Mal schweißen, mal pauken

Zum Start der dualen Berufsausbildung in Westrumänien

In Deutschland hat es sich seit Jahrzehnten bewährt: Das sogenannte „duale Ausbildungsmodell” für Facharbeiter und Handwerker. Das bedeutet, angehende KFZ-Mechaniker, Schreiner oder Elektriker gehen, um nur ein paar Beispiele zu nennen, die Hälfte ihrer Ausbildungszeit in die Berufsschule. Die andere Hälfte absolvieren sie in einem Betrieb.

Nun macht das duale Modell „Made in Germany” auch in Osteuropa Schule. In Rumänien wurden nach einer entsprechenden Gesetzesänderung Pilotprojekte gestartet, die das duale Modell übernehmen. Betreiber sind vor allem deutsche Investoren, die bislang alle Mühe hatten, genügend Facharbeiter für ihre Fabriken zu gewinnen. Dass die Übertragung des dualen Systems auf ein Land wie Rumänien aber nicht ganz so einfach ist, haben wir vor Ort in Erfahrung gebracht.

Pioniere im Pilotprojekt

Der erste Tag: 18 junge Frauen und Männer sitzen in einem Seminarraum des Continental- („Conti“) Werks Temeswar/Timişoara. Ein Mitarbeiter erklärt die Produktionsabläufe im Werk. Die jungen Leute hören ihm aufmerksam zu. „Elektriker will ich werden. Aber naja, ohne praktische Erfahrung kann man ja später nicht arbeiten. Unser Modell hier funktioniert so: vier Wochen Schule, dann drei Wochen praktische Arbeit im Betrieb, dann wieder Schule, schließlich sechs Wochen praktische Arbeit im Betrieb”, sagt Olimpiu Cercel, der, wenn man so will, ein Pionier ist. Er nimmt an einem Pilotprojekt teil, das beispielgebend sein soll für die Facharbeiterausbildung in ganz Rumänien, und er gehört damit zu den Ersten. Der Phase im Betrieb folgt die Berufsschule, ganz so wie in Deutschland. Dort wird die duale Berufsausbildung seit Jahren als Erfolgsmodell gefeiert. In Rumänien dagegen liegt die Ausbildung junger Handwerker und Facharbeiter seit Jahren brach.

Aufbau eines Mittelbaus

„In Rumänien haben wir leider nur Hochschulabgänger oder Unqualifizierte. Der Mittelbau fehlt”, so Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat in Temeswar. Dort haben sich zahlreiche österreichische, schweizerische und vor allem deutsche Investoren (aber auch deutschsprachige rumänische Investoren und Manager) zusammengeschlossen, die alle ein gemeinsames Problem drückt: der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Hochmuth weiter: „In den letzten Jahren haben sich die Firmen damit beholfen, dass sie Unqualifizierte in internen Kursen angelernt haben, quasi: Lernen am Arbeitsplatz. Aber das reicht immer weniger. Also Rumänien, insbesondere der Westen hier im Banat, ist kein Billiglohnland mehr, es geht nicht mehr um Textilien oder einfache Produktion. Ganz im Gegenteil: Hier wird entwickelt, und hier wird hochwertig entwickelt. Aber dazu braucht man auch ausgebildete, qualifizierte Arbeitskräfte.”

Die aber fehlen bis auf Weiteres: Sei es der Maschinenschlosser, der KFZ-Mechaniker oder der Elektriker – die meisten, die in solchen Jobs arbeiten, haben sich ihre Kenntnisse im Do-it-yourself-Verfahren angeeignet. Bis vor drei Jahren gab es noch die sogenannten Berufsschulen, auf denen junge Interessenten solche Berufe lernen konnten. Hinter diesen Schulen standen zumeist große staatliche Unternehmen – ein Relikt aus der Zeit des Kommunismus. Die Facharbeiterausbildung an diesen Schulen wurde aber vor drei Jahren eingestellt. Deshalb nun also der Start der dualen Berufsausbildung in zwei Pilotprojekten: im westrumänischen Temeswar und im zentralrumänischen Kronstadt/Braşov. In Temeswar arbeiten die drei Werke der Continental AG, die als Erste duale Ausbildungsplätze anbieten, ganz gezielt mit einer staatlichen Schule zusammen.

Breitere Basis angestrebt

Das ist für Dr. Christian von Albrichsfeld, Geschäftsführer von Continental Automotive, ein ganz wichtiger Punkt:
„Wir erleben hier in Rumänien einen sehr offenen Arbeitsmarkt. Das heißt, gut ausgebildete Leute, die man anlernt, die werden gerne abgeworben von anderen Firmen. Wir können deshalb dieses System nur dann zum Erfolg bringen, wenn wir es auf eine breitere Basis stellen. Und das war unser Ziel in Temeswar. Wir brauchen jetzt Berufsschulen, die mit uns kooperieren, die dann aber ihre Lerninhalte auch anderen zur Verfügung stellen können.”

Die erste staatliche Schule, die sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt hat, ist das Colegiul Tehnic „Regele Ferdinand”, zu deutsch: das Technische Kolleg „König Ferdinand”, eine Art berufliches Gymnasium. In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium und mit den beteiligten Unternehmen hat Direktorin Patricia Elida Pisano die Lehrpläne entwickelt. Neben den fachspezifischen Inhalten geht es ihr, ganz nach dem deutschen Vorbild, um die Vermittlung von Allgemeinbildung: „Sie lernen die rumänische Sprache, sie lernen Fremdsprachen, Mathematik, Physik und Geschichte, allerdings nicht ganz so intensiv wie die Schüler in den gymnasialen Kursen.” Das wiederum ist auch aus Sicht der deutschen Investoren wichtig, die die dualen Ausbildungsprojekte auf den Weg gebracht haben.

Peter Hochmuth vom Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat in Temeswar: „Das sehen wir als sehr wichtig an, dass die Allgemeinbildung dabei nicht zu kurz kommt. Ein junger qualifizierter Arbeiter soll ja die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden, in Richtung Meister oder Techniker. Er braucht eine Allgemeinbildung. Und das ist im Anlernen zu kurz gekommen. Für hier wollen wir jetzt auch Deutschkurse anbieten, sodass der Schweißer oder der Mechatroniker Basiskenntnisse in Deutsch hat, damit er sich mit dem Kollegen aus Deutschland oder Österreich unterhalten kann.”
Klingt alles gut – und wird doch teilweise in Rumänien sehr kritisch beäugt. „Duale Ausbildung” setzen manche Kommentatoren gleich mit „Dualer Ausbeutung”. Hochmuth: „Ich habe in der lokalen Presse gelesen: Die Deutschen wollen unsere Kinder besser ausbilden, damit sie sie besser ausnutzen können. Also, so etwas steht hier in den Zeitungen. Mit solchen Vorurteilen müssen wir kämpfen.”

Nachahmer erwünscht

Und schließlich gibt es auch aus dem Bildungssektor selbst Gegenwind. Peter Hochmuth: „Einer der Gegenspieler sind diese sogenannten ‘Privatuniversitäten’, die in Rumänien immer noch gegen gutes Geld praktisch Diplome verkaufen. Das muss ein ganz gutes Geschäft sein. Und die im dualen System Ausgebildeten können nicht zu deren ‘Kunden’ werden. Diese Privatunis fürchten nun also um ihre Pfründe, wenn junge Leute verstärkt eine duale Ausbildung beginnen, statt sich bei ihnen zu immatrikulieren.” Er stellte fest: „Auf der anderen Seite sind es die Schulen, die nach Schülern finanziert werden und unter Druck geraten. Wenn wir uns jetzt aber eine Schule aussuchen, die Mechatroniker und junge Schweißer ausbildet, dann wollen wir auch junge Leute aus anderen Schulen an diese Schule bringen. Dann haben wir automatisch einen Konflikt mit anderen Schulen, weil die dann eine Handvoll Schüler weniger haben und ein entsprechend niedrigeres Budget zugeteilt bekommen.”

Auch deshalb hoffen die Initiatioren des dualen Pilotprojektes (die sich übrigens auf eine Initiative und mit Ermutigung des Ex-Bildungsministers, Daniel Funeriu, mobilisiert haben, dem gegenwärtigen Bildungsberater von Präsident Traian Băsescu), dass es ihnen in naher Zukunft möglichst viele Unternehmen gleich machen, auch solche mit ausschließlich rumänischem Kapital. Die Chancen dafür stehen nach Ansicht von Schulleiterin Patricia Elida Pisano vom Colegiul Tehnic „Regele Ferdinand” nicht schlecht: „Ich komme gerade von einem großen Betrieb zurück – da hatte ich eine Besprechung. Und die Werkleitung hat sich für unser Modell sehr interessiert. Sie brauchen ja auch gut ausgebildete Leute für die Zukunft. Das duale Modell hat große Chancen bei uns im Land. Denn: Es gibt überall einen großen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften!”