Nach der Flucht 1946: Durchgeprügelt bis Weihnachten

Ein Bericht über meine Verschleppung in die Sowjetunion

Von unserem Arbeitsplatz (Steinbruch) beim Lager Nowotroizk im Donbass-Gebiet sind wir am 20. September geflüchtet, am 29. Oktober wurden wir an der sowjetisch-rumänischen Grenze gefangen genommen. Von dem Zeitpunkt an wurden wir unterwegs und im Arrest durchgeprügelt bis Weihnachten, bis zum 24. Dezember 1946, als wir im Straflager ankamen. Es soll sich mal einer vorstellen, wie wir ausgesehen haben. Wir waren drei Monate unterwegs, kaputt geschlagen und ausgehungert. Wir waren fast am Ende, zudem verlaust und verdreckt. So hätte niemand erkannt, wer wir wirklich sind. In dem Zustand kamen wir im Lager an. Dort hat uns ein Mann übernommen und einem Offizier übergeben. Dieser hat jemanden gerufen, der Arrestmeister war. Der schimpfte nur: deutsche Schweine, Kriegsverbrecher. Das war der 24. Dezember 1946, da hatten wir schöne Weihnachten im Arrest.

Dieser Arrestmeister war ein richtiger Verbrecher. Als wir im Keller waren, sagte er nur noch: „Ihr deutschen Schweine.“ Er brachte den Rasierer zum Haare schneiden und rasieren. Er war vom achten Lager, Nr. 1087 und kam aus Deutschsanktmichael/Sânmihaiu German. Man sagte auf Schwäbisch: „Zillasch.“ Wir haben erst später erfahren, wie er heißt: „De Balweerer Kleitsch Hans aus Zillasch.“

Als wir fertig rasiert waren, schrie der Arrestmeister: „Kommt mit!“ Wir gingen ins Bad. Dort hat er uns dem Bademeister übergeben. Dieser sagte: „Ausziehen, die Kleider werden entlaust!“ Und wir mussten duschen. Das war für uns sehr gut, da wir nach so langer Zeit wieder einmal sauber wurden vom Dreck und von den Läusen, die so viele waren, dass die Kappe auf dem Kopf gewackelt hat. Das war schon sehr, sehr notwendig. Was sich dabei ereignet hat, war für uns zwei jedoch gefährlich. Der Bademeister fragte, woher wir kommen, ob wir vielleicht aus Rumänien kommen würden, vielleicht aus Jahrmarkt/Giarmata. Da bin ich erschrocken. Er sagte, wir sollen keine Angst haben, weil er auch so einer ist wie wir, er kommt aus Ungarn und heißt Stark, Josef. Er ist schon länger da. Er kennt einige Mädchen, die kommen aus Jahrmarkt. Eine von ihnen kommt gleich, sie ist in der Wäscherei zur Arbeit. Sie heißt Kathi. Jetzt wurde die Sache gefährlich für mich und meinen Kameraden, denn wir hatten ja falsche Namen.

Als wir im Bad soweit fertig waren, kam die Kathi, das war wieder eine große Überraschung. Der Bademeister sagte: „Da sind wieder Frische angekommen und ich fragte, ob sie vielleicht auch aus Jahrmarkt sind. Sie haben nicht geantwortet.“ Als wir gerade fertig waren, kam Kathi an ein kleines Fenster und schaute hinein: „Ich bin die Andrei, Kathi aus Jahrmarkt.“ Ich sagte zu ihr: „Kathi pass auf, ich sage dir meinen Namen: ich heiße Graure, Ion, nicht Probst, Hans. Kathi, das ist jetzt mein Name!“ Kathi sagte uns, dass noch zwei Mädchen aus Jahrmarkt da sind, die eine ist die Hügel, Kathi von der Insel und die andere ist die Polack, Evi aus der Zigeunergasse. Jetzt wurde es gefährlich, wegen unserer falschen Namen, weil die Mädchen mich kannten. Wir waren nämlich Schulkameraden. Nun – nachdem wir alles besprochen hatten – konnte ich mich auf sie verlassen, weil sie alles so einhalten wollten, wie es abgemacht war. Ich hatte Glück, denn sie arbeiteten in der Küche. Deshalb habe ich oft Essen bekommen, auch für meinen Kameraden aus Siebenbürgen. Aber dann wurden wir zehn Tage in den Keller gesperrt, von einem anderen wilden Arrestmeister. Er war grausam und böse, hat uns geschlagen und als Kriegsverbrecher beschimpft. Sein Name war Maniurga. Er stammte aus Polen. Das Lager war von Beginn an mit Leuten aus Polen gefüllt. Danach wurde es ein Straflager, weil so viele geflüchtet, gefangen und dorthin gebracht wurden. Deshalb wurde es zum Straflager Nr. 1086, Bezirk Nr. 6, Saporoshje.

Wir sind oft zum Geheimdienst gerufen worden, weil sie herausfinden wollten, wer wir sind und woher wir kommen. Ich sagte, wir sind aus Rumänien, auch die richtige Adresse nannte ich, nur der Name war falsch. Es hat sehr lange gedauert, bis das so weit klar war. Ich hatte öfter mit der Dolmetscherin gesprochen und ihr erklärt, dass wir nicht im Krieg dabei waren. Das glaubte sie uns nicht und so kam das Schlimmste für uns: Beide kamen wir vor Gericht.