Oh, Izabela!

Symbolbild: sxc.hu

Obwohl ich dank zahlloser Überlandfahrten Rumäniens Straßenkarte fast wie meine Westentasche kenne, sind meine profunden Ortskenntnisse bei meinem Göttergatten auf einmal völlig abgemeldet. Statt dessen hört er nur noch auf die sanfte, wenn auch leicht heiser klingende Stimme von Izabela. Ohne seine neue Begleiterin will er nicht mal mehr zum Bäcker fahren, geschweige denn nach Ploieşti oder nach Kronstadt, was wir bisher auch blind und ganz ohne Kartenkenntnisse schafften. „Was meint Izabela?“ tönt es nun alle fünf Kilometer, egal ob wir über entlegenste Dorfstraßen in der Maramuresch schaukeln oder die Autobahn Bukarest – Piteşti entlangrasen. Dann ein verklärter Blick in meinen Arm, wo das kleine Wesen, das erst vor wenigen Tagen in unser Leben trat, sanft gebettet ruht, damit ihm auf holprigen Wegen nur ja nichts passiert. Verständlich, denn Izabela ist uns lieb und war teuer...

„Links abbiegen“ ruft das Mädel auf einmal gebieterisch und mein Mann gibt nach, ohne Widerworte – ungewohnt. Und dies, obwohl Izabela uns schon acht Kilometer über Stock und Stein von Bistritz nach Şieuţ geführt hat (nun kennen wir endlich auch Şieuţ!), in der festen Meinung, dies sei der kürzeste Weg nach Sächsisch-Regen/Reghin. Argumentieren zwecklos. „Aus der Serie ‚Wir lernen unser Vaterland kennen‘“, kommentierte mein Mann noch scherzend, während das Fahrgestell unter uns bedrohlich klapperte. Doch eins muss man ihr lassen, die Landschaft war herrlich: der Blick frei bis zum Horizont, nach vorne, nach hinten und zu beiden Seiten. So muss Siebenbürgen ausgesehen haben, bevor die Sachsen und Ungarn kamen. Immerhin, der steinige Holperweg war ausgefräst wie eine dreispurige Autobahn. Eine virtuelle Asphaltstraße, in statu nascendi... Irgendwann verschlägt es uns dann doch wieder in die Asphalt-Zivilisation.
Dann, kurz vor dem Ziel – wir hatten fast schon den Pizzaduft aus dem Backofen unserer Freunde in der Nase, die wir in Deutsch-Tekes besuchen wollten – fällt Izabela auf einmal eine besonders kreative Wegvariante ein! „Na ja, warum auch nicht?“ meint George. So biegen wir neugierig und ahnungslos statt bei Galt schon bei Bodendorf ab, während die Sonne glutrot am Horizont versinkt. 

Zwei Stunden später. Die Sterne funkeln am Firmament. Kuhdung klebt an den Reifen. Rundum dichter Nadelwald. Vor uns im Scheinwerferlicht klafft eine Art zweispuriger Abgrund. Izabela beharrt stur auf ihrer Wegwahl, doch wir haben keine Lust, in einem von Forstlastern ausgefahrenen Schlammloch zu übernachten. Kurzentschlossen kehren wir um, trotz Perspektive auf mehrere Kilometer unkenntlichen Feldweg auf dem Hügelkamm zurück, nun in nachtschwarzer Dunkelheit. „Intoarceţi-vă!“ (umdrehen), nervt Izabela alle zehn Sekunden beleidigt. Kein Wunder, dass das Mädel so heiser ist. Wir sind nahe dran, ihr eins über die Mütze zu geben, als sie endlich klein beigibt und rekonfiguriert.
Ob da was nicht stimmt mit dem rumänischen Straßennetz? Von wegen, lachen unsere Freunde, als wir uns endlich zusammen über die (längst vertrocknete) Pizza hermachen. Ihr Navi hatte sie sogar in Deutschland mitten in den Wald geführt, um dort überzeugend zu behaupten: „Sie sind am Ziel angekommen!“  Ein Gutes hat die Erfahrung doch: Seither berät sich mein Mann bei der Streckenplanung auch wieder mit mir...