„Kinder müssen mit nährstoffreichem Essen als Normalität aufwachsen“

Gespräch mit der Temeswarer Ernährungsberaterin Ramona Radovancovici

Ernährungsberaterin Ramona Radovancovici hilft Frauen dabei, eine gesunde Beziehung zu ihrer Ernährung und zu ihrem Körper zu pflegen. Foto: www.ramonaradovancovici.ro

Bunt, frisch, nahrhaft: So kann ein Teller im Urlaub aussehen. Foto: Ramona Radovancovici

Ramona Radovancovici (35) ist Ernährungsberaterin und hilft Frauen dabei, ein Leben zu führen, zu dem ein gesunder und ausgewogener Lebensstil dazugehört, ohne Einschränkungen und ohne Schuldgefühle nach dem Essen. Die zertifizierte Expertin der renommierten Mac Nutrition Uni arbeitet seit 2019 in dieser Branche und lernt ständig dazu, wie sie selbst bekennt. „Seit dem Teenager-Alter habe ich mir Gedanken über meine Ernährung und mein Körperbild gemacht. Ich hatte kein Gleichgewicht in der Ernährung, teilte Lebensmittel in gut oder schlecht ein, fühlte mich schuldig, wenn ich Süßigkeiten, Schokolade oder Junkfood aß. Jetzt erst weiß ich, warum ich diese Erfahrung machen musste: damit ich Frauen verstehen kann, die das gleiche Problem haben“, erklärte die aus Broos/Orăștie  stammende Mutter zweier Mädchen gegenüber der ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu. Und verrät eine ganze Menge nützlicher Tipps für Urlaub, Alltag, gesunde Ernährung für Kinder...

Es ist Urlaubszeit und vielen Menschen fällt es jetzt schwer, sich nicht zu viel zu gönnen, vor allem, wenn sie einen All-inclusive-Urlaub gebucht haben. Was empfehlen Sie, um nicht mit zusätzlichen Kilos aus dem Urlaub zurückzukehren?

Ich möchte betonen, dass es normal ist, bei einem All-inclusive-Urlaub in Versuchung zu geraten, mehr zu essen. Das liegt an der großen Auswahl an Speisen und nicht daran, dass man nicht ambitioniert genug ist. Es gibt eine weit verbreitete Mentalität: Wenn ich für „All Inclusive“ bezahlt habe, dann esse ich auch, damit es sich lohnt. Die Wahrheit ist, dass, egal ob man weniger oder mehr isst, der Geldbetrag der gleiche bleibt, aber die Gesundheit und die Pfunde nicht. Ich verstehe dieses Essverhalten, weil ich es selbst erlebt habe. Im Urlaub schwankte ich zwischen zwei Extremen: Erst war ich sehr gierig - und dann kamen die Schuldgefühle und ich beschloss, ab morgen nichts mehr zu essen oder nach 18 Uhr nichts mehr zu essen. Schlechtes Essverhalten.

Es gibt ein paar kleine Dinge, die ich meinen Kunden empfehle, wenn sie sich für einen All-inclusive-Urlaub entscheiden:

Erstens: Sich immer die Erlaubnis zum Essen geben. So kontraintuitiv das auch klingt: Wenn wir aufhören, Lebensmittel als gut oder schlecht zu kategorisieren, ändert sich etwas. Verbotene Lebensmittel werden nicht mehr auf ein Podest gestellt und sind daher nicht mehr so verlockend.

Zweitens: Bei jeder Hauptmahlzeit überwiegend mageres Eiweiß wählen - Fisch, Pute, Huhn, Joghurt, magerer Schinken, Eier usw., und ein pflanzliches Eiweiß hinzufügen - Quinoa, Tofu, Linsen, Kichererbsen, Bohnen.

Drittens: Sie können Ihren Heißhunger getrost stillen. Sie können sich für Pommes entscheiden, und ich empfehle Ihnen, eine Portionsgröße zu wählen, die satt macht, aber nicht das Unbehagen aufkommen lässt, zu viel gegessen zu haben. Ein Beispiel könnte die Größe einer Faust sein.

Viertens: Viel Gemüse. Die Hälfte des Tellers sollte mit Gemüse und Grünzeug bedeckt sein.

Fünftens: Je nach Aktivitätsniveau können Sie Zwischenmahlzeiten wählen oder nicht. Ein Eis, vielleicht eine Limonade oder einen Kuchen, den Sie mit Ihren Lieben teilen.
Sechstens: Als Getränk empfehle ich Wasser bzw. Getränke ohne Zuckerzusatz. Wenn Sie Kaffee trinken, dann ein-zwei Tassen pro Tag, auf die Milchmenge achten und den Kaffee nicht zum Dessert machen.

Und zu guter Letzt: Bewegung. Wenn ich von Bewegung spreche, denken die Leute oft an Fitnessstudio. Dabei ist es viel wichtiger, was wir außerhalb des Fitnessstudios tun, z. B. viel spazieren gehen, nicht zu viel sitzen, öfter Fahrrad fahren, nicht mit dem Aufzug fahren, kurz gesagt, nicht den ganzen Tag auf dem Stuhl verbringen. Natürlich spielen auch körperliche Aktivitäten im Fitnessstudio oder im Freien eine Rolle, aber ich möchte den Schwerpunkt vom Kalorienverbrauch auf die Pflege unserer Gesundheit verlagern.

Wenn man sich Dokumentarfilme über die „Blue Zones“ der Welt ansieht, also die Gebiete, in denen die meisten Hundertjährigen leben, fällt auf, dass die Ernährung dort aus viel Gemüse und sehr wenig oder keinem Fleisch besteht. Was halten Sie davon?

Ich mag den Stil der Menschen in den blauen Zonen sehr! Es gibt einige Merkmale, die ihnen eigen sind, die ich empfehle und die dem gesunden Menschenverstand entsprechen. Sie essen auch Fleisch, Milchprodukte und Eier, aber nicht mehr als sie brauchen. Sie kochen meist zu Hause und ihre Ernährung besteht hauptsächlich aus Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide. Okinawa, Japan, gehört zu den blauen Zonen, dort gehören zu den Grundnahrungsmitteln Süßkartoffeln mit einem kleinen Anteil an Reis, Meeresfrüchte, Gemüse, Schweinefleisch und Soja. Ich erwähne dies, weil ich heute leider viele Menschen treffe, die nahrhafte Lebensmittel meiden.

Ich bin für Fleisch. Das Problem ist nicht der Fleischkonsum, sondern zu viel fettes Fleisch und zu wenig Gemüse.

Die Menschen in den blauen Zonen halten sich außerdem an den Spruch „Trachtet danach, ruhig zu leben, kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten und arbeitet mit euren Händen, wie ich euch geraten habe“ (1 Thessalonicher 4:11). Sie sind aktiv, gehen gerne spazieren, arbeiten mit ihren Händen, klettern auf Berge, gehen aufs Feld. Sie leben in einer Gemeinschaft und haben ihre Familie bei sich. Das bringt enormen Seelenfrieden. Sie sind dem Tageslicht mehr ausgesetzt und haben keinen hohen Stresspegel, wie wir in den Städten. Sie rauchen nicht. Sie sind gläubig und haben ein Ziel im Leben. Die Umweltverschmutzung ist in den Gebieten, in denen sie leben, niedrig.

Ab dem Alter von 35-40 Jahren ist es notwendig, die Muskeln zu trainieren, um nicht an Muskelmasse zu verlieren. Wie viel Protein braucht man dafür pro Tag und wie kann man es zu sich nehmen?

Ab dem Alter von 30 Jahren nimmt die Muskelmasse ab, wenn wir nicht konsequent trainieren. Sie kennen das Sprichwort: Wer sie nicht nutzt, verliert sie. Solange wir jung sind, merken wir es nicht, aber allmählich führt ein Mangel an Muskelmasse zur Sarkopenie, d.h. zu einer Beeinträchtigung der Muskelmasse, einer Verringerung der Muskelkraft und der Leistungsfähigkeit sowie zu Knochenbrüchen. Der Proteinbedarf ist individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab: Alter, Gesundheitszustand, Aktivitätsniveau, Gewicht, Zielsetzung usw. Das von mir empfohlene Minimum liegt bei einem bis 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Je nach Zielsetzung kann dieser Wert erhöht werden. Das ist nicht schwer zu erreichen, es erfordert nur ein wenig Organisation. Einige einfache Möglichkeiten sind:

Zum Frühstück: drei gekochte Eier, dazu ein-zwei Scheiben Brot mit viel Sommergemüse und einer Handvoll Himbeeren; oder: 300 Gramm griechischer Joghurt mit zwei Prozent Fett, Beeren, ein-zwei  Esslöffel Chiasamen; oder: eine Flasche Trinkjoghurt und eine Banane; oder: 100 Gramm Räucherlachs in Fladenbrot mit viel Gemüse und Frischkäse.
Zum Mittag- und Abendessen: Salate mit Thunfisch aus der Dose, Sardinen aus der Dose, Linsen, Kichererbsen, Grünzeug; oder: 100-150 Gramm Hähnchenbrust/Putenbrust mit Gemüse und Ofenkartoffeln; oder: 100-130 Gramm gebackener Lachs mit Reis und Brokkoli.

Was halten Sie von restriktiven Diäten, die versprechen, in kürzester Zeit stark abzunehmen?

Wenn es sich um Diäten handelt, bei denen man ganze Lebensmittelgruppen weglässt, um Entgiftungsdiäten, Aloe-Diäten, um Diäten, bei denen es keine Ernährungserziehung gibt, so kann ich sie nicht empfehlen. Um ein Kilogramm Fett abzubauen, braucht man ein Defizit von 7700 Kilokalorien. Es ist in der Realität nicht machbar, fünf Kilo in ein paar Tagen abzunehmen. Mein Ansatz ist, dass alle Lebensmittel nötig sind, auch beim Abnehmen. Ich unterstütze diesen umso mehr, als ich Mutter von zwei kleinen Mädchen bin, die ich zu einem gesunden Verhältnis zum Essen und zum eigenen Körper erziehen möchte.

Wenn wir ehrlich sind: Wir Frauen sind in einer Diätkultur aufgewachsen, die unsere Lebensqualität beeinträchtigt. Ich höre oft: Ab Montag starte ich eine Diät, ich esse keine Kohlenhydrate mehr, ich esse nicht mehr nach 18 Uhr. Die Frage ist: Wollen wir, dass unsere Kinder als Erwachsene zu restriktiven Diäten greifen? Wenn nicht, dann müssen wir bei uns selbst anfangen.

Immer mehr Kinder sind übergewichtig. Was machen die Eltern falsch? Worauf sollten sie achten?

2020 war mehr als die Hälfte der europäischen Bevölkerung übergewichtig oder fettleibig. Leider wird sich dieser Trend fortsetzen. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder sich ausgewogen ernähren, sich bewegen und gesund sind, ist es wichtig, sich durchzusetzen und Ausreden beiseite zu lassen. Ich empfehle in erster Linie das freie Spielen in der Natur.
Eltern sollten Mahlzeiten zu Hause aus einfachen, nahrhaften Lebensmitteln kochen. Sie müssen nicht stundenlang in der Küche stehen. Selbst ein paar gekochte Eier mit Gemüse und Vollkornbrot können ein perfektes Abendessen sein, wenn die Zeit knapp ist. Als Snacks empfehle ich Obst, Gemüse, Nüsse und Samenkerne. Es gibt für Kinder viele schön verpackte Kekse oder Snacks, ich empfehle, sie so selten wie möglich zu verwenden oder Obst und Gemüse dazu zu geben. Als Getränk empfehle ich einfaches Wasser. Eltern sollten vermeiden, ihren Kindern Säfte zu geben.

Ein weiterer wichtiger Punkt: nicht den Begriff „gute“ oder „schlechte“ Lebensmittel verwenden, sondern den Namen des Lebensmittels selbst. Kinder müssen mit nährstoffreichem Essen als Normalität aufwachsen, und das kann geschehen, wenn sie es in ihrer Familie als Normalität erleben.

Zu Hause, wo es eine Kontrolle gibt, empfehle ich den Eltern, Obst, Gemüse, Eier, Milchprodukte, Hühnchen, Truthahn, Bohnen, Kichererbsen, Hülsenfrüchte, Getreide und weniger zucker- und fetthaltige Produkte anzubieten. Fügen Sie zu jeder Mahlzeit Gemüse hinzu! Selbst wenn Kinder es nicht essen wollen, werden sie mit dieser Normalität aufwachsen.

Ihre Ratschläge sind online unter dem Motto „realistische Ratschläge vom Ernährungsberater“ zu finden. Was wäre zum Beispiel ein unrealistischer Ratschlag? Und wie teuer ist es, sich gesund zu ernähren?

Ein unrealistischer Ratschlag, dem ich selbst aufgesessen bin, ist, nur gesund zu essen, keinen Zucker, keine Süßigkeiten. Damit habe ich mich selbst zum Scheitern verurteilt, denn Perfektion gibt es in der Ernährung nicht.

In der heutigen Zeit, in der alles teuer ist, ist es hilfreich, seine Mahlzeiten zu organisieren, einen Essensplan zu haben, Lebensmittel von zu Hause zu verwenden und Verschwendung zu vermeiden. Man muss nicht nur Bio-Lebensmittel essen, um gesund zu sein.

Was halten Sie von Süßigkeiten? Womit kann man sie ersetzen?

Es gibt keinen Grund, sie zu ersetzen, sondern eher, sie zu reduzieren. Ich empfehle, die Mahlzeiten ausgewogen zu gestalten und zu Hause nur eine einzige Portion Süßigkeiten zu essen, und zwar aus einer kleinen Packung.

Was isst ein Ernährungsberater, um fit zu bleiben

Alles! Auf meiner Instagram-Seite ramona_radovancovici_

nutrition teile ich, was ich esse, und es sind überwiegend abwechslungsreiche Mahlzeiten, auch Süßigkeiten, Nudeln, Brot, Gemüse. Einfach alles. Meine Geheimnisse: Ich berücksichtige meinen Energiebedarf, vermeide sitzende Tätigkeiten, versuche, mich so viel wie möglich zu bewegen, gebe dem Schlaf den Vorrang, lasse keine Mahlzeiten aus, esse ausgewogen und höre auf meinen Körper. Und ich trinke viel Wasser!

 

Unter https://www.ramonaradovancovici.ro/ können Interessierte mehr über einen gesunden Lebensstil erfahren, sie können aber auch mit der Ernährungsberaterin Ramona Radovancovici in Kontakt treten. Auf Instagram und Facebook ist die Ernährungsberaterin auf "Ramona Radovancovici Nutrition" zu finden.