Individuelle Hilfe mit Leidenschaft und Zipfelmütze

Die Weihnachtsaktion der Stiftung „Altenhilfe“ in Bukarest

Sorin und Anca Păun freuen sich mit Frieda Vlada. Foto: die Verfasserin

„Neben finanzieller Unterstützung geht es vor allem um Unterstützung mit Zeit“. Wenn Heike Künzel, die momentan die Altenhilfe-Stiftung in Bukarest zusammen mit Ana Chiţan leitet, von ihrer Arbeit spricht, kommt sie ins Schwärmen und es wundert einen, woher diese Leidenschaft kommt. Viele der Engagierten bei der Altenhilfe sind wie Heike Künzel viel beschäftigte deutsche und österreichische Geschäftsmänner und -frauen, deren Jobs sie vermutlich viel Zeit und oft auch Nerven kosten. Und trotzdem haben sie sich zusammengetan, um in ihrer Freizeit ihre Zeit und Energie einer Gruppe von Menschen zu schenken, die in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft oft nicht schnell genug mithalten kann: die Alten.

Aber nicht nur deutschsprachige Expats engagieren sich. „Jeder ist willkommen“, das betonen Heike Künzel und Ana Chiţan immer wieder im Gespräch. So hat sich nach der Gründung vor gut 10 Jahren inzwischen ein kleiner, aber bunt gemischter Kreis an Freiwilligen gebildet, der sich um das Wohl der alleinstehenden Senioren der deutschen Minderheit in Bukarest und Umgebung sorgt. „Nachdem viele Familien nach 1989 das Land verlassen haben, bleiben die Großeltern oft ohne familiäre Unterstützung allein zurück“. Und um zu helfen, nutzt Heike Künzel ein Prinzip, das sie aus der Wirtschaft kennt. „In erster Linie arbeiten wir über networking. Das war eigentlich immer mein Part, seit meinen Anfängen bei der Stiftung, weil ich im Grunde den Zugang zur Wirtschaft hatte, insbesondere zur deutschen und österreichischen Community. Und die anderen, die mitgearbeitet haben, kamen ja eher aus einem sozialen Hintergrund. Also habe ich den Kontakt zu Sponsoren hergestellt.“ Geschickt und aktiv organisiert sie so verschiedenste Unterstützer und sorgt für die nötige Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, immer mit dem Motto: „Das Geld, das wir von unseren Sponsoren bekommen, soll direkt dem Zweck zugute kommen und nicht in alle möglichen Service-Leistungen fließen.“ Und das gelingt auch, dank einer kreativen Mischung an Sponsoren: Denn fast alles, vom Bankkonto, über den Sprit für das Altenhilfe-Fahrzeug bis hin zur Rechtsberatung, bekommt die Altenhilfe von Unterstützern kostenlos.

„Wenn Heike von ihrer Arbeit erzählt, kann man die Passion spüren, und das wollten wir auch.“ Anca, rumänische Mitarbeiterin bei Künzels Unternehmen Key2Sucess hat sich, wie ihre beiden jungen Kolleginnen Alexandra und Luciana, von der Leidenschaft anstecken lassen und schon vor Langem beschlossen, sich selbst auch engagieren zu wollen. Jetzt hatten die drei die Chance dazu und haben diese auch sofort genützt.

Denn neben der monatlichen Unterstützung mit Lebensmittelpaketen, schnürt die Altenhilfe zu Ostern und Weihnachten immer besondere Pakete. Diese sind dann gefüllt mit allem, was durch Sponsoren aufgetrieben werden konnte. Dieses Mal gibt es viel Schokolade und Weihnachtssüßigkeiten, Kosmetikartikel von einer großen deutschen Firma und allerlei andere Überraschungen.

Ruxandra Şachim, die schon seit Jahren für die Altenhilfe arbeitet, hat die Pakete gepackt. Und wie bei den monatlichen Essenspaketen achtet sie auch bei den Nikolausgeschenken auf Unverträglichkeiten und die kleinen Vorlieben der Senioren, denn jedes Paket wird individuell gefüllt und geschnürt. Ist das erledigt, können sie verteilt werden. Und da kommen wieder die jungen Mitarbeiterinnen von Heike Künzel ins Spiel.

Statt am Wochenende den ersten Schnee in den Bergen zu genießen oder die freie Zeit für Weihnachtsvorbereitungen zu nützen, treffen sich Alexandra, Anca und Luciana mit ihren Partnern im Büro von Key2Sucess, um letzte Routenpläne zu studieren, die Nikolausmützen anzuziehen und um sich dann mit voll bepacktem Kofferraum auf den Weg zur Geschenkübergabe zu machen.

Anca bekommt dabei tatkräftige Unterstützung von ihrem Mann Sorin, der sich voll Vorfreude schon ins Weihnachtsmann-Kostüm stürzt. Da er bei einer deutschen Firma arbeitet, spricht der Rumäne fließend Deutsch und kann so als Weihnachtsmann den besuchten Herrschaften nicht nur „Crăciun fericit“, sondern eben auch „Frohe Weihnachten“ wünschen.

Die Tage davor haben die beiden bereits die Route geplant und sich per Telefon bei den Senioren angemeldet. Vier Damen und ein Herr werden von Anca und Sorin beschenkt. Dass zwei davon leider nicht angetroffen werden können, ist schade, aber es freut auch zu hören, dass die Betreuten noch fit genug sind, um einen Ausflug zu machen oder zu einem Besuch zur Freundin aufzubrechen.
Die Angetroffenen sind ganz überrascht und auch sehr begeistert vom Weihnachtsmann, der da vor ihren Türen steht. Die Pakete werden dankend entgegengenommen und vor allem freut es die Senioren, Abwechslung und ein nettes Gespräch zu erfahren. Denn schließlich klingelt nicht jeden Tag ein deutschsprachiger Weihnachtsmann mit seiner reizenden Frau an der Tür und nimmt sich die Zeit für ein kleines Gespräch.

Die Wohnungen, die sich hinter diesen Türen verbergen, verraten zumeist schon auf den ersten Blick, dass es wichtig ist, diesen Leuten zu helfen. Und es ist eine Freude, in die vielleicht recht einsamen Behausungen ein wenig Wärme und Leben zu bringen.

Darum bemühen sich die etwa zehn Freiwilligen der Stiftung das ganze Jahr über. Neben der Versorgung mit Lebensmittelpaketen, Heizmaterialien (Holz/Briketts) oder Medikamenten werden bei Bedarf auch Kleidung, Bettwäsche, Handtücher, Krankenbetten oder Heizöfen besorgt. Dabei ist der Kreativität der Engagierten keine Grenze gesetzt und die Paletten, auf denen Waren aus Deutschland nach Rumänien gebracht werden, werden kurzerhand klein gehackt und als Brennmaterial ebenfalls an die Senioren weitergegeben. Auch bei der Suche nach einer neuen Bleibe oder bei ärztlicher Hilfe, wenn diese nicht durch die Versicherung abgedeckt wird, hilft die Altenhilfe. Fast 50 Betreute freuen sich so von Besuch zu Besuch vor allem darüber, dass sie nicht vergessen werden, und dass es Menschen gibt, die an sie denken und sich auch einfach nur mal die Zeit nehmen, sich mit ihnen zu unterhalten.

Die Neulinge bei der Altenhilfe, Sorin und Anca, spüren die Kraft, die einem die Freude der Senioren gibt, merken aber auch, dass es nicht immer leicht ist mit der Tatsache umzugehen, dass die Senioren am Rande unserer Gesellschaft in teilweise äußerst ärmlichen Verhältnissen leben. Da tut es gut, wenn man zwischen den Besuchen Zeit hat, sich im Auto über die Eindrücke auszutauschen.
Und dann geht es auch schon weiter. An der nächsten Station einen Parkplatz suchen, auf dem Weg vom Auto zur Wohnung noch ein paar Kinderaugen zum leuchten bringen („Schau mal Papa, der Weihnachtsmann!“), und hoch im dritten Stock zur Tür von Frieda Vlada.

Die rüstige 88-jährige Dame wohnt allein mit ihrer Katze Mitzi in der Wohnung. Obwohl es keinen Lift gibt, geht sie jeden Tag aus dem Haus, um ein bisschen Brot zu kaufen, „damit ich nicht einroste. Zumindest im Winter, im Sommer ist es mir zu heiß dazu“. Aber dann bekommt sie ja immer noch die Hilfspakete der Altenhilfe, die ihr bei der täglichen Versorgung helfen.

Mitzi leistet ihr Gesellschaft, obwohl sie auf die auch manchmal gerne verzichten würde, „wenn sie mich morgens um vier aufweckt und ich doch so spät ins Bett gekommen bin, weil ich wieder so lange Wrestling geschaut habe.“ „Wrestling? Woher kommt denn diese Leidenschaft?“, fragt der Weihnachtsmann in perfektem Deutsch. „Beim Wrestling gibt’s so schöne, gute Männer. Das mag ich. Nur die Unsportlichen, die sich nach dem Sieg nochmal auf den Gegner stürzen, die mag ich gar nicht.“ Und neben Sportsendungen schauen, was macht sie sonst noch? Stricken: „Weil es nicht reicht, sich nur beschenken zu lassen, sondern weil man auch selbst etwas schenken soll.“ So strickt Frau Vlada für die Kirche Socken, Mützen und Schale, die an Weihnachten an Bedürftige verschenkt werden können.
Nach einem langen Nachmittag zurück zu Hause, kann man den Tag nochmal Revue passieren lassen. Man denkt an diese Momente und Menschen zurück und realisiert, dass es nicht nur um das Geben von Geschenken geht, sondern dass man vielmehr auch selbst nimmt: Bleibende Eindrücke von starken, charismatischen Persönlichkeiten, und man versteht nun die Leidenschaft, mit der sich Heike Künzel, Ana Chiţan und all die anderen für das Projekt „Altenhilfe Bukarest“ engagieren.