Randbemerkungen: Der Clown geht

„Und ich bedauere, dass ich mit diesen Argumenten nicht erfolgreich war, und natürlich ist es schmerzhaft, dass ich so viele Ideen und Projekte nicht selbst durchsetzen konnte.“ Doch hätte er in seiner Regierungszeit so viele Erfolge verzeichnet – den Brexit, die Pandemie, Investitionen in Infrastruktur und Technologie, die Unterstützung der Ukraine. „So viel leisten“ würde seine Regierung, liege aber – undankbare Briten! – „eine Handvoll Punkte“ in den Umfragen zurück. Immerhin: Versucht habe er, die Torys zu überzeugen, nicht gerade jetzt die Regierung auszuwechseln. Er selbst sei „ungeheuer stolz auf die Errungenschaften dieser Regierung“, aber: „Der Herdentrieb ist stark, und wenn sich die Herde bewegt, bewegt sie sich“, womit klar ist, wie BJ seine Parteikollegen sieht...

Politclown Boris Johnson verkündete seinen parteiintern erzwungenen Rücktritt von der Parteispitze mit denselben umständlichen Verrenkungen, Schiefhalten des Schädels mit dem programmatisch unfrisierten Haarschopf, mit denen er seine Charmeoffensiven begleitet – und meist Erfolg hat. Egal, ob es sich um unverschämt blauäugige Lügen handelte, mit denen er großzügig um sich zu schmeißen beliebte, um Falschaussagen, Fehltritte oder Skandale.

Eigentlich müsste er nach britischen Usus auch implizite als Regierungschef zurücktreten – da er ab dem Augenblick des öffentlichen Abdankens von der Parteispitze keine Macht mehr hinter sich hat. Doch er wolle – ein Rumäne hätte an seiner Stelle gesagt, er opfere sich auf, „zum Wohl und zur Sicherheit des Vaterlandes“ – noch bleiben, bis ein würdiger Nachfolger gefunden wird. Und bei der Suche nach diesem bzw. dieser mithelfen... Denn „unser brillantes darwinistisches System“ würde verlässlich einen neuen Anführer produzieren – sozusagen den neuen Leithammel der Herde. „Survival of the fittest“, heißt das auf der Insel. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon, keine Johnson-Freundin, kommentierte beim BBC trocken, dass nun BJ „zweifellos noch mehr Chaos anrichten“ werde „als bisher“, wenn er bis Herbst im Amt belassen werde.

Mit dem „Herdentrieb“ und dem „Überleben des Fittesten“ offenbart der Struwwelpeter von der Insel seine diskutable Sicht auf die Menschen, aus einer Position, die er „den besten Job in der Welt“ nennt. Er selbst musste von den Torys fast bekniet werden zu gehen, was ihm in Insiderkreisen den Ruf einbrachte, er verhalte sich „würdelos und egoistisch“. 

Seine von ihm als so „erfolgreich“ gepriesene Regierung ist im Vorfeld seines erzwungenen Rücktritts massiv ausgelichtet worden durch Rücktritte von hohen Ministerialbeamten und Ministern, die BJ mitteilten, „so“ gehe es nicht weiter – mit Bezug auf dem letzten Skandal, wo der Struwwelpeter einen Trinker und unter Alkohol gegenüber Frauen zudringlichen Abgeordneten zum stellvertretenden Geschäftsführer der Konservativen im Parlament gemacht hatte, obzwar er dessen „Gewohnheiten“ kannte – was BJ in gewohnter Weise leugnete, den Ahnungslosen spielend.

„Clownfall“ titelte „The Economist“ die Ausgabe, die den Rücktritt von BJ behandelt und bezieht sich dabei auf ein Foto von 2012, als BJ Londons Bürgermeister war und an einem defekten Seilzug hing, von wo aus er gegen Boden grinste und in jeder Hand ein britische Fahne hielt, weswegen ihn die „Financial Times“ als „Westminsters liebenswertester Clown“ titulierte.

Zumindest bis zu seinem nächsten Hochzeitstag, am 30. Juli, will der Clown noch unbedingt im Amt bleiben, denn er möchte auf dem offiziellen Landsitz des britischen Premierministers in großem Stil und mit vielen Gästen seine (im Volksmund so genannte) „Queen Carrie“ heiraten – die er in kleinem Kreis bereits 2021 geheiratet hatte.

Die Kommentatoren rätseln mittlerweile um die Nachfolge. Kandidaten, von moderat bis BJ-ähnlich, gibt´s genug unter den Torys.

Doch mit BJ´s Unterhaltungswert?

Keine.