„Mach dir die Fremde zur Heimat, aber lass deine Heimat dir nie zur Fremde werden!“

300. Ansiedlungsjubiläum der Perjamoscher deutschsprachiger Bevölkerung hinterlässt substanzielle Spuren

Bei herrlichem Sommerwetter, doch im wohligen Schatten von Eichen, Kastanien und Eschen versammelte sich die Festgemeinde vor der imposanten Hauliker Kirche rund um das neue Denkmal.

Besonders ergreifend war gegen Ende des Messe die Aufzählung der ehemaligen Seelsorger: Für jeden Verstorbenen steckte ein Ministrant als Zeichen der Anerkennung und Dankbarkeit in eine Vase vor dem Altar eine rote Nelke, für die lebenden und teils anwesenden Priester eine weiße.

Das Denkmal „Perjamosch 300” mit QR-Code für den Abruf von Informationen Fotos: Astrid Weisz

Marschmusik auf den sonnendurchfluteten Straßen der Gemeinde, Gejuchze und viele bunte Trachten – so mancher wird sich wohl gefragt haben was im Perjamoscher Neudorf am Samstagvormittag des 27. Juli los sei. Denn die Tradition der banatschwäbischen Kirchweihfeste hat die Gemeinde mit der massiven Auswanderung der Banater Schwaben auch verloren. Zum 300. Jubiläum der Ansiedlung ihrer Vorfahren waren jedoch viele Landsleute von nah und fern, Gäste und Schaulustige versammelt, um nicht nur der Vergangenheit zu gedenken, sondern auch die Gegenwart zu feiern. Hauptmotoren der Veranstaltung waren die Heimatortsgemeinschaft (HOG), der Anton Enderele vorsteht, und die Gemeindeverwaltung mit Bürgermeister Cornel Dumitra{ an der Spitze. 

Im Ortsteil Neudorf, dort wo die imposante Hauliker Kirche mit der zweitgrößten Kuppel Rumäniens (nach dem Bukarester Athenäum) seit über 150 Jahren steht und schon von Weitem zu sehen ist, spielte die Rekascher Blasmusik, Kinder und Jugendliche in banatschwäbischen Trachten, aber auch Erwachsene in ihren Kirchweihtrachten oder Dirndln tanzten im Walzer- oder Polkaschritt. Die Gruppe „Sonnenblumen Perjamosch“ unter der Leitung von Bogdan Pîrvu hat zu diesem Anlass extra neue Trachten nähen lassen. Die Mädchen trugen stolz die gestärkten und plissierten Unter- und Oberröcke mit schwarzen Schürzen, lila eng anliegende seidene Schultertücher mit langen Fransen, in Falten gerafft, mit Brosche geschmückt, rückwärts über Kreuz gebunden und mit zwei Zipfeln breit auf den Röcken aufliegend, darunter Hemd und Leibchen, am Hals das schwarze Samtband und die Haare fest in zwei Zöpflein vom Scheitel nach hinten geflochten. Die Jungs (manche aus Hatzfeld, weil es der Gruppe noch an Buben mangelt) in weißem Hemd, Westen mit „Leiwesknepp“, schwarzen Hosen und einfachen schwarzen Hüten gaben auch ein strammes Bild ab. Spalier stand diese Trachtengruppe links, während auf der anderen Seite des Platzes vor der Kirche viele Kinder im Vor- und Grundschulalter in den Kindertrachten – die Mädchen mit zartgeblümten roten Röckchen, grünen Schürzen, weißen Hemdchen und die Jungen in schwarzen Hosen, weißen Hemden und Hosenträgern dazu - ein festliches und zugleich rührendes Bild abgaben. In der Mitte ein weißbedecktes Gebilde, davor Pult und ein Tisch, hinter dem sich die Ehrengäste reihten. Der Bürgermeister mit der rot-gelb-blauen Schärpe begrüßte den DFDR-Abgeordneten Ovidiu Gan], den HOG-Vorsitzenden Anton Enderle, die stellvertretende Vorsitzende der Landsmannschaft Banater Schwaben, Christine Neu, die Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Temesch und Temeswar, Dagmar [iclovan und Edith Singer, die Vorsitzende des Verbands der B²r²gan-Deportierten, Cornelia Fiat, die Vetreter der Landsmannschaft und des Hilfswerks Banater Schwaben, Erna Paler und Walter Altmaier, der römisch- und der griechisch-katholische Pfarrer aus dem Ort, Pfr. Attila Kozovits und Pr. Gheorghe Traian, sowie Vertreter der Kreis- und Kommunalverwaltung. Viele Perjamoscher aber auch Banater Schwaben aus den umliegenden Orten und aus Temeswar kamen.

Bevor Pfr. Kozovits das Denkmal einweihte, gab es Ansprachen auf Rumänisch und Deutsch seitens der Veranstalter und Ehrengäste, die allesamt die gute Zusammenarbeit der rumänischen Verwaltung mit der Heimatortsgemeinschaft, aber auch den Beitrag der Banater Schwaben zum Aufbau der Gemeinde würdigten. Besonders erwähnt wurden die Beiträge der emeritierten Deutschlehrerin Sigrid Kuhn, von Mihai Diaconu und Franz Baum, die sich vor Ort um das Organisieren gekümmert haben, wobei die Buchvorstellung einer Ortsmonografie, sowohl auf Rumänisch als auch auf Deutsch von Sigrid Kuhn den Auftakt der Veranstaltungen am Freitagnachmittag im Kulturheim dargestellt hat. Die Notwendigkeit ergab sich laut Autorin des Buchs „Perjamosch 1724-2024 – 300 Jahre seit der Ansiedlung der Deutschen in Perjamosch” dadurch, dass die vorhandenen Monografien schon veraltet waren (von Dr. Lammert auf Rumänisch nach dem Zweiten Weltkrieg, auf Deutsch von der Heimatortsgemeinschaft in den 70er Jahren) und so sei anstelle einer Festschrift eine kleine Monografie entstanden, die mit finanzieller Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen über das Demokratische Forum der Deutschen beim Cosmopolitan-Art-Verlag herausgegeben wurde. Das Besondere an Perjamosch sei, dass es von der Bevölkerung der umliegenden Dörfer als „herrisch” angesehen wurde, zumal sich gerade im „Neudorf” sehr viel Gewerbetreibende  niederließen, kleinere bis größere Betriebe gründeten und sich so von den vorwiegend mit Landwirtschaft beschäftigten Bauern im „Altdorf” und der Umgebung abgrenzten. Besonders bleibt heutzutage auch, dass trotz des relativ kleinen Anteils an deutscher Bevölkerung (knapp 60 Personen laut jüngster Volkszählung) es im Ort sowohl deutschsprachigen Kindergarten als auch deutschsprachige Grundschule mit Simultanunterricht gibt (sonst ist deutschsprachiger Unterricht im Banat nur noch in einigen Städten zu finden).

Mit Unterstützung der ausgewanderten Perjamoscher und des Kulturwerks der Banater Schwaben wurde das Denkmal von Walter Niklos entworfen und sollte duch die quadratischen Bausteine den Aufbau und die Frakturen in der Geschichte des Ortes darstellen. Einprägsam dazu auch die Texttafeln vorne „Nach der Befreiung des Banats von der osmanischen Herrschaft durch habsburgische Truppen unter Prinz Eugen von Savoyen im Jahr 1716 bezogen 1724 die ersten deutschen Siedler ihre Hofstellen in Perjamosch. Trotz vieler Widrigkeiten entwickelten sie ihr Dorf zu einer wohlhabenden Marktgemeinde mit fortschrittlicher Landwirtschaft, florierenden Handwerks- und Industriebetrieben, mit regem Kulturleben und einem modernen Schulzentrum. Im 20. Jahrhunder führten die Folgen des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Diktatur nach vielen Jahrzehnten des friedlichen Zusammenlebens aller Ethnien zum Exodus von fast der gesamten deutschen Bevölkerung” und seitlich: „Zum Gedenken an unsere in Perjamosch verstorbenen Vorfahren, an die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege, an die Toten der Flucht 1944, an die Opfer der Russlandverschleppung 1945-1949 und der Deportation in die B²r²gan-Steppe 1951-1956, sowie an die verstorbenen Landsleute in aller Welt. Ruhe den Toten – Friede den Lebenden!”.

Zu Mittag lud die Gemeindeverwaltung zu einem üppigen Empfang im renovierten und angenehm kühlen Kulturheim (draußen waren es mittlerweile 33 Grad bei heiterem Himmel und nur leichtem Wind). Dies bot Gelegenheit zu Gesprächen und Wiedersehen. Ein weiterer emotionaler und festlicher Höhepunkt ereignete sich am späten Nachmittag, diesmal in dem älteren Teil des Ortes, in der Nepomuk-Kirche, mit den lebendig erscheinenden Wandmalereien der Ferch-Brüder: Generalvikar Msgr. Johann Dirschl zelebriete die Messe nebst dem Temescher Dechanten, Domherr Adalbert Jäger, Pfr. Attila Kozovits, Seelsorger in Perjamosch, Petschkaer Pfarrer Ferenc Czeglédi und weiteren eingeladenen Priestern aus der Umgebung. Für den musikalischen Rahmen mit bekannten Kirchenliedern, die teils die ganze Gemeinde mit anstimmte, sorgte Prof. Christine Surdu an der Wegenstein-Orgel. Msgr. Dirschl durchging in seiner Predigt in groben Zügen die Geschichte des Gotteshauses, sprach über den Patron, aber auch über seine persönliche Erfahrung in Perjamosch, wo er ab Sommer 1986 drei Jahre lang als Pfarradministrator gedient hat – in einer Zeit, als die Auswanderung der Deutschen aus dem Banat bereits in vollem Gange war. Pfarrer Kozovits sprach gegen Ende der Festmesse vielen direkt in die Seele: „Heimat ist die Geborgenheit und das Bewusstsein, dass wir in eine Gemeinschaft, in eine Familie hineingeboren wurden, dort aufgewachsen sind und dies auch im Laufe des Lebens immer wieder erfahren. Der Mensch kehrt immer wieder dorthin zurück, wo er geboren wurde, wo er aufgewachsen ist, wo er diese Gemeinschaft und diese Wärme und Geborgenheit erfahren hat. Viele ältere Menschen kehren immer wieder hierher zurück, manche von ihnen für immer. Deswegen, glaube ich, sind Heimattage und Jubiläumsanlässe immer wieder notwendig, nicht nur schön, sondern lebensnotwendig. Es gebührt Dank und Anerkennung all jenen, die sich in diese Richtung bemühen, in erster Reihe dem Herrn Vorsitzenden der HOG Perjamosch Anton Enderle und all seinen Mitarbeitern, die uns immer wieder von Neuem zu Bewusstsein bringen, dass wir eine Heimat haben auch dort, wo wir in der Fremde sind, nach dem alten Segensspruch: Mach dir die Fremde zur Heimat, aber lass deine Heimat dir nie zur Fremde werden.“ Pfarrer Kozovits gab auch zu bedenken, wie sehr die Wechselhaftigkeit der Geschichte die Gemeinde mit Zivilämtern, Persönlichkeiten, Gesellschaftsordungen, Bauwerken und Ortsplänen geprägt habe. „Das einzige Amt, das seine ursprüngliche Form und Aufgabe seit 1724 beibehalten hat, ist die römisch-katholische Pfarrei Perjamosch“. Nach der Messe fand man sich zu einem freundlichen Austausch mit kühlen Erfrischungsgetränken im schattigen großen Hof der Pfarrei ein, bevor es erneut ins Kulturheim zu einem Empfang mit Gulaschessen und Tanz ging. 
Der Sonntagvormittag war in Perjamosch um 9 Uhr für den Sonntagsgottesdienst und ab 10 Uhr für das Totengedenken vorgesehen. Auf dem Altdorfer Friedhof fand die Hauptgedenkfeier statt. Begonnen hat die Andacht der griechisch-katholische Pfarrer Gheorghe Traian, Pfarrer Kozovits hielt eine Predigt und HOG-Vorsitzender Enderle eine Rede, und zählte eine sehr ausführliche Liste von Toten auf, deren gedacht wurde, die Todesursachen reichten von Seuchen und Krankheiten über Kriege, Deportation (mit Namen der wichtigsten Lager und Orte sowohl in Russland wie auch im B²r²gan), Opfer der kommunistischen Willkür (Donaukanal) – und nannte die genaue Anzahl der Toten in der jeweiligen Kategorie, um letztendlich einen Appell für den Frieden zu sprechen, so die Ortsforumsvorsitzende Dietlinde Huhn aus Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, die unterstreicht: „Sehr passend, einfühlsam und hochprofessionell waren die musikalischen Einlagen der Saxophonistin (mit Perjamoscher Wurzeln), Ilona Haberkamp“. Auch auf dem Hauliker Friedhof gab es eine würdige Feier, bei der diesmal auch Corinna Mineur seitens der HOG das Wort ergriff. In Periam Port klangen die Feierlichkeiten für die Gäste von nah und fern bei einem gemütlichen Beisammensein aus.