„Mich trieb eine verrückte Sehnsucht“

Costin Pity - Zirkusakrobat, Komiker und Star der RTL-Show “Das Supertalent 2011” bezaubert nicht nur das deutsche Publikum

Mit seiner komischen Trampolinnummer eroberte der Akrobat aus Rumänien die Herzen der deutschen Fernsehzuschauer.

Seit frühester Kindheit faszinierte Costin (hier an der Spitze der Pyramide) die bunte Welt der Artisten unter der Zirkuskuppel.

Ein Gesicht, ein Herz und eine Seele – und dasselbe Talent, meint Papa Costin, hier mit Söhnchen Brian Alexandru.

Unter 43.000 Kandidaten profilierte sich Constantin Bellu alias Costin Pity in der Vorentscheidung für „Das Supertalent 2011“.

„Ich bin 44 Jahre alt und wohne überall – so sind wir Zirkusleute“, lacht der sympathische Trampolinakrobat Constantin Bellu, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Costin Pity. Selbst der scharfzüngige Dieter Bohlen schweigt mit angehaltenem Atem, als er den Mann wie biegsames Gummi immer wieder hoch durch die Lüfte fliegen sieht. Die Gitarre zwischen den Beinen, Sprünge auf Händen, Füßen oder  dem Hinterteil, Salto vorne und zurück... und dann eine entsetzliche Schrecksekunde für Jury und Zuschauer.

Mit Wucht knallt der Mann frontal auf die Balustrade, gleitet mit schmerzverzerrtem Gesicht über die Brüstung – und „rettet“ sich mit einem tollkühnen Sprung lachend in allerletzter Minute. Alles nur Spaß gewesen! Das Publikum rast. Atemlos schwitzend steht er am Ende  vor der Jury. Er schnappt sich erschöpft ein Glas Wasser von deren Tresen, stürzt es in einem Atemzug hinunter – und prustet es über die tiefdekolletierten, quiekenden jungen Damen! Bohlen grinst vergnügt von einem Ohr zum anderen. So etwas hat er wohl noch nicht erlebt. Im Hintergrund leuchtet in Neonschrift: „Das Supertalent 2011“.

Der Künstler und Komiker, der Deutschlands RTL-Zuschauer im Sturm eroberte, sorgte damit auch in seiner alten Heimat für Furore. Die Besucherstatistik auf YouTube erreichte schnell astronomische Zahlen. Dabei ist Costin Pity beileibe kein Neuling in der Welt der Artisten. Seit 30 Jahren ist er in der Zirkuswelt beliebt und bekannt. Im Jahr 2000 ging für ihn sogar ein langersehnter beruflicher Wunsch in Erfüllung: als Teil des „Trio Fantastico“ nahm er am Internationalen Zirkusfestival in Monte Carlo teil, dem weltweit größten Spektakel dieser Art, wo er mit einem Preis ausgezeichnet wurde.

Seit 2002 sind seine komischen Trampolinsolos in der europäischen Zirkuswelt der Renner. Namhafte Veranstalter aus Deutschland, Frankreich, Holland, Norwegen und der Schweiz hatten das aus Rumänien stammende Talent schon im Repertoire, verrät seine mit vielen schillernden Bildern illustrierte Webseite. 2010 hatte ihn sogar ein Kreuzfahrtschiff für sein Unterhaltungsprogramm gebucht. Ein anderes Leben kann sich Constantin Bellu  trotz vieler Entbehrungen im privaten Bereich, die dieser Beruf fordert, längst nicht mehr vorstellen.

Der frühe Traum von der Manege

Das Zirkusleben liegt ihm von Kindesbeinen an im Blut. „Ich war von klein auf fasziniert von Akrobatik“, lacht der Künstler und fügt hinzu: „schon vor meiner Einschulung hab ich das Bett meiner Eltern kaputtgesprungen“.  Seine Karriere begann wie im Bilderbuch. Von seltenen Zirkusbesuchen inspiriert, denn die Karten waren meist zu teuer, führte er tollkühne Kunststückchen im Sportunterricht auf, so dass der Lehrer die Hände über dem Kopf zusammenschlug. „Du bist  für den Zirkus, nicht für den Leistungssport!“ stöhnte er oft, wenn der Junge mal wieder mit einem dreifachen Salto vom Sprungbrett ins Schwimmbecken sprang. „Eine naive, verrückte Sehnsucht trieb mich voran“, gesteht Costin heute. „Ich lernte täglich irgendwelche neuen Kunststücke, hatte überhaupt keine Angst. Obwohl ich aus keiner Artistenfamilie komme, war mein sehnlichster Wunsch, eines Tages unter der Zirkuskuppel zu stehen.“ 

Im Alter von elf Jahren erfüllte sich sein Traum. Mit dem Zirkus Globus reiste er bald durch Rumänien, später sogar auf eine unvergessliche Tournee nach Griechenland. Anfangs wussten die Eltern nichts von den heimlichen Trainingsstunden ihres Sohnes im Zirkus, bis der Mutter langsam etwas schwante. Es war der stets nach den Tieren der Manege „duftende“ Trainingsanzug, den der Junge neben seinem Bett einsatzbereit hielt, der schließlich sein Geheimnis verriet. Doch nachdem die Eltern ihn einmal bei der Aufführung gesehen hatten, gaben sie seinem Herzenswunsch nach und ließen ihn mit dem Zirkus ziehen.

Sein Traum hatte sich erfüllt! Als Teil einer Icarian-Games Gruppe durfte er sogar mit ins Ausland reisen und genoss früh Anerkennung und gute Bezahlung. Doch leicht waren die zehn Lehrjahre im rumänischen Zirkus trotzdem nicht. „Zu wenig Kindheit, zu viel harte Arbeit, und oft hielt mich der Chef der Truppe ziemlich kurz“ fasst der Akrobat seine ersten Zirkusjahre zusammen. „Er war sehr streng und ließ mich auch in der Freizeit nur selten heim zu meinen Eltern “, bekennt Constantin  Bellu. „Ich musste sogar bei seiner Familie wohnen und schlafen, nur damit er mich besser kontrollieren konnte.“ Oft hatte er Sehnsucht nach Mutter und Vater, nach dem Zuhause in Balta Albă, im Sektor 3 von Bukarest. Und doch überwog die Faszination des Wanderlebens. Und der Druck der Verträge und Tourneen.  

Familie war eine Phase in meinem Leben

1999 wurde er von einem Schweizer Zirkus fest engagiert. Er verliebte sich in Alexandra Nock, die Tochter des Direktors. Als Sohn Brian Alexandru  unterwegs war, schien das junge Glück perfekt. Der rastlose Weltenbummler hatte einen heimatlichen Hafen gefunden. Leider hielt das Glück nicht ewig. Zu unterschiedlich waren die Mentalitäten des Akrobaten aus Rumänien, der sich seine Bilderbuchkarriere hart hatte erarbeiten müssen, und der schweizerischen Zirkusdirektorentochter. 

„Mein Leben ist voller Unvorhersehbarkeiten, Nonstop. Manchmal ohne mein Zutun, manchmal von mir provoziert...“ sinniert  der Artist. „Familie... Ja, ich hatte Familie. Es war eine Phase in meinem Leben.“ Geblieben ist ihm Brian, heute  sieben Jahre alt, und die Schwiegereltern, die ihn immer noch wie einen eigenen Sohn behandeln.  Auch mit Alexandra hat er sich ein gutes Verhältnis bewahrt – und eine feste Meldeanschrift in der Schweiz. Die Ferien versucht er, so oft es nur geht, mit  seinem Jungen zusammen zu verbringen.
Bereut hat Constantin Bellu nichts. „Ich war schon immer ein Adept des positiven Denkens“, bekennt der Künstler. Nun ist wieder die große weite Welt sein Zuhause.

Rumänien ist meine Heimat

Im Herzen ist trotzdem Rumänien seine Heimat  geblieben. An den Westeuropäern schätzt er zwar Korrektheit und „den Respekt, den du bekommst, aber auch gewährst.“ Doch packt ihn manchmal die Sehnsucht nach den warmherzigeren und entspannteren Menschen in Rumänien. Ob er jemals hierher zurückkehren wird, steht jedoch in den Sternen. Noch liebt er seinen Beruf zu sehr, um an das Danach zu denken,  auch wenn das Künstlerdasein  einen harten Tribut fordert.

Immer aus dem Koffer leben, ständiges Trainieren, dazu kommt der enorme Druck einer übergroßen Konkurrenz. „Mir ist schon bewusst, dass das nicht ewig so weitergeht, man wird ja nicht jünger“ bekennt Constantin Bellu. Er hofft, später einmal als Trainer im Zirkus oder zumindest in der Branche  Sport und Bewegung unterzukommen. Doch bis dahin will er sein jetziges Leben bis zur Neige auskosten. „Ich bin eben ein Show-Man“, bekennt der Akrobat und Komiker mit einem entwaffnenden, breiten Grinsen.

Den Superstar-Wettbewerb 2011 hat er zwar nicht gewonnen, doch immerhin setzte er sich gegen 43.000 Kandidaten durch –  eine durchaus beachtliche Leistung. Was für ihn jedoch noch mehr zählt, ist die Tatsache, dass Produzenten und Regisseure von großen, internationalen Spektakeln auf ihn aufmerksam wurden. Als Solokünstler muss man stets am Ball bleiben,  anders als in einer Truppe.

Resümee und ein Rat an die Jugend

Akrobat sein, das bedeutet eine enorme Hingabe, seelisch, moralisch und physisch. Auch wenn Costin heute nicht mehr wie früher stundenlanges Aufbautraining in der Manege betreiben muss, sondern sich gezielt auf seine Nummern vorbereitet, kann er  sich  größere Pausen nicht leisten. Ein Akrobat muss ständig fit bleiben. Das bedeutet tägliches Training, selbst in den Pausen zwischen den Engagements oder sogar im Urlaub.

Ob er diesen Beruf akrobatikbegeisterten Jugendlichen heute noch empfehlen würde? „Schwer zu sagen, denn vieles hat sich geändert“, meint Constantin Bellu nachdenklich. „Heute herrschen andere Zeiten, ein anderes Umfeld als damals, und in der Branche hat sicheine andere Mentalität breitgemacht.“  Viele junge Menschen liebäugeln mit  Geld und einem besseren Leben. Doch Talent und harte Arbeit reichen nicht für den Weg zum Erfolg. Das Einzige, was wirklich zählt, ist die Begeisterung. Wer diese in sich spürt, dem rät er: „Sei einfach du selbst!“