen...
 

Doch was passt überhaupt in ein solches Häuschen? Zweckmäßig, rustikal, hell und freundlich – das waren unsere Ansprüche an die Einrichtung. Sie sollte den originellen Charakter des Häuschens und unsere Öko-Lebensphilosophie unterstreichen. Der naheliegendste Gedanke: aus dem alten Mix die besten Stücke auswählen und einheitlich hell streichen. Doch  bitte nicht mit Lack und giftigen Lösungsmitteln!

Hinzu kommt, dass man ein Beistelltischchen mit filigraner Lochschnitzerei nicht einfach zukleistern kann. Etwas Leichtes, Dezentes, vor allem aber Umweltfreundliches musste her!  Frische Farben, matt, leicht zu verarbeiten… Gibt es ein solches „Wunschkonzert“?

Neues Gesicht für altes Chaos

Die Lösung entdeckten wir bei einer Freundin, die sich mit einer ähnlichen Herausforderung konfrontiert sah. Ihr bezauberndes Gästehäuschen in Weiß und frischem Schwedenblau - hier ein zartes Blümchen, dort eine aparte Zierleiste, den Spiegel  rahmten Schmetterlinge – war tatsächlich ein abenteuerlicher Material- und Stilmix. Kaum zu glauben, dass das helle Kästchen, auf dem jetzt der Fernseher steht, einst ein billiges, schwarzes Resopalregal war. Ob Metall, Pressspan, Kunststoff oder Holz, ob von den Großeltern übriggeblieben oder Baumarkt-Schnäppchen – im Ensemble gestrichen und liebevoll bemalt wirkte die Einrichtung modern, frisch und harmonisch. Das Geheimnis? Kalkfarben von „Annie Sloan“!

Es sei vorweggenommen: Umweltfreundliche Kalkfarben für Holz und auf Wasserbasis gibt es von verschiedenen Herstellern. Was die – zugegeben teureren – Produkte von „Annie Sloan“ für uns jedoch so attraktiv machte, ist die Tatsache, dass man jede beliebige Oberfläche damit streichen kann: Metall, unlackiertes oder lackiertes Holz, sogar Kunststoff. Kein Abschleifen also - nur sauber und fettfrei muss die Unterlage sein. Für rohes Holz genügt meist eine Schicht, glänzende Flächen benötigen zwei bis drei Schichten Farbe.

Nach dem Streichen und Bemalen wird die Oberfläche dann mit Bienenwachs versiegelt und verfestigt sich nach einigen Tagen, so dass man sie auch feucht abwischen kann. Das Ergebnis wirkt pudrig und zart. Außerdem gibt es verschiedene Techniken, wie man Möbel auf „antik“ trimmen kann.

Stark beanspruchte oder ständig feuchte Oberflächen – Eßtisch, Badmöbel, Arbeitsplatten oder Gartenmöbel - versiegelt man statt mit Wachs am besten mit Lack. Und da die Farben auf jeder Oberfläche halten, kann man die Stücke später auch jederzeit neu überpinseln oder defekte Stellen ausbessern. Sowohl Farben als auch Lacke sind wasserlöslich, den Pinsel spült man einfach im Waschbecken aus. Nur nicht vorher hart werden lassen!

Zeig mir deine schönste Seite!

Am besten eignen sich die Kalkfarben für den sogenannten Vintage-Look. Die Technik ist perfekt für edle, alte Möbel, die ein neues Gesicht bekommen sollen. Hierfür trägt man erst eine dunklere, dann eine hellere Farbschicht auf – je stärker der Kontrast, umso besser. Jede Schicht muss separat trocknen. Zum Schluss wird mit einem weichen Tuch das Wachs eingerieben. Wer seine Möbel auch noch bemalen will, sollte dies vor dem Wachsen tun. Dann werden – je nach Geschmack mit feinem, mittlerem oder grobem Schmirgelpapier – die Kanten abgeschliffen, bis die dunklere Farbschicht leicht durchscheint oder ganz zum Vorschein kommt. Holzmöbel kann man für sehr rustikalen Look auch stellenweise  bis zur Holzschicht anschleifen. Bearbeitet werden Kanten und Ecken, also dort, wo sich Möbel auch natürlicherweise abstoßen. Das Resultat ist ein plastischer Effekt, der umso besser wirkt, je komplexer das Möbelstück ist. Die Technik lohnt sich bei Möbeln mit vielen Leisten, Griffen oder geschnitzten Dekorelementen.

Beschläge, Griffe, Knöpfe, Klinken und Schlüssel kann man aussparen – oder auch mitstreichen, wachsen und später teilweise abschmirgeln. Häßliche Billigklinken sehen  mitgestrichen auf jeden Fall besser aus. Filigrane Schnitzereien oder Einkerbungen kann man  mit Spezialwachs perfekt zur Geltung bringen. Dunkles Wachs eignet sich für hellen Untergrund, weißes Wachs für dunkle Farben. Hierfür mit den bewachsten Fingern einfach zart über die strukturierte Oberfläche streichen, etwas warten, Reste abwischen. Wer zu dick aufgetragen hat, kann den Überschuss mit transparentem Wachs entfernen. Dunkles Wachs schimmert in hauchdünner Schicht golden, doch zu viel sieht leicht schmutzig aus.

Glasfenster in Möbeln und Türen müssen übrigens nicht abgeklebt werden: Malt man versehentlich aufs Glas, kann man die Farbe gleich abwischen oder später leicht abkratzen, solange noch nicht gewachst wurde.
Auch Strukturen lassen sich mit Kalkfarben imitieren: Lässt man die Farbe im Kühlschrank etwas härten, kann man mit dem Pinsel Muster auftupfen. Auch hinterlässt dieser bei dickerer Farbe eine Spur, die an Holzmaserung erinnert, was beim Bemalen von Kunststoffmöbel erwünscht sein kann. Je dünner die Farbe, desto feiner wirkt der Anstrich. Spätestens bei der zweiten Schicht sollte man auf einheitliche und gerade Pinselführung achten – bei Holz immer entlang der Maserung. Außerdem empfiehlt sich, spezielle Silikonpinsel zu verwenden, da Kalkfarben gewöhnliche Pinsel stark austrocknen.

Und los geht‘s...

Kalkfarben und Zubehör von „Annie Sloan“ gibt es nur in speziellen Künstlergeschäften – in Bukarest, Kronstadt/Brașov, Klausenburg/Cluj-Napoca, Neumarkt/Târgu Mureș, Satu Mare, Miercurea-Ciuc – wo man auch im Hinblick auf die Technik ausführlich beraten wird. Oft werden auch Kurse angeboten. Die Farben, Lacke und Wachse sind auf den ersten Blick teuer, doch in der Anwendung extrem sparsam. Billiger kommt man mit Kalkfarben aus dem Baumarkt, ist aber dann auf Naturholz und Anwendung im Innenraum beschränkt.

Im Internet gibt es Demo-Videos von Annie Sloan selbst oder von anderen Begeisterten. Auch hat man die Möglichkeit, sich in speziellen Facebook-Gruppen auszutauschen. Am besten aber probiert man selbst, welcher Stil, welche Technik einem zusagt. Bevor man sich an erlesene Möbelstücke wagt, kann man an einem Schemel, Tablett oder Beistelltischchen üben. Oder an einem schon ausgemusterten Billig-Schränkchen, das dann – romantisch mit Rosen verziert – plötzlich zum Blickfang avanciert.

Falls man, wie in unserem Falle, eine ganze Wohnung  neu gestalten möchte, sollte man sich Farbwahl und Motive für jedes Zimmer vorher gut überlegen: Gibt es Tischchen, Stühle, Spiegel, die man gelegentlich umstellt oder umhängt? Passen alle Farben zu den – am besten einheitlich gestrichenen – Fenstern und Türen? Müssen Dekorgegenstände berücksichtigt werden? Was wird bemalt – was bleibt frei? Vielleicht möchte man hier und dort starke Akzente setzen: Meine Küchenmöbel in schlichten Oliv- und Cremetönen zieren zarte Zitronenzweige, doch öffnet man die Türen, leuchtet es von innen fröhlich zitronengelb heraus. Und die poppig bunte Schreibtischecke im Wohnzimmer hebt sich effektvoll von der massiven, dunklen Holzwand ab. Dort hat man sicher auch an trüben Wintertagen Lust zum Schreiben! Wenn man denn noch Zeit hat – und nicht gerade Möbel bemalt.