„Ich war schon immer Teil der Lenau-Familie“

Gespräch mit der neuen Leiterin der Nikolaus-Lenau-Schule, Gabriela-Simona Mateiu

Die Deutschlehrerin Gabriela-Simona Mateiu ist die neue Leiterin der Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar. Ihr steht viel Arbeit bevor – u.a. auch ein großer Umzug aller Grundschul- und Gymnasialklassen in ein neues Schulgebäude voraussichtlich Ende des Jahres 2024. Foto: Raluca Nelepcu

Die Deutschlehrerin Gabriela-Simona Mateiu steht seit Beginn des neuen Schuljahres 2023/24 an der Spitze der deutschen Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar/Timi{oara. Sie war davor, zwischen 2014 und 2023, stellvertretende Schulleiterin. Nachdem sie jahrelang Deutsch in Karansebesch unterrichtet hatte und dort für knapp ein Schuljahr auch die Leitung des C. D. Loga-Nationalkollegs (ehem. Pädagogisches Lyzeum) inne hatte, ergab sich für sie 2013 die Möglichkeit, nach Temeswar zu wechseln – nämlich an ihre ehemalige Schule, die Lenau-Schule, die sie 1982 abgeschlossen hat. Gabriela-Simona Mateiu folgt nun der langjährigen Lenau-Direktorin und Physiklehrerin Helene Wolf im Amt nach. Was sie sich in dieser neuen Funktion vornimmt, verrät sie ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu.

Frau Mateiu, Sie selbst haben die Lenau-Schule abgeschlossen und stehen nun an ihrer Spitze. Sie waren zwar davor jahrelang stellvertretende Schulleiterin, doch ich möchte Sie trotzdem fragen: Wie fühlt es sich an, Direktorin Ihrer ehemaligen Schule zu sein?

Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl (lächelt). Einerseits ist man froh, um nicht zu sagen stolz, in der Schule tätig zu sein, die man als Schüler besucht hat. Andererseits ist es eine verantwortungsvolle Aufgabe. Stellvertretende Schulleiterin zu sein ist eins und Schulleiterin zu sein ist etwas anderes. Alle erwarten, dass man Entscheidungen trifft, dass man das letzte Wort hat und dass diese Entscheidungen dann auch allen Anforderungen und allen Wünschen gerecht werden. So ist das nicht gerade, denn ich entscheide ja nicht allein. Wir haben einen Verwaltungsrat, ich habe zwei Stellvertreterinnen, also wir entscheiden schon gemeinsam. Doch letztendlich muss man unterschreiben und da steht eine einzige Unterschrift - darum sagt man mir immer: „Du musst entscheiden!“. Ich versuche, so gut es geht mit den Leuten der Schule zusammenzuarbeiten, damit wir gemeinsam Entscheidungen treffen.

Welche sind die größten Herausforderungen für Sie als Schulleiterin? Was haben Sie nach der Amtsübernahme zuerst unternommen bzw. was planen Sie in der kommenden Zeit?

Nach der Amtsübernahme habe ich nichts Besonderes übernommen, denn wie Sie ja schon gesagt haben, war ich ja zusammen mit Frau Helene Wolf in der Schulleitung tätig und ich denke, es ist dieselbe Linie. Wir haben auch dann gut zusammengearbeitet und alles gemeinsam besprochen. Also ist die Fortsetzung dieser Tätigkeit, für mich zumindest, selbstverständlich.

Wir haben einiges geändert in dem Sinne, dass ich jetzt eine zweite Stellvertreterin habe, und natürlich kommen mit einem neuen Kollektiv auch neue Ideen. Aber im Grunde haben wir bisher nicht viel geändert und ich denke, es wird sich auch nicht viel ändern, denn wir sind nun mal die Lenau-Schule und die Lenau-Schule läuft gut, so wie sie bis jetzt gelaufen ist. Wir bemühen uns, den Geist und die Familie der Lenau-Schule so beizubehalten, wie sie sind. Ich glaube nicht, dass wir große Änderungen vornehmen werden.

Die Lenau-Schule ist eine Prestige-Schule des Banats und Rumäniens überhaupt. Wir wissen ja alle, dass die Lenau-Schüler seit einigen Jahren in mehreren Gebäuden in der Stadt Unterricht haben. Währenddessen wird an einem neuen Schulcampus in der Oituz-Straße gearbeitet. Wie ist es derzeit um diesen Schulcampus bestellt? 

Im Moment wird ja nicht daran gearbeitet. Ich war vor zwei Wochen im Bürgermeisteramt und habe mich da direkt erkundigt. Die offizielle Antwort war: Dezember 2024.  Man bemüht sich, dass wir das kommende Schuljahr dort beginnen, doch das wird wahrscheinlich nicht gelingen. Der „sicherere“ Termin vom Bürgermeisteramt ist Dezember 2024. Was ja auch nicht angenehm ist, mitten im Schuljahr umzuziehen… Das haben wir schon mal gemacht, als wir von dem sogenannten RATT-Gebäude in die große Schule zurückgekehrt sind - im Dezember oder Anfang Januar war das, bei Schnee und Regen, mit nassen Möbeln. Es ist nicht wünschenswert, dass wir den neuen Schulcampus erst im Dezember 2024 übernehmen. Der September wäre uns, ehrlich gesagt, lieber.

Welche Klassen werden im neuen Campus untergebracht sein?

Alle Schüler, angefangen mit der Vorbereitungsklasse bis zur 8. Klasse, werden dort untergebracht sein. Die Klassen 9 bis 12 werden hier, in der großen Schule, bleiben. Die Kleinen gehen dorthin, denn dort sind 48 Klassenräume und dort werden sie dann alle reinpassen. Die Großen bleiben hier im Lyzeum in der Gheorghe-Lazăr-Straße.

Wie viele Schüler besuchen die Lenau-Schule zurzeit?

Zurzeit sind es 1680 Schüler. 

… und die meisten von ihnen sind nicht deutschstämmig. Wie problematisch ist das überhaupt? Wie gut beherrschen die derzeitigen Lenau-Schüler die deutsche Sprache?

Insgesamt kann man schon sagen, dass sie die deutsche Sprache gut beherrschen, zum Teil sogar sehr gut. Was ja auch damit zusammenhängt, dass sie schon vom Kindergarten an auf Deutsch unterrichtet werden.

Zuerst besuchen sie den deutschen Kindergarten, dann die deutsche Grundschule. Und da muss ich sagen, und das habe ich auch immer gesagt und werde auch weiterhin unterstreichen, dass die Tätigkeit der Grundschullehre-rinnen eigentlich von der breiten Öffentlichkeit gar nicht richtig eingeschätzt wird. Aber wir, die Leute der Schule, erkennen, wie viel Arbeit dahinter steckt und was diese Kolleginnen leisten, um diese Kinder nach dem Kindergarten in fünf Schuljahren auf ein Niveau zu bringen, das sie nirgendwo so erreicht hätten als in dem Unterricht, der sich eben „Muttersprachenunterricht“ nennt.

Zudem kommen ja trotzdem noch viele aus deutschsprachigen Familien oder solche, die zu Hause Deutsch sprechen. Dann haben wir noch Kinder, die aus dem Ausland zurückgekommen sind und auch gut Deutsch sprechen und insgesamt ergibt sich dann schon ein schönes Bild von den Sprachkenntnissen der Schüler.

Ich bleibe bei der deutschen Sprache: Ein großes Problem deutscher Schulen in Rumänien ist der Mangel an deutschsprachigen Fachlehrern. Wie ist es an der Lenau-Schule darum bestellt?

Die Lage ist in der Lenau-Schule auch keine andere. Im Moment haben wir noch Lehrer, wir können uns noch nicht beklagen. Aber in der Zukunft, wenn dann manche Fachlehrer in Rente gehen, dann wird es schwierig sein, jüngere Lehrkräfte zu finden oder junge Absolventen der Hochschulen, denn die, die gewisse Fächer an der Uni studieren oder gewisse Abteilungen besuchen, die gehen dann schon lieber in die Wirtschaft, denn dort werden sie besser bezahlt. Das ist eigentlich die Schwierigkeit, Leute zu finden, die für das Lehrergehalt in die Schule kommen und auf das viele Geld aus der Wirtschaft verzichten wollen.

Die Lenau-Schule ist bekannt für die internationalen Projekte, bei denen sie mitwirkt. Welche sind denn aktuell ein paar solche grenzüberschreitende Projekte?

Wir haben mehrere Projekte. Zu den wichtigsten bzw. den europaweiten gehört jetzt zum Beispiel EduMento. Es ist ein länderübergreifendes Projekt, an dem sich mehrere Länder beteiligen. Es hat erst eine einleitende Konferenz in Deutschland stattgefunden. Dabei geht es um Mentorat, um Beratung, Betreuung von Kollegen, aber auch von Studierenden, von Studenten, die ihr Praktikum an Schulen absolvieren. Dieses Projekt hatte ein Vorläuferprojekt über drei Jahre. Daran waren Rumänien, Deutschland, Österreich, Finnland und Mallorca beteiligt. Es ging ebenfalls um Hospitation. Wir haben an Beobachtungsbogen für den Unterricht gearbeitet, zusammen mit der LMU München – dort wurden diese Bogen entworfen. Wir haben dann die Feinarbeit geleistet, sie im Unterricht eingesetzt und angepasst. Nachdem diese Arbeit beendet war, haben wir sie auch ins Rumänische übersetzt bzw. die anderen Länder in ihre Sprachen. So müssten sie demnächst ein allgemeines Gut der Schulen werden.

Dann haben wir noch das eljub-Projekt, an dem auch ich beteiligt bin. Das ist eine europäische Literaturjugendbegegnung, die seit 2013 stattfindet und ganz viele Länder umfasst. Da fahren jeden Sommer mehrere Jugendliche nach Krems, nach Österreich, und arbeiten gemeinsam anhand europäischer Themen an einem e-Book, das anschließend die Texte umfasst, die sie schreiben und die die Probleme wiederspiegeln, mit denen sie sich beschäftigen. Es geht um Probleme der Jugendlichen im heutigen Europa, Demokratie und politische Bildung und wie sich die Jugendlichen in die Entscheidungen im heutigen Eu-ropa einbringen können, zum Beispiel.

Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs von einer Lenau-Familie und einem Geist der Lenau-Schule gesprochen. Was bedeuten diese Dinge für Sie persönlich?

Ich bin ja Teil dieser Lenau-Familie, ich war immer Teil dieser Lenau-Familie, auch als ich anderswo gearbeitet habe, nicht an der Lenau-Schule. Und mir ist es eine Freude, wenn ich Leute treffe, die sagen, wir waren auch in der Lenau-Schule, wir gehören auch dazu.

Wir haben irgendwie ein Alleinstellungsmerkmal. Welches dieses Merkmal ist, weiß ich nicht, ich kann es nicht so genau definieren. Es gibt dieses Zusammengehörigkeitsgefühl.  Und es gibt diesen Geist, den viele zu definieren versucht haben, doch ich glaube, keinem ist es so richtig gelungen. Aber es gibt ihn, dafür bürge ich.

Zu dieser Lenau-Familie gehören auch die Freunde der Lenau-Schule, beziehungsweise die Menschen, die sich im Verein der Freunde der Lenau-Schule in Deutschland engagieren und nicht nur. Wie arbeiten Sie persönlich mit dem Verein der Freunde der Lenau-Schule zusammen bzw. wie soll diese Zusammenarbeit in Zukunft weitergehen?

Ja, dieser Verein der Freunde der Lenau-Schule gehört ja auch zur Lenau-Familie. Die Zusammenarbeit, denke ich, wird auch weiterhin so verlaufen wie bisher. Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet. Wo wir Unterstützung gebraucht haben, haben wir sie auch bekommen. Die Wettbewerbe, die wir schulintern organisieren, den Elsa-Luca-Kappler-Preis und den Carmen-Jakob-Walbert-Preis, die sind ja auch durch den Verein der Freunde der Lenau-Schule gefördert und die werden auch weiterhin fortgesetzt. Wie der Vereinsvorsitzende Franz Quint unlängst gemeint hat, ist die Förderung des Elsa-Luca-Kappler-Preises für weitere zehn Jahre gesichert. Das heißt, es besteht Interesse an dem, was wir in der Schule tun. Und ich denke, schon der Name „Verein der Freunde der Lenau-Schule“ zeigt, dass es nur freundschaftlich und positiv weitergehen kann, dass wir zusammenarbeiten, weil wir ja eine Familie sind.

Wie planen Sie, den guten Ruf der Nikolaus-Lenau-Schule auch in der Zukunft zu wahren?

Das ist schwer zu beantworten. Ich denke, man muss offen sein, man muss den Leuten ehrlich und gerecht begegnen. Man muss sich um die ausgezeichnete Bildung der Schüler kümmern. Man muss dafür sorgen, dass all das zustande kommt. Und dass man nach außen hin - nach außen hin heißt nicht nur in Temeswar oder Rumänien, sondern europaweit - einen guten Eindruck hinterlässt. Jedes Mal, wenn wir zum Beispiel nach außen gehen mit unseren Schülern, hinterlassen wir diesen guten Eindruck. Jeder, der von der Lenau-Schule gehört hat, der weiß ja, das ist eine gute Schule, die kann sich sehen lassen. Und um diesen guten Ruf muss man sich bemühen. Das kann man nicht als Schulleiter allein tun, sondern da muss eigentlich die ganze Schule dafür sorgen.