Polierte Kokelperle

Weinlese im Kokelland läuft auf Hochtouren / Weingut Jidvei produziert dank massiver Investitionen auf internationalem Niveau

In Sichtweite der Weingärten liegt das Haller-Schloss in Kokelburg, das heute dem Jidvei-Eigentümer Claudiu Necşulescu gehört.

Marin Cucură prüft auf seinen Rundfahrten den Geschmack der Trauben.

Ein einziger Arbeiter erntet heute an einem Tag soviel wie früher 300.

Vom Weinberg gelangen die Trauben direkt in die Mühle.
Fotos: Holger Wermke

In rasantem Tempo lenkt Marin Cucură den Land Rover über die holprigen Feldwege hoch über dem Tal der Kleinen Kokel/Târnava Mică. Der wortkarge Mann spricht nicht viel. Nur manchmal zeigt er mit der Hand in Richtung Horizont und murmelt Zahlen: 200 Hektar, 150 Hektar, 300 Hektar... Worauf er zeigt, sind die Weingärten des Weingutes Jidvei. Das in Seiden/Jidvei ansässige Gut ist mit seinen 2000 Hektar Weinbergen das größte Weingut in Siebenbürgen.

Sattgrün heben sich die Blätter der Weingärten von den ausgedörrten Wiesen und Feldern der Umgebung ab. Seit zehn Jahren sei er auf den Hügeln zwischen Großer und Kleiner Kokel unterwegs, erzählt Cucur˛ während der 90-minütigen Fahrt durch die Weinberge. Der Mann mit den Geheimratsecken ist technischer Direktor auf dem Weingut und Hüter der Weinreben. Er verantwortete den massiven Ausbau der Weinflächen im vergangenen Jahrzehnt. Etwa 1700 Hektar seien unter seiner Regie gepflanzt worden, erzählt er. Sobald die diesjährige Lese vorüber ist, geht der Ausbau des Gutes weiter. Bis zum kommenden Sommer sollen noch einmal 600 Hektar dazu kommen, bei Kosten zwischen 15.000 und 20.000 Euro pro Hektar ist das eine Investition von über 9 Millionen Euro.

Riesige Flächen zwischen den Kokeln

Hinter diesen ganzen Zahlen verbergen sich riesige Weingärten zwischen Großer und Kleiner Kokel. Fast jeder Berghang zwischen Seiden und Bulkesch/Bălcaciu im Norden und Westen bis nach Scholten im Süden und Taterloch/Tătârlaua im Osten ist überzogen mit akkuraten Reihen Rebstöcken. Die meisten Weingärten befinden sich auf Höhen zwischen 200 und 500 Metern. In den insgesamt 32 einzelnen Weingärten wachsen 3,6 Millionen Pflanzen, schätzt Cucură. 

Gelesen wird in diesem Jahr auf 1600 Hektar. Zwischen 7000 bis 8000 Kilogramm Trauben pro Hektar Ertrag schätzt Cucură, wird man bei den Qualitätsweinen einfahren bzw. 10 Millionen Liter Wein. Seine Meinung über den Ertrag ist geteilt. Es sei ein schwieriges Jahr gewesen, so Cucur˛, er habe keinen Hektar ohne Probleme gehabt. Spätfröste, Fäule und Schimmelbefall hielten den Weinbauern und seine Mannschaften auf Trab.

Dennoch ist er zuversichtlich, was die Gesamternte angeht. Viele der neuen Weinberge würden in diesem Jahr erstmals Trauben liefern, sodass er mit einer Rekordernte rechnet.

Bekannt für Weißweine

Bekannt ist das Weingut Jidvei insbesondere für seine Weißweine. Den größten Anteil haben die Sorten Sauvignon Blanc und  Königliche Mädchentraube bzw. Königsast (Fetească Regală) mit jeweils 500 Hektar Anbaufläche. Es folgen Muskat-Ottonel und Traminer mit jeweils 300 Hektar, 200 Hektar Welschriesling, 100 Hektar Riesling sowie jeweils 50 Hektar Chardonnay und Grauburgunder. In kleinem Maßstab werden die roten Rebsorten Merlot und Pinot Noir kultiviert.

Weinbau ist ein arbeitsintensives Geschäft. Rund 1600 Arbeiter beschäftigt das Weingut permanent, in der Erntezeit wächst die Belegschaft auf 2200 Arbeiter. Die Lese verläuft zu einem großen Teil maschinell. Drei vollautomatische Erntemaschinen arbeiten sich derzeit durch die Weinstöcke. Jede von ihnen ersetzt 300 Arbeitskräfte, die sonst per Hand sammeln und auf die Anhänger laden würden. Etwa zehn Hektar schafft eine Maschine pro Tag, informiert Cucură.

Computergesteuerte Produktion in Seiden

Traktoren ziehen die vollbeladenen Anhänger zur Kellerei in Seiden. Zwei weitere Kellereien unterhält das Unternehmen in Bulkesch und Blasendorf/Blaj, allerdings nur für die Abfüllung und Lagerung. Über 40 Millionen Euro flossen in den vergangenen zehn Jahren in die Modernisierung des Weingutes. Neben der Neupflanzung der Plantagen investierte Eigentümer Claudiu Necşulescu 2005 eine beachtliche Summe in die Kellereianlagen, wobei ein Teil der Investitionen aus Mitteln des europäischen SAPARD-Programms finanziert wurde. Moderne Pressen und computergesteuerte Stahltanks für die Gärung stehen in den Betonhallen aus kommunistischer Zeit, als der Betrieb noch Staatsfarm war.

Produktionsleiter Sorin Burnete führt Besucher sichtlich stolz durch die Anlage. Etwa alle fünf Minuten kommt ein Traktor mit Trauben, die sofort verarbeitet werden. Die Verarbeitung erfolge sortenrein, betont Burnete, schließlich würden hier Qualitätsweine produziert. Die Trauben werden zuerst von den Rispen befreit – entrappt, wie der Winzer sagt, und dann in einer Mühle gemahlen. In der Kelterei wird die so entstandene Maische gepresst und der Most von den Traubenrückständen getrennt. 300 Tonnen Trauben passieren so täglich die Kellerei.

Degustation im Haller-Schloss

Vorläufige Endstation ist eine riesige Halle, in der sich in vier Reihen 104 haushohe Gärtanks aus Edelstahl drängen. Jeder von ihnen fasst 50.000 Liter, erklärt Burnete. Gleich nebenan befindet sich auf drei Etagen ein weiteres Lager mit 800 Eichenfässern, wo die Weine im Barrique ausreift. Am Ende gelangt der Wein in die Abfüllanlage, die täglich bis zu 25.000 Flaschen mit dem edlen Getränk füllt.

Nur ein Dorf weiter, in Kokelburg/Cetatea de Baltă, steht das ehemalige Schloss der ungarischen Adelsfamilie Haller. Jidvei-Eigner Necşulescu kaufte vor einigen Jahren das Anwesen von den Erben. Das zum Teil restaurierte Gebäude bietet das passende Ambiente für die Verkostung und den Verkauf der produzierten Weine. Gruppen ab zehn Personen können sich dieses Vergnügen nach Voranmeldung gönnen.

Die Firma rühmt sich, der größte Produzent so genannter DOC-Weine zu sein, also Qualitätsweine mit geprüfter Herkunft (Denumire de origine controlată). Über 100 Auszeichnungen sammelten die Jidvei-Weine und -Schaumweine in den vergangenen Jahren sowohl im Inland als auch im Ausland. Das Weingut steht in der Tradition des Weinanbaus in der Gegend. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Weine der Gegend berühmt und begehrt, so beispielsweise die Seidener Weine.



Agrarimperium  im Kokeltal


Hinter Jidvei verbirgt sich ein bedeutendes Agrarunternehmen, dessen Hauptaktivität die Weinherstellung ist. Eigentümer des mehrere Firmen umfassenden Unternehmens ist der aus Konstanza/Constanţa stammende Claudiu Necşulescu. 1999 übernahm der heute 48-jährige die einstige Staatsfarm IAS Jidvei bzw. zeitweilig Perla Târnavei (Kokelperle), das zur damaligen Zeit 500 Hektar Weinkulturen und 300 Hektar Obstplantagen besaß. Die Jidvei S.R.L. weitete die Aktivitäten aus, sie züchtet und handelt heute auch mit Schafen, Kühen sowie Rassepferden.

Die firmeneigene Bäckerei in Seiden produziert täglich 3000 Brote, in einer Weinschule werden Setzlinge gezogen, ein Betonwerk produziert die Pflanzpfähle. Zum Unternehmen gehört auch das ehemalige Schloss der Familie Haller in Kokelburg/Cetatea de Baltă, das heute für repräsentative Weinverkostungen genutzt wird.